[2.10.2015] Sachsen-Anhalt ist eines der Bundesländer mit den höchsten Anteilen erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung. Eine wichtige Rolle im Erzeugungsmix spielen Bioenergien. Eine der modernsten Biomethan-Anlagen wurde im Juni in Staßfurt in Betrieb genommen.
Ministerpräsident Reiner Haseloff ist ganz unbescheiden: „Wenn Sie dieses Land betreten, kommen Sie im dritten Jahrtausend an.“ Der Regierungschef meint damit allerdings weniger den Technologie- als den Energiestandort Sachsen-Anhalt. Bei der Inbetriebnahme einer Biomethan-Anlage des Unternehmens MVV Energie in Staßfurt bei Magdeburg sagte Haseloff: „Das Land Sachsen-Anhalt geht die Energiewende offensiv an. Die von der Bundesregierung gesetzten Ziele haben wir längst erfüllt. 21 Prozent des Bruttoenergieverbrauchs stammen aus regenerativen Quellen.“ Und in der Tat: Wer durch Sachsen-Anhalt fährt, hat immer mindestens einen Windpark im Blick. Auch die Biomethan-Anlage in Staßfurt kann als Beispiel gelten: Auf der Straßenseite gegenüber erstreckt sich eine große Photovoltaik-Anlage und am Horizont ragen dutzende Windräder in den Himmel. Die offiziellen Zahlen hat der Ministerpräsident parat: „In Sachsen-Anhalt stehen 25.000 Photovoltaik-Anlagen, drehen sich 2.600 Windräder und 400 Anlagen wandeln Biomasse in Energie um.“ Laut dem Jahresreport Föderal Erneuerbar, in dem die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) die energiepolitischen Strategien und Konzepte der Bundesländer zur Energiewende vergleicht, ist Sachsen-Anhalt eines der Länder mit den höchsten Anteilen erneuerbarer Energien. Mit dem im April 2014 verabschiedeten Energiekonzept 2030 hat sich die Landesregierung neue Ziele gesteckt: Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bei 26 Prozent liegen. Allerdings ist Sachsen-Anhalt auch ein Braunkohle-Land und der Regierungschef ist überzeugt, dass dieser Energieträger für eine Übergangsphase von 30 Jahren weiterhin benötigt wird. Das sei volkswirtschaftlich sinnvoll und sichere Arbeitsplätze. Der Anteil der Braunkohle an der Stromerzeugung soll nach den Worten von Haseloff jedoch jährlich um zwei Prozent zurückgefahren werden. Das Land setzt also auf einen breiten Energiemix. Eine wichtige Rolle spielen dabei Bioenergien. Nach Zahlen der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) hat Sachsen-Anhalt die bundesweit größte Kapazität zur Aufbereitung von Biogas. Laut Ministerpräsident Haseloff hat das Bundesland einen Anteil von 16 Prozent an der Biodiesel-Produktion in Deutschland, bei Bioethanol liege der Anteil sogar bei 70 Prozent.
Führend bei Bioenergie
Deshalb ist das Land auch ein interessanter Standort für MVV Energie. Der Mannheimer Energieversorger betreibt in der Magdeburger Börde inzwischen drei Biogas-Anlagen, eine thermische Abfallverwertung in Leuna und das Unternehmen Köthen Energie ist eine Tochter des Energiekonzerns. Die neueste Biomethan-Anlage wurde Ende Juni 2015 nicht nur im Beisein des Ministerpräsidenten, sondern auch vieler Kommunalpolitiker und lokaler Prominenz offiziell in Betrieb genommen. Rund 14 Millionen Euro investierte MVV Energie in das Gemeinschaftsprojekt mit dem Unternehmen BayWa r.e. In der Anlage werden nach Unternehmensangaben jährlich rund 62.000 Tonnen Substrat verarbeitet, sie hat eine Leistung von drei Megawatt und soll pro Jahr über 63 Millionen Kilowattstunden Energie liefern. Das Biogas wird vor Ort zu Biomethan aufbereitet und ins Erdgasnetz eingespeist. Das nötige Material liefern mehr als 20 landwirtschaftliche Betriebe aus der Region. MVV-Chef Georg Müller betonte bei der Inbetriebnahme die Vorteile von Biomethan: „Es ist flexibel einsetzbar, kann gespeichert werden und ohne weitere Infrastruktur direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden.“ Insbesondere im Wärmemarkt sei Biomethan mit einem konventionellen Energieträger vergleichbar.
Tank oder Teller
Ministerpräsident Reiner Haseloff gab sich überzeugt, dass die neue Biomethan-Anlage ein wichtiger Beitrag zur umweltfreundlichen Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen ist. Sie trage nicht nur zur verlässlichen Energieversorgung, sondern auch zum Gelingen der Energiewende insgesamt bei. Haseloff sagte: „Von der Biomethan-Anlage profitiert auch die Landwirtschaft. Die Diskussion Tank oder Teller konnten wir vermeiden, der Substratmix ist gut ausgewogen, es gibt keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion.“ René Zok, bis Mitte 2015 Oberbürgermeister von Staßfurt, berichtete in seiner Ansprache aus den Niederungen der Kommunalpolitik. Denn für die Bürger der Stadt Staßfurt war die Diskussion Tank oder Teller nicht von Belang. Sie sorgten sich eher um Geruchs- und Lärmbelästigungen. Als erste Pläne für eine Biogas-Anlage bekannt wurden, formierte sich Widerstand in Form einer Bürgerinitiative. Auch der Stadtrat stimmte dem Verkauf des benötigten Grundstücks erst nach intensiver Diskussion mit knapper Mehrheit zu. Dabei habe geholfen, dass ein Planungsbeirat geschaffen wurde, in dem Vertreter der Kommunalpolitik, der Bürgerinitiative und der Stadtverwaltung saßen. Zok bedauerte, dass eine Beteiligung der Kommunen und der Bürger an der Anlage nicht umgesetzt wurde. Er äußerte jedoch die Hoffnung, dass doch noch eine Bürgerenergiegenossenschaft gegründet werden könne. Ob sich die Bürger allerdings an einer weiteren Biomethan-Anlage beteiligen können, erscheint mehr als fraglich. Mit der EEG-Reform im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung entschieden, dass Biomethan-Anlagen nicht mehr förderfähig sind. Für MVV-Chef Georg Müller ist deshalb klar: „Sollte sich dies nicht ändern, werden keine neuen Anlagen mehr gebaut.“
Alexander Schaeff
http://www.mvv-energie.dehttp://www.baywa.dehttp://www.unendlich-viel-energie.deDieser Beitrag ist in der September/Oktober-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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Bildquelle: MVV Energie