BDEW-Waermewend-2406.05-rotation

Donnerstag, 18. Juli 2024

Interview:
Das Rückgrat der Erzeugung


[30.7.2021] Eine bewährte Technologie sichert den Weg zur klimaneutralen Energieerzeugung: die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). stadt+werk sprach mit Stefan Liesner über die Bedeutung von KWK-Anlagen bei der Dekarbonisierung des Energiesystems.

Stefan Liesner ist Head of Public Affairs/Public Relations bei der 2G Energy AG. Herr Liesner, welche Rahmenbedingungen müssen aus Sicht des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung geschaffen werden, um die Klimaziele zu erreichen?

Nicht nur aus KWK-Sicht gilt: Bei allen politischen Entscheidungen müssen das Prinzip der Technologieoffenheit und der Aspekt Efficency First berücksichtigt werden. Denn Energie, die nicht verbraucht wird, trägt am meisten zum Klimaschutz bei. Allerdings stellen wir fest, dass bei der aktuellen Diskussion über die All-Electric-Society, in der regenerativ erzeugter Strom die zentrale Energieform ist, zu wenig an die Versorgungssicherheit gedacht wird. Gerade in Deutschland muss auch nach dem Kohle- und Atomausstieg die Residuallast abgedeckt werden. Allein mit Strom aus Wind und Sonne ist das nicht zu schaffen. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen spielen hier eine zentrale Rolle. Die KWK kann Versorgungssicherheit mit Klimafreundlichkeit in Einklang bringen.

Im Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung sind auch Änderungen im Kraft-Wärme-Kopplungs­gesetz (KWKG) enthalten. Wie bewerten Sie die Regelungen?

Aus Sicht des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung ist es positiv, dass endlich etwas Ruhe in die Gesetzeslage zur KWK einkehren kann und unsere Bemühungen im Dialog mit der Bundespolitik, insbesondere zur Korrektur der Übergangsfrist und für die Regelungen zum Biomethan, erfolgreich waren.

In einem Whitepaper von 2G Energy heißt es, dass eine intelligente Sektorkopplung unter Einbeziehung der Gas-Infrastruktur das Erreichen der Klimaziele ermöglicht. Können Sie das näher erläutern?

Beim Erreichen der Klimaziele muss das Zieldreieck der Energiewirtschaft beachtet werden: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Hier kommt das Erdgasnetz ins Spiel, das über eine Speicherkapazität von 220 Terawattstunden verfügt. Aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff kann hier in großen Mengen gelagert und saisonal nach Bedarf entnommen werden. Viele Leitungen sind für die Umrüstung auf 100 Prozent Wasserstoff geeignet, sodass ein schrittweiser Übergang in das regenerative Zeitalter auf Basis einer bestehenden Infrastruktur realisiert werden kann.

Wie unterstützt die Kraft-Wärme-Kopplung die Dekarbonisierung der Energieerzeugung?

Wenn die großen, zentralen Kraftwerke vom Netz gehen, bilden dezentrale KWK-Anlagen das Rückgrat der Energieversorgung. Aufgrund der gleichzeitigen und hocheffizienten Produktion von Strom und Wärme tragen auch erdgasbetriebene Kraftwerke dazu bei, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Zudem kann Wasserstoff, der beispielsweise aus überschüssigem Windstrom erzeugt wird, in KWK-Anlagen genutzt werden. Der wesentliche Vorteil: Diese Kraftwerke sind steuerbar und können innerhalb von Sekunden hochgefahren werden. Das zeigte sich übrigens Anfang dieses Jahres, als es eine große Störung im europäischen Stromnetz gab. Damals lieferten dezentrale KWK-Anlagen mehrere Gigawatt zur Stabilisierung des Stromnetzes.

Was ist heute zu beachten, damit Investitionen in neue KWK-Anlagen langfristig gesichert sind?

Elementar für die Zukunftssicherheit ist, dass die Anlagen auch grüne Gase nutzen können. Anlagen von 2G Energy etwa können sowohl mit Erdgas als auch mit Biogas betrieben werden. Wir haben Kunden, die selbsterzeugtes Biogas nutzen. Wenn hiervon nicht genug zur Verfügung steht, schalten sie einfach auf Erdgas um. Außerdem sollten KWK-Anlagen auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden können.

„KWK bringt Versorgungssicherheit mit Klimafreundlichkeit in Einklang.“

2G Energy wirbt damit, dass seine Blockheizkraftwerke (BHKW) H2-ready sind. Welche Entwicklungs­arbeit musste geleistet werden, damit auch Wasserstoff eingesetzt werden kann?

Wir haben schon vor zehn Jahren mit der Entwicklung von Wasserstoff-BHKW begonnen – das kommt uns nun zugute. Die technischen Unterschiede sind in erster Linie den abweichenden physikalischen ­Eigenschaften von Wasserstoff ­geschuldet. Neben der Anpassung des Verdichtungsverhältnisses durch die Nutzung anderer Kolben, besteht der wesentliche Unterschied vor allem im Prozess der Gemisch­bildung vor der Verbrennung. Während im regulären Erdgas- oder Biogasbetrieb die externe Gemischbildung im Gasmischer und vor der Verdichtung stattfindet, erfolgt diese im Wasserstoffbetrieb erst direkt vor dem Brennraum. Unsere bisher in­stallierten Wasserstoff-BHKW können jedoch auch problemlos mit 100 Prozent Erdgas betrieben werden. Standard Erdgas-BHKW wiederum ermöglichen einen Wasserstoffanteil von bis zu 40 Prozent.

Wie sieht aus Ihrer Sicht die Energieversorgung von morgen aus – und welche Rolle nimmt dabei die Kraft-Wärme-Kopplung ein?

Der Strombedarf wird weltweit stark ansteigen. Die Stichworte lauten: Digitalisierung, Elektrifizierung der Wärmeerzeugung und Elektromobilität. Wind- und Solarenergie werden künftig die zentralen Eckpfeiler der Energieversorgung sein. Aber sie stehen nur schwankend zur Verfügung. Wie eingangs erwähnt, sind Energiespeicher nötig und Teil einer regenerativen Speicherlösung sind die Erdgasnetze. Dezentral installierte KWK-Anlagen wiederum lösen mehrere Probleme eines künftigen Energiesystems. Sie liefern Strom und Wärme, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint und tragen so zur Netzstabilität bei. Die hohen Wirkungsgrade machen den Betrieb wirtschaftlich, egal welche Gasarten genutzt werden. Die hocheffiziente und ressourcenschonende Nutzung von Erdgas sichert die Versorgungssicherheit während des Übergangs zur kompletten Klimaneutralität. Da bereits installierte KWK-Anlagen auf grüne Gase umgerüstet werden können, macht die Nutzung von Wasserstoff das BHKW zum klimaneutralen und gleichzeitig bedarfsgerechten Energielieferanten. Um es nochmals deutlich zu sagen: Kraft-Wärme-Kopplung ist die Rückgrat-Technologie einer zu 100 Prozent erneuerbaren Energiewelt der Zukunft.

Interview: Alexander Schaeff

Im Interview, Stefan Liesner
Stefan Liesner ist Head of Public Affairs/Public Relations bei der 2G Energy AG. Er ist seit dem Jahr 2008 in verschiedenen Funktionen bei 2G tätig, unter anderem in den Bereichen Entwicklung, Marketing und Leitung Business Development. Liesner ist zudem Mitglied im Vorstand des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK).

https://www.2-g.com/de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Kraft-Wärme-Kopplung, 2G Energy, BHKW, B.KWK, Sektorenkopplung

Bildquelle: 2G Energy AG [Portrait]

Druckversion    PDF     Link mailen


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Kraft-Wärme-Kopplung

Energie SaarLorLux: Umstellung auf grünen Wasserstoff
[1.7.2024] Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR in Saarbrücken soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden. Dazu haben die INNIO-Gruppe und der Energieversorger Energie SaarLorLux eine Absichtserklärung unterzeichnet. mehr...
Absichtserklärung unterzeichnet: Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden.
Bioenergie: Bedeutung von Biogas und Biomethan Bericht
[1.7.2024] Der Einsatz von Biogas und Biomethan bietet Stadtwerken eine Chance. Denn die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ist nicht nur schneller am Netz als große Kraftwerke, auch der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft wird deutlich früher gelingen. mehr...
Stadtwerke können das Rohbiogas ankaufen und damit in das Speicherkraftwerk investieren.
KWK: Wichtige Säule im Klimaschutz
[25.6.2024] Die Branche diskutierte auf dem 22. Duisburger KWK-Symposium Potenziale und Herausforderungen. mehr...
Podiumsdiskussion zur Zukunft der KWK in Duisburg.
Interview: KWK als grüner Teamplayer Interview
[24.6.2024] In der Energiepolitik fehlt ein klares Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung, sagt Christian Grotholt. stadt+werk sprach mit dem Chef des Anlagenherstellers 2G Energy über die Rolle der KWK im künftigen Energiesystem. mehr...
Christian Grotholt
Kraft-Wärme-Kopplung: Wird die Renaissance eingeläutet? Bericht
[18.6.2024] Gemäß einer Entscheidung des EuG stellt das im Jahr 2020 novellierte KWK-Gesetz als umlagebasiertes Förderinstrument keine Beihilfe dar. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, eröffnet das der Kraft-Wärme-Kopplung neue Perspektiven. Auch einige Bremsklötze ließen sich beseitigen. mehr...
Mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lässt sich Primärenergie effizienter verwerten.

Suchen...

Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Ausgewählte Anbieter aus dem Bereich Kraft-Wärme-Kopplung:
Trianel GmbH
52070 Aachen
Trianel GmbH

Aktuelle Meldungen