WienStadtwerk verbessert Kundenservice
Nach aktuellen Erkenntnissen des Marktforschungsunternehmens Gartner lassen sich rund 40 Prozent des gesamten Kontaktvolumens im Rahmen von Selbstauskunftsprozessen bewältigen. Derzeit liegt diese Quote laut Gartner bei durchschnittlich fünf Prozent. Allgemein gilt: Durch die signifikant reduzierte Call oder Incident Handling Time ist ein funktionierender Selfservice ein wichtiger Treiber für Kosteneinsparungen und mehr Produktivität. Gartner geht bei einem traditionellen Anruf im Kundenservice-Center von durchschnittlichen Transaktionskosten in Höhe von 7,50 US-Dollar aus. Entsprechende Selfservice-Aufwände sind nach Angaben des Marktforschungsunternehmens zwar in den meisten Fällen nicht exakt zu ermitteln, dürften aber weit unter den telefonbasierten Services liegen. Das bestätigen auch die Einschätzungen anderer Analysten.
Aber Selfservice hat viele Facetten: Beispiele sind das Beschaffen von eigenen Lösungen für Probleme ohne Unterstützung durch das Service-Center, das Einstellen eines Serviceantrags, das Überprüfen des Bearbeitungsstands eigener Tickets, teilweise sogar das Durchführen von Korrekturen im Sinne einer Self Repair. Die erfolgreiche Nutzung in der Praxis setzt jedoch voraus, dass es ein Konzept gibt, welche Lösungen für Selfservice geeignet sind – zum Beispiel saisonale Lösungen oder präventive Themen wie Ausfälle –, es eine mit relevanten Dokumenten befüllte Wissensdatenbank gibt, in der einfach gesucht werden kann, und dass Selfservice-Aktionen dokumentiert werden und in die Prozesse integriert sind, sodass etwa bei einer erfolglosen Suche automatisch ein Ticket generiert wird.
Mit Mythen aufräumen
Die Analysten von Gartner räumen in ihrer Untersuchung, die sich zwar auf den IT-Service bezieht, aber durchaus verallgemeinert werden kann, mit vier Mythen des Selfservice auf.
Mythos 1: Der Selfservice reduziert Kosten. Richtig ist: Die Portale sparen nur Kosten im First Level Support.
Mythos 2: Selfservice ist ein einmaliges Projekt. Richtig ist: Die Portale benötigen konstante Aufmerksamkeit.
Mythos 3: Anwender werden Selfservices in Scharen nutzen. Richtig ist: Die Akzeptanz der Nutzer schwankt extrem.
Mythos 4: Selfservice-Lösungen sind einfach zu installieren. Richtig ist: Hilfswerkzeuge und Prozesse sind unabdingbare Voraussetzungen für den Erfolg.
Vor allem der erste von Gartner genannte Aspekt verdient eine differenziertere Betrachtung. Denn die These, dass Kosteneinsparungen nur im First Level Support realisiert werden, greift zu kurz. Die Erfahrung zeigt, dass Anwender über ein ergonomisches Serviceportal mit einer intelligenten Wissensdatenbank auch komplexere Lösungen finden, die über Erklärungen für triviale Probleme deutlich hinausgehen. Hinzu kommt, dass der durch Routineaufgaben entlastete First Level Support erweiterte Aufgaben übernehmen kann. Damit sind in der Praxis auch beim Second Level Support Kosteneinsparungen realisierbar. Verankert in ein umfassendes Servicekonzept ist Selfservice heute jedoch viel mehr als eine Rund-um-die-Uhr-Kontaktvermeidung. Selfservice ist ein zentraler Faktor einer Kundenmehrwertstrategie. Denn hierdurch verändern sich die Interaktionsmodelle mit den Kunden: Serviceorganisationen sind näher beim Anwender, Produkte und Services werden transparenter und greifbarer. Die Statusverfolgung sowie ein integriertes Beschwerde- und Feedbackmanagement erlauben eine direktere Einflussnahme auf der Kundenseite und steigern damit einerseits die Servicequalität und andererseits das Bewusstsein, dass Produkte und Services einen Wert für das Geschäft der Kunden darstellen. Trendanalysen über Störfälle oder Hinweise auf Schulungsbedarf sind weitere positive Vorteile eines gut implementierten Angebots.
Antworten schnell finden
So hat zum Beispiel das Unternehmen Wien Energie mit dem vierten Mythos gründlich aufgeräumt: Die Kernidee beim größten Wiener Energieversorger war ein prozessual installiertes Verbesserungsverfahren durch Feedback. Während es bei einer Selfservice-Strategie, die nur auf Vermeidung von Kundenanrufen zielt, praktisch nie Feedback von externer oder interner Seite gibt, konzentrierte man sich bei Wien Energie auf die relevanten Lösungsinhalte und deren Pflege sowie einen hohen Bedienkomfort. Das Unternehmen strebte für seine rund zwei Millionen Kunden eine weitere Verbesserung und Effizienzsteigerung der bestehenden Online-Services an. Darüber hinaus plante man in einem zweiten Projektschritt ab Frühjahr 2014 eine Qualitätssteigerung in den Bereichen Vertrieb und Kundenservice. Für das Kundenserviceprojekt evaluierte der universelle IT-Dienstleister der Wiener Stadtwerke, die WienIT EDV Dienstleistungsgesellschaft, Anfang 2013 den Markt. Nach einer internationalen Ausschreibung und der Bewertung eines umfangreichen Kriterienkatalogs entschieden sich die Verantwortlichen für den Anbieter USU und dessen Wissensdatenbank USU KnowledgeCenter.
Ziel der ersten Projektphase war es, eine Selfservice-Lösung für Endkunden auf der Website von Wien Energie zu etablieren und durch diesen zusätzlichen Servicekanal eine deutliche Entlastung des Call Centers zu realisieren. Jeder Versorgungskunde sollte sich bei Fragen oder Problemen im Support-Bereich rasch orientieren und auch als Nicht-Techniker die richtigen Lösungsinhalte finden können, beispielsweise bei einem Wohnungswechsel oder dem Ablesen des Zählerstands. Hierzu stellt das größte österreichische Versorgungsunternehmen unter anderem FAQ-Dokumente zur Verfügung, die im Kontext der jeweiligen Frage angeboten werden. Wichtig ist, dass auch die Möglichkeit zum Feedback besteht. Entweder durch die einfache Benotung über Sterne – dadurch werden die hilfreichen Dokumente entsprechend gekennzeichnet – oder konkret über ein Feedback-Formular. Zudem wurde ein übersichtlicher Beschwerdebereich eingerichtet. Die am häufigsten gesuchten Themen werden in einer separaten Box angeboten, sodass Suchende direkt auf diese Inhalte zugreifen können. Insgesamt folgt die Darstellung der Inhalte den gesuchten Themen aus der Perspektive des Endkunden.
Wichtige Informationsplattform
Interessant ist, dass das Service-Team bei Wien Energie für die Inhalte aller Kanäle zuständig ist und über die aktive Dokumententechnologie des USU-Systems eine Aufbereitung je nach Zielgruppe und Kommunikationskanal erfolgt. So greifen organisatorische Abläufe, Feedback-Mechanismen und Technologie ineinander. Seit der erfolgreichen Implementierung der Wissensplattform im Oktober 2013 stieg die Zahl der Selfservice-Nutzer innerhalb kurzer Zeit drastisch an. Dazu Rainer Pelz, Abteilungsleiter Vertriebsentwicklung und -koordination bei Wien Energie: „Die Website wird als Informations- und Serviceplattform immer wichtiger. Durch die Bereitstellung relevanter Selfservice-Inhalte und deren einfache Nutzung bieten wir unseren Kunden, aber auch allen Interessenten, einen raschen und bedarfsgerechten Zugriff auf wertvolles Wissen. USU liefert einen wichtigen Beitrag dazu.“
Dieser Beitrag ist in der April-Sonderausgabe von stadt+werk mit Schwerpunkt Informations- und Kommunikationstechnologie für die Energiewende erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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