[18.3.2021] Über die Eignung des Erdgasnetzes für Wasserstoff sprach stadt+werk mit Florian Feller, Projektleiter von H2vorOrt und Leiter Klimastrategie und Politische Arbeit beim Unternehmen erdgas schwaben.
Herr Feller, welche Beimischungen von Wasserstoff sind in ein normales Erdgasnetz bislang möglich?
Da muss man zwei Ebenen betrachten. Zuerst die technische. Das Fachregelwerk des DVGW sieht bis zu zehn Prozent H2 im Gasnetz vor. Dabei muss man aber Rücksicht auf sensible Endverbraucher wie CNG-Tankstellen und industrielle Anwender nehmen. Hier wird an Lösungen gearbeitet, den Wasserstoff vorher rauszufiltern. Die Endgeräte im Wärmemarkt halten gut bis zu 20 Prozent Wasserstoff aus. Deswegen will der DVGW auch das Regelwerk auf 20 Prozent erweitern. Dann gibt es noch die marktliche Seite, diese betrifft auch andere klimaneutrale Gase wie Biomethan und synthetisches Erdgas, SNG.
Worauf muss hier geachtet werden?
Es müssen Klippeneffekte vermieden werden. Durch den kontinuierlichen Anstieg des CO2-Preises werden fossile Gase bis zu einem Tag X billiger sein als klimaneutrale. Das bedeutet, dass bis zu diesem Tag klimaneutrale Gase kaum nachgefragt werden und ab dem Tag X der gesamte Verbrauchermarkt diese Gase möchte. So kann kein Markthochlauf funktionieren. Eine gute Lösung wäre eine Quotenregelung im Wärmemarkt, die Schritt für Schritt einen Ersatz fossiler durch regenerative Gase vorsieht.
Wie könnte man höhere H2-Beimischungen erreichen?
Die anvisierten 20 Prozent Beimischung sind ein wichtiger Schritt, für den kaum Anpassungen am Verteilnetz notwendig sind. Dennoch ist ein weitaus stärkerer Einsatz von Wasserstoff im Verteilnetz möglich und sinnvoll. Die Beimischquoten sollten hierbei jedoch nicht beliebig erhöht werden. Besser sollte regional ab einer Beimischung von 20 bis 30 Prozent auf eine reine Wasserstoffversorgung umgestellt werden. So kann vermieden werden, dass die Endanwender mit unnötigen Anpassungszyklen bezüglich ihrer Verbrauchsgeräte konfrontiert werden.
Welche Mehrkosten würden bei einem reinen Wasserstoffnetz entstehen?
Wenn es um den separaten Neubau eines Wasserstoffnetzes geht, der im Ausmaß dem heutigen Gasverteilnetz entspricht, rechnen wir mit 270 Milliarden Euro. Damit tun wir unserem Land keinen Gefallen. Zusätzlich muss man die Zeit berücksichtigen, die für den Aufbau notwendig ist. Für das heutige Gasnetz haben wir über 50 Jahre gebraucht. Eine regionalspezifische Umrüstung der bestehenden Gasverteilnetze auf Wasserstoff ginge vergleichsweise schnell und würde mit Kosten im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich signifikant günstiger sein.
Wie sieht es mit der Aufmethanisierung aus, ist das eine realistische Möglichkeit?
Letztlich ist es so, dass Wasserstoff vor Ort eine vollständige Energiewende im Gas will. Und das geht nur nah am Endverbraucher. Es handelt sich also um ein stark regional geprägtes Thema. Für Großstädte wäre deswegen die Methanisierung von Wasserstoff definitiv ein Thema. Dort gibt es einen großen Gebäudebestand, der oft nicht einfach auf andere Heizsysteme umgerüstet werden kann. Eine überambitionierte Verstromungsstrategie könnte auch im Wärmemarkt dafür sorgen, dass die Leitungen das nicht mehr packen. Schwankende Lasten wie den Energieverbrauch von Heizungen können Gasnetze gut abfedern – im Gegensatz zum Stromsystem auch saisonal. Hinzu kommt, dass wir selbst bei einer Verdopplung der Sanierungsquote auf zwei Prozent in 30 Jahren bei 60 Prozent sanierten Gebäuden wären. Soll dann Klimaneutralität herrschen, wird das nur über klimaneutrale Gase gehen.
Interview: Frank Urbansky
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Dieser Beitrag ist im Titel der Ausgabe März/April 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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