BDEW-Waermewend-2406.05-rotation

Montag, 15. Juli 2024

Energiespeicherung:
Die Rolle von Großspeichern


[15.7.2024] So vielschichtig das Energiesystem ist, so vielschichtig sind auch die Speichertechnologien, die für die Energiewende benötigt werden. Sie ermöglichen Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und Flexibilität auf allen Ebenen. Ein Überblick.

Speichertechnologien ermöglichen Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und Flexibilität auf allen Ebenen. Eine zentrale Hürde in einem zunehmend erneuerbaren Energiesystem ist der zeitliche Ausgleich von volatiler Erzeugung und schwankendem Bedarf auf der Nachfrageseite. Hier kommen Energiespeicher ins Spiel – sie sind eine Schlüsseltechnologie, um flexibel Energie aufzunehmen und bei Bedarf passgenau bereitzustellen.
Große Stromspeicheranlagen ermöglichen es, die vorhandenen Netz- und Erzeugungskapazitäten optimal zu nutzen, Erzeugungsspitzen von Photovoltaikanlagen sinnvoll auszugleichen und eine Abregelung zu vermeiden. Ein passgenaues Ausbalancieren von Erzeugung und Verbrauch ist erforderlich, um die Netzfrequenz stabil zu halten und damit die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Speicher können nahezu alle Dienstleistungen für die Netzinfrastruktur auf allen Ebenen des Energiesystems liefern und Schwankungen im öffentlichen Versorgungssystem ausgleichen. Reaktionen erfolgen zum Teil im Millisekundenbereich. Hierbei kann eine Speicheranlage als Multi­funktionswerkzeug verschiedene Dienstleistungen gleichzeitig erbringen.

Marktwachstum von Energiespeicheranlagen

Insbesondere die Batterieprojekte in diesem Bereich nehmen aktuell stark zu. Derzeit sind etwa 1,4 Gigawatt (GW) Leistung und 1,6 Gigawattstunden (GWh) Kapazität in Form von Großbatteriespeichern in Deutschland installiert. Die Bundesnetzagentur hat zuletzt einen Bedarf von 27 GW in den Netzentwicklungsplan aufgenommen. Als eine von vielen Prognosen für das Marktwachstum weist auch diese einen enormen Zuwachs an Energiespeicheranlagen für die kommenden Jahre aus. Derartige Speicher werden zunehmend auch direkt an großen Wind- oder PV-Parks eingesetzt, um die Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom zu glätten und Erzeugungsspitzen abzufangen. Auch bei den Pumpspeichern gibt es erhebliches Wachstumspotenzial durch Ertüchtigung bestehender Anlagen und den Neubau. Zugleich könnten künftig weitere Technologien in den Markt rücken und verschiedene Anwendungsbereiche abdecken.
Der Einsatz von Großwärmespeichern im Wärmesektor bietet sich insbesondere im Zusammenhang mit Nah- und Fernwärmenetzen sowie im industriellen Umfeld an. Dieser erfolgt, um die Wärmeversorgung der angeschlossenen Kunden mit erneuerbaren Energien sicherzustellen, den Einsatz fossiler Brennstoffe zu reduzieren und den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen. Vom Behälterspeicher nach dem Thermoskannen-Prinzip bis hin zu Erdbeckenspeichern wie in Dänemark gibt es viele Möglichkeiten.

Pufferung von Wärmelastspitzen

Diese Speichertechnologien ermöglichen sowohl die Pufferung täglicher als auch saisonaler Wärmelastspitzen. Hinzu kommt Abwärme aus industriellen und gewerblichen Prozessen. Diese fällt meist kontinuierlich über das gesamte Jahr hinweg an. Durch die Speicherung überschüssiger Wärmeenergie kann sie zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll genutzt werden – über kurze Zeiträume hinweg bis hin zu mehreren Monaten. Zugleich kann so auch das Abwärmepotenzial von mehreren hundert Terawattstunden im Jahr angepackt werden. Das alles zusammen spart am Ende auch Kosten bei den Kunden und den Energieversorgern. Möglich ist zudem, mobile thermische Speicher als Ersatz für leitungsgebundene Netze zu verwenden.
In kleinerem Maßstab werden Wärmespeicher zudem sowohl in Einzelgebäuden als auch im Quartier eingesetzt, um die selbst erzeugte Energie zu nutzen oder über ein Nahwärmenetz im Quartier zu verteilen. Auch im Bereich Industrie und Gewerbe haben thermische Speicherlösungen großes Potenzial. Sie können sowohl für Heizung und Warmwasser eingesetzt werden als auch zur Prozesswärmebereitstellung aus erneuerbarem Strom oder beispielsweise zur Effizienzsteigerung im Prozess. Großwärmespeicher können zudem eine wichtige Rolle bei der Entlastung des Stromnetzes spielen. In Zeiten hoher Erzeugungsleistung können sie den Strom nach Umwandlung in Wärme einspeichern und diesen statt Abregelung in eine sinnvolle Nutzung überführen, etwa für den Wärmepumpenbetrieb oder zur Wandlung in Power-to-Heat-Systemen. Auf diese Weise kann eine effizientere Kopplung der Sektoren Strom und Wärme erreicht werden.
In der Systeminfrastruktur finden auch mobile thermische Speicher zunehmend Anwendung. Gerade dort, wo der Aufbau eines Wärmenetzes auf Schwierigkeiten stößt, können thermische Speicher in der mobilen Ausführung Versorgungslücken schließen und erneuerbare Wärme zum Kunden liefern.

Bündelung zu virtuellem Großspeicher

Erhebliche Speicherkapazität und -leistung wird es künftig dezentral sowohl im Bereich der E-Mobilität als auch bei Prosumern vom Haushalt über Gewerbe bis hin zur Industrie geben. Diese kleineren dezentralen Einheiten wiederum lassen sich gemeinsam als virtuelles Kraftwerk oder virtueller Großspeicher bündeln, was als ein gemeinsamer Großspeicher betrachtet und an den Energiemärkten angeboten werden kann. Hierzu gehören unter anderem auch die Speichersysteme aus der Mobilitätsinfrastruktur, vor allem integriert an Schnellladesäulen und auch Containerlösungen an Ladeparks für die gleichzeitige Ladung vieler E‑Autos und E-Nutzfahrzeuge. Pufferspeicher in der Lade-Infrastruktur können letztlich beides: vor Ort die notwendige Ladeleistung bereitstellen, um eine ultraschnelle Ladung mehrerer E-Fahrzeuge zu ermöglichen, und gleichzeitig das öffentliche Netz entlasten sowie Dienstleistungen für das Netz anbieten.
So vielschichtig das Energiesystem ist, so vielschichtig sind auch die Speichertechnologien, die wir für die Energiewende brauchen. Sie ermöglichen Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und Flexibilität auf allen Ebenen – die Grundvo­raussetzung für das künftig auf Sonne und Wind basierende Energiesystem – von der Erzeugung über die öffentliche Versorgungsinfrastruktur bis hin zum Endverbraucher.

Beatrice Schulz und Katja Esche

Die Autorinnen, Beatrice Schulz und Katja Esche
Beatrice Schulz ist Leiterin des Bereichs Technologien und Märkte beim Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. (BVES). In ihrem Studium hat sie sich auf Umweltökonomie und Energiewirtschaft spezialisiert. Katja Esche ist beim BVES als Referentin für Kommunikation tätig.

https://www.bves.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2024 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Energiespeicher, Großspeicher, BVES

Bildquelle: Bos Amico/stock.adobe.com

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