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Elektromobilität:
Vom Gas gehen


[19.7.2012] Strom aus erneuerbaren Quellen soll künftig den Individual- und den öffentlichen Nahverkehr antreiben. Städtische Mobilitätskonzepte mit Elektro-Antrieben werden nun in vier Schaufenster-Regionen für Bürger und potenzielle Kunden buchstäblich erfahrbar gemacht.

Deutschland soll zu einem globalen Spitzenstandort der Elektromobilität werden. Für die Bundesregierung ist E-Mobilität ein zentrales Handlungsfeld der neuausgerichteten Energiepolitik. Und nicht nur das: Deutschland soll zu einem globalen Spitzenstandort der Elektromobilität werden. Das Ziel lautet: Bis zum Jahr 2020 ist die Bundesrepublik Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität, zu diesem Zeitpunkt rollen dann eine Million Elektrofahrzeuge durchs Land.
So steht es im Regierungsprogramm Elektromobilität, das die schwarz-gelbe Koalition im vergangenen Jahr verabschiedet hat. Große Hoffnungen werden hier geweckt: E-Mobilität sorge für eine klimagerechte Energie- und Verkehrspolitik und könne dazu beitragen, die Industriegesellschaft mit innovativen, weltweit gefragten Produkten und Systemen nachhaltig zu gestalten. Die CO2-freie Fortbewegung werde möglich, wenn die Fahrzeuge mit Strom aus erneuerbaren Energien geladen werden. Zudem könnten die E-Autos als mobile Speicher dienen, mittelfristig sei auch eine Rückspeisung des Stroms in das Netz denkbar. Elektrofahrzeuge könnten so in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leisten.

Fortschrittsbericht der NPE

Um E-Mobilität im Land voranzubringen, hat die Regierung schon 2009 einen Nationalen Entwicklungsplan vorgelegt. Die zuständigen Ressorts – die Bundesministerien für Wirtschaft, Verkehr, Umwelt und Forschung – förderten daraufhin eine Vielzahl von Maßnahmen, unter anderem mit rund 500 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II. In acht Modellregionen (Hamburg, Bremen/Oldenburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Sachsen, Stuttgart, München, Berlin-Potsdam) wird seitdem versucht, elektrisch betriebene Fahrzeuge stärker in das Verkehrssystem zu integrieren und den Aufbau der notwendigen Infrastruktur vorantreiben.
Auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gegründet. Das Gremium hat erst kürzlich den dritten Fortschrittsbericht vorgelegt. Darin heißt es, dass die ambitionierten Ziele bis 2020 erreicht werden können, wenn alle Akteure engagiert weiterarbeiten und alle Projekte zügig und konsequent umgesetzt würden. NPE-Vorsitzender Henning Kagermann ist jedenfalls optimistisch. Der frühere SAP-Chef sagt: „Es ist klar, dass der Weg zu einer Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen ein Marathon ist. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das Ziel erreichen.“ Denn: Elektromobilität sei „Auto-Faszination pur. Alle, die schon mal mit einem Elektroauto gefahren sind, waren begeistert.“

Schlüsselrolle für Energieversorger

Eine Schlüsselrolle bei der Elektrifizierung des Verkehrs spielen auch die Stadtwerke. Laut einer aktuellen Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ist ein Drittel der Mitglieder im Bereich Elektromobilität engagiert oder plant es. 900 öffentlich zugängliche Stromladestellen für E-Autos haben die Stadtwerke, die an der Umfrage teilnahmen, bereits gebaut. Bis zum Jahr 2014 soll die Anzahl verdoppelt werden.
Derzeit lohnt sich allerdings zumindest der Betrieb von Stromtankstellen nicht. Johannes Viereck, Manager beim IT-Dienstleister Logica, rechnet im stadt+werk-Interview vor, dass eine Ladesäule heute lediglich 10.000 Euro Umsatz bringe – pro Jahr. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betreibt die Energiewirtschaft insgesamt rund 2.250 Ladestellen für Elek­trofahrzeuge. Auch deshalb mahnt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller: „Unsere Unternehmen sind erheblich in Vorleistung gegangen, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Jetzt geht es darum, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Ausbau zu verstetigen.“ Denn: Für den weiteren Ausbau der Lade-Infrastruktur seien bis zum Jahr 2020 Investitionen von bis zu 1,35 Milliarden Euro nötig.

Schaufenster E-Mobilität

Nach Ansicht der Experten der Nationalen Plattform Elektromobilität sind die Projekte in den so genannten Schaufenster-Regionen zentral für den Erfolg alternativer Antriebe und Verkehrskonzepte. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung den Wettbewerb „Schaufenster Elektromobilität“ ausgeschrieben. Das Ziel: In vier Regionen soll Elektromobilität durch groß angelegte Demonstrations- und Pilotvorhaben für Bürger und potenzielle Kunden buchstäblich erfahrbar gemacht werden. Der Bund fördert die Projekte mit insgesamt 180 Millionen Euro. Bewerben konnten sich Konsortien aus Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen. Gemeinsam mit den jeweiligen Ländern und Kommunen sollten sie ein Konzept entlang der gesamten Wertschöpfungskette entwickeln. Anfang April 2012 wählte eine Jury aus Wissenschaftlern und Vertretern von Fachverbänden unter den 23 Bewerbungen vier Schaufenster-Konzepte aus:

Baden-Württemberg – LivingLab BWe mobil: Das Schaufenster-Konzept konzentriert die Aktivitäten auf die Region Stuttgart und die Stadt Karlsruhe. Rund 120 Partner sind in 41 Einzelprojekten beteiligt, das Investitionsvolumen liegt bei über 150 Millionen Euro. Bis 2015 sollen mindestens 3.100 Elektroautos auf die Straße gebracht werden, 100.000 E-Fahrzeuge bis zum Jahr 2020. Die Landeshauptstadt will sich sogar zum Zentrum der Elektromobilität mausern. Das Land, die Städte Stuttgart und Karlsruhe sowie die Region Stuttgart mit 179 Kommunen fördern das Projekt mit rund 93 Millionen Euro.

Berlin/Brandenburg – Internationales Schaufenster Elektromobilität: In den Ländern Berlin und Brandenburg sollen 74 Projekte realisiert werden, darunter 35 Kernprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 165 Millionen Euro, das Land Berlin stellt bis zu 25 Millionen Euro zur Verfügung. Am Projekt sind neun Automobilhersteller beteiligt. Die Vorgabe lautet: Bis 2015 sind 3.800 elektrisch betriebene Fahrzeuge in der Region unterwegs, die mit Strom aus erneuer­baren Quellen betankt werden. Eines der Projekte: Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik testet Elektrofahrzeuge für den städtischen Lieferverkehr.

Niedersachsen – Unsere Pferdestärken werden elektrisch: Die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Von der Komponente bis zum Fahrzeug, von der vollständigen regenerativen Energieerzeugung über die Lade-Infrastruktur und Servicedienstleistungen bis hin zu Mobilitätsangeboten für Flotten, Pendler und Carsharing-Dienste sind alle Stufen der Wertschöpfungskette im Schaufenster integriert. Besondere Schwerpunkte liegen auf der Errichtung der Infrastruktur sowie der Verbindung von Elektrofahrzeugen mit dem öffentlichen Nahverkehr. Rund 200 Partner arbeiten in 37 Projekten zusammen, Konzerne wie Volkswagen sind ebenso vertreten wie kleine und mittelständische Unternehmen, Hochschulen, Verbände und Kommunen.

Bayern/Sachsen – Elektromobilität verbindet: Das Schaufenster der beiden Freistaaten soll unter anderem zeigen, dass Elektroautos auch auf langen Strecken einsetzbar sind. Dazu wird die Autobahn A9 von München nach Leipzig mit Schnellladestationen ausgerüstet. Bayern und Sachsen fangen nicht bei Null an. In München läuft ein Projekt, das sich mit der Nutzeranalyse von Elektrofahrzeugen für den privaten und gewerblichen Einsatz und dem Aufbau der Lade-Infrastruktur im innerstädtischen Bereich befasst. Das Projekt „eE-Tour Allgäu“ zeigt, wie in einer ländlichen Region Einheimische und Touristen eine Flotte von E-Fahrzeugen nutzen können. In der Modellregion Sachsen (Dresden und Leipzig) wurde ein Schwerpunkt auf den öffentlichen Nahverkehr gelegt sowie die Netzintegration und das Energie-Management von elektrisch betriebenen Fahrzeugflotten analysiert. Bayern und Sachsen werden zusammen rund 30 Millionen Euro in die insgesamt 80 Einzelprojekte investieren. Das Ziel: Entwicklung eines Marktes für 250.000 Elektrofahrzeuge bis 2020.

Leuchtturm Dortmund

Ausgerechnet das bevölkerungsreichste Bundesland ging bei dem Wettbewerb Schaufenster Elektromobilität leer aus. Der damals amtierende Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Harry K. Voigtsberger (SPD), reagierte verschnupft: Die Bundesregierung habe sich bei ihrer Entscheidung nicht nur von ernsthaften inhaltlichen Argumenten leiten lassen, sondern auch von der Interessenlage der deutschen Automobilhersteller.
Ein Trostpflaster immerhin: Das Dortmunder Forschungsprojekt metropol-E wurde Ende Juni vom Bund als „Leuchtturm der Elektromobilität“ ausgewählt. In dem vom Bundesverkehrsministerium geförderten Vorhaben werden kommunale E-Mobilitätskonzepte entwickelt und in der Metropolregion Ruhr getestet. Zukunftsweisend: Dortmunds OB Sierau fährt Elektro-Roller. Die E-Fahrzeug-Flotte der Stadt Dortmund, aber auch Pedelecs, sollen mit innovativen Anwendungen verknüpft werden. Beispiele sind Schnellladetechniken sowie nutzerfreundliche Buchungs­methoden für rein elektrische Pool-Fahrzeuge der Stadt. Den dafür nötigen Strom sollen erneuerbare Quellen liefern. Zum CO2-freien Aufladen der Fahrzeugflotte sollen erstmalig intelligente Photovoltaik­anlagen sowie Mikrowindturbinen eingesetzt werden. Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) sagte: „Mit dem E-Mobility-Projekt metropol-E streben wir für Dortmund an, dass unsere Erfahrungen mit elektromobilen Dienstfahrzeugen Schule machen und dabei eine zukunftsweisende, klimafreundliche Mobilität in deutschen Kommunen vorantreiben werden.“

Alexander Schaeff

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2012 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Elektromobilität, Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), Schaufenster Elektromobilität

Bildquelle v.o.n.u.: Daimler AG, Stadt Dortmund

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