Kraft-Wärme-KopplungWird die Renaissance eingeläutet?
Seien es der höhere Brennstoffnutzungsgrad oder die Sektorenkopplung: mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lässt sich Primärenergie effizienter verwerten. Thermische Kraftwerke beispielsweise, die nur Strom erzeugen, erreichen Wirkungsgrade zwischen 35 und 60 Prozent. Moderne Gas- und Turbinenkraftwerke (GuD-Kraftwerke) schaffen bis zu 61 Prozent. Demgegenüber erlaubt die KWK-Technologie einen Brennstoffnutzungsgrad von über 90 Prozent. Wird sie bei fossilen Brennstoffen eingesetzt, senkt sie die Emission der als treibhausgasrelevant geltenden Gase. Im Bereich regenerativer Energien sorgt sie durch die höhere Energieausbeute dafür, dass mehr fossile Energieträger durch erneuerbare ersetzt werden können. Als Komplementärtechnologie zu Windkraft und Photovoltaik kann sie außerdem Strom immer dann bereitstellen, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind.
Seit mehr als 20 Jahren wird die KWK-Nutzung durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) gefördert. Zunächst wurde der in KWK-Anlagen erzeugte Strom gefördert, dann der Bau von Wärmenetzen und -speichern zur Erhöhung der KWK-Nutzwärmeauskopplung und schließlich integrierte Systeme, seien es iKWK-Systeme oder Boni für den Einsatz erneuerbarer Energien.
KWK geriet ins Hintertreffen
Dennoch rückte die Kraft-Wärme-Kopplung zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber auf die getrennte Betrachtung der Sektoren Strom und Wärme konzentriert. Zur Dekarbonisierung des Wärmesektors setzt er im Ordnungs- und Wärmeplanungsrecht (GEG und WPG) auf Wärme aus erneuerbaren Energien und die Einbindung unvermeidbarer Abwärme. Die KWK spielt dabei keine eigenständige Rolle, selbst wenn es um Brennstoffe aus erneuerbaren Energien wie biogene Brennstoffe, grünen Wasserstoff oder den biogenen Anteil von Abfällen geht. Gleiches gilt für die Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Gebäude (BEG) und der Wärmesysteme (BEW). Auch bei den jüngsten Vorhaben zur Versorgungssicherheit im Stromsektor gerät die Sektorkopplung aus dem Blick. Stattdessen konzentriert sich die Kraftwerksstrategie auf den Bau von Gasturbinen, die immer dann laufen sollen, wenn Wind und Sonne nicht genügend Strom liefern. Dabei geht es vor allem um die Frage, wann und wie Gasturbinen mit Erdgas anstelle von Wasserstoff befeuert werden können. Die effiziente Nutzung dieser Brennstoffe durch Kraft-Wärme-Kopplung wird nicht herausgehoben.
Zwei Urteile als Paukenschlag
Nun könnten ausgerechnet zwei Gerichtsurteile eine Renaissance des KWKG einläuten. Für einen Paukenschlag sorgte zum einen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. November 2023 zum Klima- und Transformationsfonds. Es erinnerte daran, dass haushaltsfinanzierte Förderprogramme mit den haushaltsrechtlichen Vorgaben der Finanzverfassung in Einklang stehen müssen. Die Energiepolitik muss also die haushaltsrechtlich ordnungsgemäße Finanzierung der wichtigen energiepolitischen Förderinstrumente gewährleisten. Hinzu kommt, dass Steuermittel angesichts der volkswirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung stehen.
Zum anderen hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) am 24. Januar 2024 zu der bislang umstrittenen Frage Stellung genommen, ob umlagefinanzierte Fördersysteme als Beihilfen im europarechtlichen Sinne (Art. 107 AEUV) anzusehen sind und damit einer beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission bedürfen. Für das im Jahr 2020 novellierte KWKG hat das Gericht entschieden, dass ein solches umlagebasiertes Förderinstrument keine Beihilfe darstellt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden – die Europäische Kommission hat mittlerweile Rechtsmittel eingelegt –, ergeben sich zwei wichtige Effekte. Zum einen der Beschleunigungseffekt: Die aufwendige beihilferechtliche Prüfung energiepolitischer Fördersysteme und die mögliche Nachjustierung der deutschen Gesetze führen erfahrungsgemäß zu einer Verzögerung von mehreren Monaten, manchmal sogar von ein bis zwei Jahren. Solange keine Klarheit über die endgültige Ausgestaltung besteht, können Anlagenbetreiber nicht investieren. Dies musste die KWK-Branche schon früher schmerzlich erfahren: zunächst bei der Hängepartie um das KWKG 2016/2017, die erst mit mehr als einem Jahr Verspätung beendet wurde, dann bei der KWKG-Novelle im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes.
Planungssicherheit beeinträchtigt
Zum anderen zeigt die Genehmigungspraxis der Kommission, dass sie trotz der Vorprägung durch die von ihr erstellten Beihilfeleitlinien zu einer Feinsteuerung neigt. Dies ist für den nationalen Gesetzgeber nicht vorhersehbar, sodass nationale Fördergesetze häufig nachjustiert werden müssen. Auch das beeinträchtigt die Planungssicherheit und die Investitionsbereitschaft.
Mit einem novellierten KWKG könnten – je nach Entwicklung des EuG-Urteils – zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Wenn Förderprogramme, die aus Haushaltsmitteln finanziert werden, angesichts knapper Kassen und finanzverfassungsrechtlicher Vorgaben nicht mehr so einfach aufgelegt werden können, ist das KWKG als umlagefinanziertes Fördersystem eine mögliche Alternative. Die KWKG-Umlage war in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zu anderen Abgaben und Umlagen sehr gering. Sie lag zwischen 0,226 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh) in 2020 und 0,378 Ct/kWh (2022). Zum Vergleich: Die Offshore-Netzumlage liegt derzeit bei 0,656 Ct/kWh. Selbst wenn der Fördermechanismus des KWKG deutlich ausgebaut werden sollte, ist nach Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) mit einem moderaten Anstieg der KWKG-Umlage zu rechnen. Steht fest, dass das KWKG keine Beihilferelevanz hat, kann – bei entsprechendem politischen Willen – eine Novellierung des Gesetzes zügig auf den Weg gebracht werden. Der beihilferechtliche Umweg über Brüssel entfiele dann.
Bremsklötze beseitigen
Bei einer Novellierung des KWKG sollten zunächst diejenigen Regelungen auf den Prüfstand gestellt werden, die auf Grundlage der beihilferechtlichen Genehmigungsentscheidung der Kommission zum KWKG 2020 aufgenommen wurden und den Ausbau hemmen. Zu streichen ist vor allem der beihilferechtliche Genehmigungsvorbehalt für den Förderzeitraum 2027 bis 2029. Zwar ist das Gesetz auf eine Förderung bis Ende 2029 ausgelegt. Die Gewährung der Förderung ab dem Jahr 2027 bedarf jedoch einer gesonderten beihilferechtlichen Genehmigung (§ 35 Abs. 19 KWKG).
Vollständig unter Genehmigungsvorbehalt steht der Förderbonus für elektrische Wärmeerzeuger nach § 7b KWKG. Power-to-Heat-Anlagen können jedoch in Zeiten von Stromüberschüssen einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes leisten. Auch hier müssen die beihilferechtlichen Fesseln gelöst werden. Gleiches gilt für Großprojekte zur Förderung von Anlagen mit einer elektrischen KWK-Leistung von mehr als 300 Megawatt (MW) oder zur Förderung von Wärmenetzen mit einem Fördervolumen von mehr als 15 Millionen Euro. In beiden Fällen sind nach derzeitiger Rechtslage zusätzlich beihilferechtliche Einzelgenehmigungen einzuholen (§ 10 Abs. 5 KWKG sowie § 20 Abs. 6 KWKG).
Förderzeitraum verlängern
Zudem sollte der Förderzeitraum abermals bis zum Jahr 2035 verlängert werden. Die Begrenzung bis Ende 2029 senkt schon jetzt die Investitionsbereitschaft der Anlagenbetreiber, da die Planung und der Bau neuer Gaskraftwerke einige Jahre in Anspruch nehmen. Ferner sollte Wasserstoff explizit als förderfähiger Brennstoff anerkannt werden. Mit dieser Ausgestaltung könnte das KWKG die Kraftwerksstrategie optimal ergänzen.
Dieser Beitrag ist im Schwerpunkt Kraft-Wärme-Kopplung der Ausgabe Mai/Juni 2024 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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