Montag, 23. Dezember 2024

H-Gas-UmstellungWir sind im Plan

[25.02.2020] Die Umstellung auf H-Gas ist eines der größten Infrastrukturprojekte der deutschen Energiewirtschaft. stadt+werk sprach mit Kai Janßen von EWE Netz über die Herausforderungen.
Kai Janßen

Kai Janßen

(Bildquelle: EWE Netz)

Herr Janßen, Sie sind als Gruppenleiter für die Erdgasumstellung auf H-Gas bei EWE Netz zuständig. Mit welchen Herausforderungen haben Sie bei dem Projekt zu kämpfen?

Der Fachkräftemarkt ist sehr angespannt. Das kommt für uns nicht überraschend – auch viele Häuslebauer haben ja Schwierigkeiten, Handwerker zu finden. Daher haben wir frühzeitig sechs Projektpartner für die gesamte Laufzeit langfristig vertraglich an uns gebunden. Diese müssen derzeit erheblich Personal aufbauen, was sich jedoch als schwierig erweist. Aktuell setzen wir rund 140 Gasmonteure ein, ab 2022 sollen gleichzeitig bis zu 200 Fachkräfte für uns unterwegs sein. Das alles wird ein spannender Prozess.

EWE Netz hat seine Region in Umstellbezirke unterteilt. Wie wird bei dem schrittweisen Umstellen der Bezirke vorgegangen?

Unser Gasnetz reicht von den Toren Hamburgs bis zur niederländischen Grenze und bis in den Süden von Niedersachsen. Grob gesagt sind wir mit dem Projekt an der Grenze zu Hamburg gestartet und bewegen uns jetzt langsam auf die abzuschaltende L-Gasquelle zu, also in Richtung Niederlande. Dabei schalten wir einen Bezirk nach dem anderen auf das alternative H-Gas um – also weg von dem niederländischen L-Gas.

Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?

Wir sind im Plan, der allerdings ambitioniert ist. Im Jahr 2018 sind wir operativ gestartet und haben seither rund 110.000 Geräte erfasst sowie weitere 43.000 Geräte bereits an H-Gas angepasst. Dafür haben wir rund 170.000 Kundenbesuche gebraucht. Das klingt gut und ist es auch, wir müssen aber insgesamt 700.000 Gasgeräte an das H-Gas anpassen. Derzeit sind wir noch in der planmäßigen Hochlaufkurve mit steigenden Umstellzahlen; ab 2022 wollen wir jedes Jahr rund 200.000 Vorgänge bei Kunden durchführen. Mit den bisherigen Erfahrungen im Hintergrund müssen wir aber noch optimieren, um auf diese angestrebten Zahlen zu kommen.

Wieviel kostet die Umstellung?

Wir rechnen mit Kosten von rund 300 Millionen Euro bis 2027.

Wie werden die Kosten umgelegt?

Verkürzt kann man sagen, dass die Netzentgelte die Kosten des Projekts tragen, die jeder Gasverbraucher bundesweit mit seiner Gasrechnung bezahlt. Tatsächlich ist es natürlich komplexer: Es wurde eine so genannte Marktraum-Umstellungsumlage geschaffen. Mit dieser Umlage wird das bundesweite Wälzen der Kosten geregelt, die bei den Netzbetreibern für die Umstellung auf H-Gas anfallen.

„Die Netzentgelte tragen die Kosten des Projekts.”

Wie reagieren Kunden auf das Projekt und die mehrfachen Kundenbesuche, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Insgesamt reagieren Kunden mit einem guten Verständnis für die Situation. Unsere Beschwerdequote liegt zum Beispiel konstant bei ein bis zwei Prozent. Mit unseren Terminen passen wir nicht immer in den Alltag der Kunden, das bringt häufige Wünsche nach Terminverschiebungen mit sich, die wir immer seltener erfüllen können. Kritisch wird es dann, wenn wir einem Kunden eine negative Nachricht zu seinem Gasgerät überbringen müssen, einzelne Kunden reagieren mit Unverständnis und manche rufen sogar ihren Bürgermeister oder auch den Redakteur ihres Vertrauens an.

Worauf ist aus jetziger Sicht bei solchen Projekten besonders zu achten?

Die Entwicklung des Fachkräftemarkts insbesondere bei handwerklichen Berufen hat sich zu einem Flaschenhals bei vielen Projekten entwickelt. Das merken wir zum Beispiel auch im Bereich unseres Glasfaserausbaus in unserer Region. Hier fehlt es weniger an Geld als an Baggerfahrern, die Tiefbau beherrschen. Im Projekt Erdgasumstellung haben wir relativ gut vorgesorgt, unsere Partner müssen sich aber aktuell sehr anstrengen, um weitere Gas-Fachkräfte zu finden.

Interview: Alexander Schaeff

Janßen, KaiKai Janßen ist Diplom-Ingenieur und seit 2012 bei EWE Netz. Seit 2017 verantwortet er als Gruppenleiter die operative Realisierung des Projekts Erdgasumstellung / Marktraumumstellung. In der Energiebranche ist er seit rund elf Jahren tätig und hat unter anderem als Projekt-Manager größere Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien realisiert.

Stichwörter: Erdgas, EWE Netz, H-Gas


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Erdgas
Das Bild zeigt die Gasflamme eines Herds.

Mannheim: MVV legt das Gasnetz still

[11.11.2024] Das Mannheimer Energieunternehmen MVV plant den Ausstieg aus der Gasversorgung bis 2035. Die Bürgerinnen und Bürger sollen umfassend beraten werden, um frühzeitig auf zukunftsfähige Heizlösungen umzusteigen. mehr...

LNG aus Abu Dhabi: Vertragsunterzeichnung zwischen EnBW und der Abu Dhabi National Oil Company.

EnBW: LNG aus den Emiraten

[10.05.2024] Die Abu Dhabi National Oil Company wird die EnBW ab 2028 mit verflüssigtem Erdgas beliefern. Einen entsprechenden Vertrag haben die Unternehmen jetzt unterzeichnet. mehr...

Die Fertigstellung der EWE-Zukunftsleitung wurde mit einem Festakt gewürdigt.

EWE: Zukunftsleitung in Betrieb genommen

[02.04.2024] Innerhalb von nur 22 Monaten hat das Unternehmen EWE eine 70 Kilometer lange Erdgasleitung realisiert und an das LNG-Terminal in Wilhelmshaven angebunden. Bereits ab 2028 könnte die Leitung wesentlicher Bestandteil des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes werden. mehr...

Öko-Institut: Erdgasverbrauch drastisch senken

[27.02.2024] Eine neue Studie des Öko-Instituts fordert, den Erdgasverbrauch in Deutschland schnell zu senken, um die Klimaziele zu erreichen. mehr...

evm hat das Projekt Erdgasumstellung abgeschlossen.

evm: Erdgasnetz auf H-Gas umgestellt

[20.12.2023] Alle Gasgeräte im Versorgungsgebiet der evm wurden von L- auf H-Gas umgestellt. Das bisher größte Infrastrukturprojekt des Unternehmens kostet rund 85 Millionen Euro. mehr...

Trianel Gaskraftwerk Hamm erhält jetzt nächstes Leistungsupgrade.

Hamm: Gaskraftwerk erhält Upgrade

[31.08.2023] Der zweite Block des Trianel Gaskraftwerks in Hamm geht jetzt in Revision. Danach soll es über mehr Leistung und einen höheren Wirkungsgrad verfügen. mehr...

BDEW: Neues Fundament für Erdgas

[31.08.2023] Ein Jahr nach dem russischen Gaslieferstopp zieht der BDEW ein positives Fazit: Die Gasversorgung sei erfolgreich auf ein neues Fundament gestellt worden. mehr...

Zukunft Gas: Stellungnahme des Verbands

[01.08.2023] Der Verband Zukunft Gas wehrt sich gegen Vorwürfe, Erdgas als klimafreundlichen Energieträger zu bewerben. Eine Stellungnahme. mehr...

Klima-Bündnis: Keine Zukunft für Gas

[31.07.2023] Mit dem Aufruf „Unsere Stadtwerke raus aus der Gaslobby!“ will das Klima-Bündnis Deutschland die kommunalen Mitgliedsunternehmen von Zukunft Gas zum Austritt aus dem Verband bewegen. mehr...

Gasmarkt-Studie: Bedeutung von LNG steigt

[06.03.2023] Das EWI hat untersucht, wie sich die globalen Gasmärkte bis 2035 entwickeln werden. Die Forscher gehen davon aus, dass die Gaspreise wieder sinken und Norwegen und die USA die wichtigsten Gaslieferanten für Europa werden. mehr...

Baden-Württemberg: Biogas statt Erdgas

[10.10.2022] Biogasanlagen im Südwesten könnten durch Leistungssteigerung dank flexibler Einsatzzeiten Erdgas in Teilen schnell ersetzen, so eine Berechnung der Plattform EE BW. mehr...

enervis: Atomkraft spart Gas

[30.09.2022] Nach einer enervis-Studie erhöht der AKW-Weiterbetrieb die Versorgungssicherheit und reduziert den Gasverbrauch. mehr...

LNG-Terminal (3D-Darstellung): Vor allem die USA werden Flüssiggas nach Europa liefern.

EWI-Studie: Erdgas aus den USA muss es richten

[23.09.2022] Eine EWI-Studie betrachtet die Folgen ausbleibender Gasmengen aus Russland auf die globalen Gasmärkte bis 2030. Flüssigerdgas aus den USA hat demnach das größte Potenzial für Lieferungen nach Europa. mehr...

Das Trianel Gaskraftwerk in Hamm wird jetzt einer Revision unterzogen.

Hamm: Gaskraftwerk erhält Leistungs-Upgrade

[02.09.2022] Das Trianel Gaskraftwerk in Hamm wird nach 15 Jahren Betrieb jetzt technisch überprüft. Im Zuge der Revision soll die Leistung des Kraftwerks gesteigert und am Einsatz von Wasserstoff gearbeitet werden. mehr...

Der Brunsbütteler Elbehafen wird zum Standort für ein schwimmendes Flüssiggasterminal.

Brunsbüttel: Zeitplan für Flüssiggasterminal steht

[25.07.2022] Im Elbehafen Brunsbüttel in Schleswig-Holstein wird künftig ein schwimmendes Flüssiggasterminal dazu beitragen, die Gasversorgung in Deutschland zu sichern. Bereits zum Jahreswechsel 2022/2023 soll es den Betrieb aufnehmen. 
  mehr...