KlimaschutzWürzburg wird klimaneutral
Würzburg ist seit jeher von einem trocken-warmen Klima geprägt, weshalb sich die Auswirkungen des voranschreitenden Klimawandels hier intensiver zeigen. Der Stadtrat hat daher bereits im Jahr 2019 mit einem Klimaversprechen deutlich gemacht, dass es ihm mit dem Klimaschutz für die unterfränkische Metropole ernst ist. Er verpflichtet sich darin auf das Ziel einer schnellstmöglichen Klimaneutralität und versprach eine umfassende Konkretisierung gemeinsam mit der Stadtgesellschaft. Es ist nicht beim bloßen Versprechen geblieben. Im vergangenen Jahr wurden in einem umfassenden Beteiligungsprozess Wege zur Klimaneutralität diskutiert. Im Ergebnis wurde mit finanzieller Unterstützung durch den Freistaat Bayern ein neues integriertes Klimaschutzkonzept für Würzburg erarbeitet.
Am 20. Januar 2022 wurde dieses vom Stadtrat nahezu einstimmig beschlossen. Damit verpflichtet sich die Stadt, Klimaneutralität schnellstmöglich und sozialverträglich bis spätestens 2040 zu erreichen. Die Stadtverwaltung selbst geht als Vorbild voran und soll ab 2028 klimaneutral arbeiten. Neben der Energie- und Treibhausgasbilanz auf Grundlage des BISKO-Standards (Bilanzierungssystematik kommunal) sowie der Darstellung von Potenzialen und Szenarien ist ein umfassendes Maßnahmenset Dreh- und Angelpunkt des Konzepts. Insgesamt 94 wegweisende Handlungsaufträge zeigen für neun Bereiche die durchgerechneten Wege zu einer schnellstmöglichen und maximalen Senkung der Treibhausgasemissionen auf. Zur Veranschaulichung können zwei sehr relevante Handlungsfelder herausgegriffen werden: Mobilität und Energieversorgung.
Klimaneutrale Mobilität
Im Gegensatz zu den anderen Sektoren blieben die Emissionen im Bereich der Mobilität in den zurückliegenden Jahren auf einem unverändert hohen Niveau. Rund ein Drittel der Würzburger Treibhausgasemissionen resultiert mittlerweile aus der Mobilität. Um diesen Trend umzukehren, braucht es eine dreifache Strategie, die auf eine Reduzierung der Fahrleistungen im motorisierten Individualverkehr, die Erhöhung des Anteils des Umweltverbunds im Modal Split und eine verträgliche Abwicklung des verbleibenden motorisierten Verkehrs insbesondere durch die Elektrifizierung setzt.
Über maßgeschneiderte Angebote und umfassende Investitionen in die Infrastruktur, wie zum Beispiel die Erweiterung des Straßenbahnnetzes, den Ausbau der Radwege und die Einführung eines Lastenradverleihsystems, kann die Umstellung gelingen, ohne die Erreichbarkeit einzuschränken oder soziale Schieflagen entstehen zu lassen. Wichtig ist der Stadt Würzburg als regionales Oberzentrum dabei die enge Abstimmung mit den benachbarten Gemeinden und Landkreisen. Für die Entwicklung eines konsistenten Handlungsrahmens hat sich die Stadt als weiteren Baustein in dieser Legislaturperiode die Neuaufstellung eines Mobilitätsplans (Verkehrsentwicklungsplans) vorgenommen.
Klimaneutrale Energieversorgung
Der Weg zur klimaneutralen Energieversorgung beginnt unter der Erde, denn er muss an der vorhandenen Infrastruktur ansetzen und mit dieser entwickelt werden: Würzburg verfügt über ein Netz von etwa 2.500 Kilometern öffentlicher Stromleitungen, rund 700 Kilometer Gasleitungen und über 60 Kilometer Fernwärmeleitungen. Wärme und Strom wird derzeit vor allem durch die Verbrennung von rund 200 Millionen Kubikmeter Erdgas und einigen 10.000 Tonnen Abfall pro Jahr erzeugt. Auch wenn die Effizienz dieses Systems in den vergangenen Jahrzehnten durch weitsichtige Entscheidungen umfassend gesteigert und damit insbesondere die CO2-Emissionen seit dem Jahr 1990 etwa halbiert werden konnten, ist die Stadt vom Ziel Klimaneutralität weiterhin ein gutes Stück entfernt.
Was die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen betrifft, kann Würzburg trotz der anzunehmenden Erhöhung des Strombedarfs – von derzeit etwa 600 Gigawattstunden (GWh) auf rund 1.000 GWh pro Jahr – optimistisch in die Zukunft blicken. So gibt es vor allem auf den Dächern, an den Fassaden und zum Teil auch auf den Freiflächen der Stadt ein großes Potenzial zur Energieerzeugung aus Sonnenlicht. Spielen Lieferketten und die Kapazitäten im Handwerk mit, trauen es sich die Verantwortlichen zu – mit Rückenwind von Bundesebene und über das entwickelte Portfolio an lokalen Maßnahmen –, den Ausbau der Photovoltaik in Würzburg etwa um den Faktor drei auf zehn Megawatt Peak (MWp) pro Jahr zu erhöhen. Bis Mitte dieses Jahrhunderts ließe sich so rund ein Viertel des Strombedarfs regenerativ vor Ort erzeugen. Ergänzend ermöglicht die Vernetzung eine Beteiligung an der erneuerbaren Erzeugung in der engeren und weiteren Region. Dies ist ein unausweichlicher Schritt, da eine völlige Autarkie in den eigenen Grenzen für Großstädte nicht gelingen kann.
Herausforderung Wärmewende
Weitaus größer sind die Herausforderungen im Hinblick auf die nötige Wärmewende. Hier ist zunächst eine umfassende energetische Ertüchtigung des Gebäudebestands notwendig, für die der Worst-First-Ansatz im Entwurf der neuen EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) eine interessante Strategie darstellt. Der dringend erforderlichen und auch mit Verve zu befördernden Energieeinsparung durch Sanierung werden bei realistischer Betrachtung aber doch Grenzen gesetzt sein. Und so wird auch im Jahr 2040 noch ein erheblicher, saisonal geprägter Wärmebedarf bestehen bleiben.
Die erneuerbare Erzeugung dieser Wärme vor Ort braucht zusätzliche Fläche – eine in den verdichteten Innenstädten sehr begrenzte Ressource. Dort ist mithin der Anschluss an Wärmenetze eine passende Option. Das Würzburger Klimaschutzkonzept geht davon aus, dass 2040 rund 40 Prozent der benötigten Wärme durch eine moderne Fernwärme und 20 Prozent durch neue Nahwärmelösungen gedeckt werden. Die verbleibenden 40 Prozent entfallen dann auf die Objektversorgung vor allem durch dezentrale Wärmepumpen. Um für diese wachsenden Wärmenetze eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten, ist ein breites Portfolio an Erzeugungskapazitäten erforderlich: Großwärmepumpen zur Veredelung der unterschiedlichen Formen von Umweltwärme, Power-to-Heat-Kessel, Abwärme, eine reduzierte und effiziente Abfall- und Biomasseverbrennung sowie vermutlich teilweise auch der Einsatz emissionsarmer Gase in der Kraft-Wärme-Kopplung.
Erstellung eines Energieleitplans
Die Entwicklung einer Roadmap Wärme gemeinsam mit der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV), welche die Zutaten zu einer konsistenten und durchgerechneten Strategie zusammenführt, ist eine vordringliche Aufgabe für die kommenden Monate. Ein wichtiger Beitrag dazu ist die Erstellung des Energieleitplans als räumlich differenzierten Wärmeplan. Die Federführung durch das Baureferat manifestiert das gemeinsame Verständnis, dass eine klimaneutrale und bezahlbare Energieversorgung ein zentraler und integraler Bestandteil der Stadtentwicklung ist. Nicht zuletzt die enge Abstimmung mit der Wohnungswirtschaft – allen voran die Initiative Stadtbau Würzburg – ist ein Garant dafür, den Klimaschutz auch mit den Belangen des sozialen Wohnungsbaus in Einklang zu bringen.
Das an den Beispielen illustrierte Konzept zeigt den Weg zur Klimaneutralität, doch die Umsetzung erfordert nicht weniger als einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Klar ist: Es wird nicht einfach, es geht um tiefgreifende Änderungen und es braucht Tempo. Neben den vielen technischen Fragen, die es zu bewältigen gilt, ist daher das Zusammenwirken mit den Bürgerinnen und Bürgern an diesem zentralen Zukunftsthema von entscheidender Bedeutung. Die vielen Projekte aus der lokalen Wirtschaft, die zahlreichen Initiativen aus der Zivilgesellschaft und die rege Partizipation an der Erstellung des Klimaschutzkonzepts sind ermutigende Zeichen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai/Juni 2022 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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