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Sonntag, 18. August 2024

Smart Grid:
Netze kontinuierlich überwachen


[25.10.2023] Um auch in Zukunft eine stabile Stromversorgung zu gewährleisten, wird ein digitalisiertes Energienetz benötigt. Handlungsfelder ergeben sich etwa im Bereich der Einspeiseregelung, bei der Überwachung von Ortsnetzstationen oder der Regelung von Ladeparks.

Um auch in Zukunft eine stabile Stromversorgung zu gewährleisten, wird ein digitalisiertes Energienetz benötigt. Die nachhaltige Nutzung natürlicher Energieressourcen wie Wind- und Sonnenenergie stellt das Stromnetz vor Herausforderungen. Denn die Zunahme regenerativer Erzeuger sorgt für eine schwankende Netzeinspeisung. Doch auch die Entnahmemenge gestaltet sich zunehmend volatil: Nicht zuletzt bedingt durch die wachsende Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge und die zunehmende Zahl an Wärmepumpen. Um diese Effekte steuern zu können, wird ein digitalisiertes Energienetz benötigt, das weiterhin eine stabile Grundversorgung mit stabiler Frequenz und Spannung insbesondere im Niederspannungsnetz gewährleistet.

Handlungsfeld Einspeisung

Mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent regenerativer Stromerzeugung ist Deutschland eines der führenden Industrieländer in diesem Sektor. Frühzeitig wurde erkannt, dass regenerative Erzeuger nicht ungeregelt einspeisen dürfen, sondern dies dem aktuell notwendigen Verbrauch folgen muss. Führende Regelgröße hierfür ist die Netzfrequenz gemeinsam mit der aktuellen Netzlast. Die Netzfrequenz darf nur innerhalb eines maximalen Korridors schwanken. Wird dieser überschritten, werden die entsprechenden Sektoren vom Netz entkoppelt, was für Netze ohne dezentrale Einspeisung einen Blackout bedeuten würde.
Solange die fossilen Kraftwerke noch mehr als 60 Prozent der Erzeugung übernahmen, konnte die Netzfrequenz gut über die Einspeiseleistung geregelt werden, da die Erzeugungsleistung der fossilen Kraftwerke bekannt war und stabil zur Verfügung stand. Mit einer zunehmend regenerativen Erzeugung ist jedoch auch die Einspeiseleistung volatil, da sie von der Sonnen- und Windleistung abhängig ist. Zudem wird ein hoher Anteil der Energie inzwischen dezentral im Niederspannungsnetz auf beispielsweise Dachanlagen erzeugt, was zu dezentralen Netzfrequenzbeeinflussungen führt.
Würden die regenerativen Erzeuger mit konstanter Leistung zur Verfügung stehen, wäre die Einspeiseregelung nicht so komplex. Stromspeicher wären eine große Hilfe, da sie bei ausreichender Größe die Schwankungen der regenerativen Erzeuger absorbieren. Ähnlich wie bei Kohlekraftwerken die Kohlenhalde vor der Stromerzeugung für eine konstante Einspeisung sorgt, würde diese Aufgabe bei einer regenerativen Erzeugung der Stromspeicher übernehmen. Speicher spielen künftig also eine relevante Rolle – nicht nur, um regenerative Energien zu sichern, wenn sie momentan nicht im Netz benötigt werden, sondern auch zur Verbesserung der Einspeiseregelung, da sie für eine konstante Erzeugung sorgen würden – eine wesentliche Grundvoraussetzung für ein stabiles Energienetz.

Handlungsfeld ONS

Wurde das Netz bisher gerade im Niederspannungsbereich nicht überwacht, ist dies nun von essenzieller Bedeutung für die zukünftige Versorgungssicherheit. Die dezentrale Frequenzüberwachung in Ergänzung mit Spannungsmonitoring und Leistungsüberwachung muss vor allem in den Trafoanlagen von der Mittel- auf die Niederspannung erfolgen, also in den so genannten Ortsnetzstationen (ONS).
In einem Netz mit einem hohen regenerativen Anteil ist ein Monitoring der Frequenz, der Spannung und der Leistungen notwendig, um diese als Größen für die Netzregelung verwenden zu können. Ortsnetzstationen müssen also überwacht und digitalisiert werden – sie werden somit zu digiONS, digitalisierten Ortsnetzstationen.
Eine besondere Rolle im Energienetz spielt inzwischen die deutliche Zunahme der Oberwellen. Sie ist bedingt durch die stetig steigende Zahl von Leitungselektronik und Frequenzumrichtern bei den Verbrauchern. Diese sorgen dafür, dass die Oberwellen auf allen Spannungsebenen stetig zunehmen und damit den konstanten Stromfluss beeinflussen. Netzfilterungen sind möglich, müssen jedoch gezielt platziert werden. Hierfür bieten sich ebenfalls die Ortsnetzstationen an. Sie werden damit auch zu einem wesentlichen Messpunkt der Netzqualität, der so genannten Power-Quality-Messung gemäß IEC 61000.

Handlungsfeld Ladeparks

Die Anzahl der E-Autos in Deutschland beträgt zwar noch unter drei Prozent, steigt jedoch stetig. Gleichzeitig nimmt die Ladeleistung der Fahrzeuge zu. Wurden E-Autos bis vor wenigen Jahren meist mit weniger als 100 Kilowatt (kW) geladen, sind nun Leistungen von mehr als 300 kW möglich. Mit der Zunahme von E-Pkw, E-Lkw, E-Bussen und kleineren E-Fahrzeugen sowie deren steigender Ladeleistung werden auch leistungsfähigere Ladesäulen und damit leistungsfähigere Anbindungen an das Netz benötigt.
Einzelne Ladesäulen werden häufig in die Infrastruktur von Zweckbauten wie Einkaufszentren, Hotels, Bahnhöfen, Bürogebäuden, Industriegebäuden oder Krankenhäusern integriert. Ladeparks werden typischerweise mit vorhandenen oder neuen Ortsnetzstationen an das Mittelspannungsnetz angeschlossen. Beispielhaft könnten Ladeparks mit 20 Säulen und 200 kW Ladeleistung pro Säule somit im maximalen Fall eine kurzfristige Last von vier Megawatt (MW) an der Ortsnetzstation erzeugen.
Durch die Ausregelung des Ladeparks mit Spitzenlastkappung und bedingt durch das Ladeverhalten der Fahrzeuge, die mit zunehmender Ladung die Ladeleistung verringern, wären die vier Megawatt zwar ein eher theoretischer Wert, der jedoch im ungünstigsten Fall – 20 komplett entladene Elektroautos laden gleichzeitig mit je 200 kW – auftreten könnte. Die Installation von lokalen E-Speichern am Ladepark schafft unmittelbar Abhilfe und absorbiert die gegebenenfalls fehlende Leistung. Auch werden zunehmend Photovoltaikanlagen an Ladeparks installiert, die aber erst in Kombination mit Elektrospeichern eine effiziente, netzschonende Lösung für diesen bilden.
In jedem Fall wird die Zunahme der Lade-Infrastruktur das Netz in neuartiger Weise diskontinuierlich belasten. Damit Netzversorger ihrem Auftrag der Netzsicherheit nachkommen können, ist daher eine kontinuierliche Überwachung der abgenommenen Ladeleistung an der Ortsnetzstation und eine Überwachung und Regelung der Ladeleistung notwendig.

Handlungsfeld Übergabestation

Kundenübergabestationen werden an Netzknotenpunkten eingesetzt, die gemäß der technischen Anschlussbedingungen örtlicher Versorger (TAB) hinterlagerte Netze wie Zweckbauten oder Indus­trieanlagen integrieren. Waren dies in der Vergangenheit noch klassische Endverbraucher mit einem planbaren Lastverhalten, wandeln sich Gebäude und Industrieanlagen mit Photovoltaikanlagen, Windenergieerzeugung und Speichern immer mehr zu Selbstversorgern und diskontinuierlichen Einspeisern. War für den Netzversorger die Last am Anschlusspunkt der Kundenübergabestation bislang planbar, ist somit zunehmend die Integration eines hinterlagerten eigenen kleinen Energienetzes nötig, in dem sich das Verhalten der Erzeugung, Netzverteilung, Lade-Infrastruktur und Speicherung identisch wie im öffentlichen Netz abbildet.
Für eine planbare Netzversorgung müssen die so entstehenden Micro Grids hinter der Kundenübergabestation in ihrem Verhalten kontinuierlich überwacht werden und im Bedarfsfall ein Eingreifen ermöglichen. Würden die Micro Grids theoretisch ohne Netzanschlusspunkt auskommen, könnten sie autark betrieben werden. Ist dies nicht der Fall, benötigt der Versorger im Sinne der Netzstabilität die Eingriffsmöglichkeit.

Lösungen von WAGO

Das Unternehmen WAGO arbeitet seit über 15 Jahren an Lösungen für die Überwachung und Regelung des Energienetzes mit besonderem Fokus auf das Niederspannungsnetz. Für alle vier aufgezeigten Handlungsfelder stehen Lösungen zur Verfügung, die von Netzversorgern zugelassen sind. Die Lösungen basieren auf vorkonfigurierten Anwendungsbausteinen aus dem WAGO-System 750 sowie dem kompakten WAGO-Controller CC100. Für die Integration der Sensorik bis hin zur Power-Quality-Messung stehen mehr als 500 verschiedene Input/Output(I/O)-Module zur Verfügung, die mit hoher Skalierung optimal an die Applikation angepasst werden können.
Die Anbindung an überlagerte Leitsysteme erfolgt über die gängigen Fernwirkprotokolle IEC 60870 oder IEC 61850 mit den darin vorgesehenen Erweiterungen der physikalischen Anbindung und kann optional als MQTT-Verbindung auf Cloud-Systeme erweitert werden. Die integrierte Visualisierung im System ermöglicht einen parallelen, schnellen, lokalen Zugriff per Smartphone oder Tablet auf die jeweilige Anwendung.
Die WAGO-Systeme haben bereits in vielen Projekten im In- und Ausland ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt und stabilisieren mit ihrem Monitoring und Regelung das Energienetz. Neue und weitere Anforderungen wie etwa untereinander selbstregelnde Ortsnetzstationen und der Einsatz von KI-Algorithmen werden hinzukommen.

Ulrich Hempen

Der Autor, Ulrich Hempen
Ulrich Hempen durchlief verschiedene berufliche Stationen in Deutschland und der Schweiz bevor er zur WAGO GmbH & Co. KG wechselte. Hier verantwortete er ab 2007 das internationale Key Account und Branchen-Management. Seit 2021 ist er Vice President der neu gegründeten Business Unit Solutions.

https://www.wago.com
Dieser Beitrag ist im Schwerpunkt Smart Grid der Ausgabe September/Oktober 2023 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Smart Grid, Netze, WAGO Kontakttechnik,

Bildquelle: killykoon/stock.adobe.com

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