H-Gas-UmstellungWir sind im Plan
Herr Janßen, Sie sind als Gruppenleiter für die Erdgasumstellung auf H-Gas bei EWE Netz zuständig. Mit welchen Herausforderungen haben Sie bei dem Projekt zu kämpfen?
Der Fachkräftemarkt ist sehr angespannt. Das kommt für uns nicht überraschend – auch viele Häuslebauer haben ja Schwierigkeiten, Handwerker zu finden. Daher haben wir frühzeitig sechs Projektpartner für die gesamte Laufzeit langfristig vertraglich an uns gebunden. Diese müssen derzeit erheblich Personal aufbauen, was sich jedoch als schwierig erweist. Aktuell setzen wir rund 140 Gasmonteure ein, ab 2022 sollen gleichzeitig bis zu 200 Fachkräfte für uns unterwegs sein. Das alles wird ein spannender Prozess.
EWE Netz hat seine Region in Umstellbezirke unterteilt. Wie wird bei dem schrittweisen Umstellen der Bezirke vorgegangen?
Unser Gasnetz reicht von den Toren Hamburgs bis zur niederländischen Grenze und bis in den Süden von Niedersachsen. Grob gesagt sind wir mit dem Projekt an der Grenze zu Hamburg gestartet und bewegen uns jetzt langsam auf die abzuschaltende L-Gasquelle zu, also in Richtung Niederlande. Dabei schalten wir einen Bezirk nach dem anderen auf das alternative H-Gas um – also weg von dem niederländischen L-Gas.
Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?
Wir sind im Plan, der allerdings ambitioniert ist. Im Jahr 2018 sind wir operativ gestartet und haben seither rund 110.000 Geräte erfasst sowie weitere 43.000 Geräte bereits an H-Gas angepasst. Dafür haben wir rund 170.000 Kundenbesuche gebraucht. Das klingt gut und ist es auch, wir müssen aber insgesamt 700.000 Gasgeräte an das H-Gas anpassen. Derzeit sind wir noch in der planmäßigen Hochlaufkurve mit steigenden Umstellzahlen; ab 2022 wollen wir jedes Jahr rund 200.000 Vorgänge bei Kunden durchführen. Mit den bisherigen Erfahrungen im Hintergrund müssen wir aber noch optimieren, um auf diese angestrebten Zahlen zu kommen.
Wieviel kostet die Umstellung?
Wir rechnen mit Kosten von rund 300 Millionen Euro bis 2027.
Wie werden die Kosten umgelegt?
Verkürzt kann man sagen, dass die Netzentgelte die Kosten des Projekts tragen, die jeder Gasverbraucher bundesweit mit seiner Gasrechnung bezahlt. Tatsächlich ist es natürlich komplexer: Es wurde eine so genannte Marktraum-Umstellungsumlage geschaffen. Mit dieser Umlage wird das bundesweite Wälzen der Kosten geregelt, die bei den Netzbetreibern für die Umstellung auf H-Gas anfallen.
„Die Netzentgelte tragen die Kosten des Projekts.”
Wie reagieren Kunden auf das Projekt und die mehrfachen Kundenbesuche, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Insgesamt reagieren Kunden mit einem guten Verständnis für die Situation. Unsere Beschwerdequote liegt zum Beispiel konstant bei ein bis zwei Prozent. Mit unseren Terminen passen wir nicht immer in den Alltag der Kunden, das bringt häufige Wünsche nach Terminverschiebungen mit sich, die wir immer seltener erfüllen können. Kritisch wird es dann, wenn wir einem Kunden eine negative Nachricht zu seinem Gasgerät überbringen müssen, einzelne Kunden reagieren mit Unverständnis und manche rufen sogar ihren Bürgermeister oder auch den Redakteur ihres Vertrauens an.
Worauf ist aus jetziger Sicht bei solchen Projekten besonders zu achten?
Die Entwicklung des Fachkräftemarkts insbesondere bei handwerklichen Berufen hat sich zu einem Flaschenhals bei vielen Projekten entwickelt. Das merken wir zum Beispiel auch im Bereich unseres Glasfaserausbaus in unserer Region. Hier fehlt es weniger an Geld als an Baggerfahrern, die Tiefbau beherrschen. Im Projekt Erdgasumstellung haben wir relativ gut vorgesorgt, unsere Partner müssen sich aber aktuell sehr anstrengen, um weitere Gas-Fachkräfte zu finden.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar/Februar 2020 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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