InterviewWir können Europas grüne Batterie werden
Herr Bächle, in Deutschland wird im Zuge der Energiewende verstärkt auf erneuerbare Energien gesetzt. Wie bewerten Sie die Pläne aus österreichischer Sicht?
Die Energiewende funktioniert sicher nicht von heute auf morgen, ein Energiesystem mit einem hohen Anteil volatiler Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen braucht neue Rahmenbedingungen. Es gibt in Deutschland immer mehr Erzeugungsanlagen, andere Unternehmensstrukturen, mehr Anbieter. Die konventionelle Erzeugung wird häufig bereits nicht mehr benötigt, wird aber trotzdem als gesicherte Leistung und Backup gebraucht. Der Anteil der Erzeugung, die nicht dem Wettbewerb unterliegt, steigt. An einem sonnigen, windigen Sonntag kann in Deutschland der Strombedarf bereits voll durch subventionierte Erneuerbare gedeckt werden. Das bedeutet, dass der Strompreis negativ werden kann. Speicherkapazitäten zur Integration der Erneuerbaren werden deshalb immer dringender notwendig; sie müssen Strom rasch aufnehmen und wieder zur Verfügung stellen. Hier liegt Österreichs Stärke, von der auch Deutschland profitieren kann.
Vor welche Herausforderungen stellt die deutsche Energiewende das europäische Stromsystem?
Windkraft im Norden, Solarenergie im Süden und Speichertechnologien dazwischen brauchen leistungsfähige Stromnetze. Der Netzausbau und die Netzstabilität müssen jedoch gesichert sein, bevor die Kapazitäten erreicht werden. In Österreich wie in Deutschland gibt es zudem seit Jahrzehnten Widerstände aus der Bevölkerung gegen den Leitungsbau – auch das verzögert die notwendigen Ausbaupläne. Hinzu kommt, dass der starke Ausbau der wetterbedingt schwankenden erneuerbaren Energien das Netz vor ganz neue Herausforderungen stellt. Hier gilt es, gut zu planen und zu koordinieren, um auch langfristig wirksame Lösungen zu erzielen.
„Bei Wasserkraftwerken gilt für uns: Effizienzsteigerung geht vor Neubau.“
In Österreich stammt bereits der Großteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Aus welchen Erfahrungen mit regenerativen Energien kann Deutschland lernen?
Österreich hat eine sehr gute geo- und topografische Ausgangslage, die es uns ermöglicht, bereits heute rund 70 Prozent Strom unseres Stroms aus erneuerbaren Energien – allen voran Wasserkraft – zu erzeugen. Das Know-how österreichischer Unternehmen in diesem Bereich ist auch für die Anlagen in Deutschland wertvoll. Gleichzeitig haben wir große Errungenschaften in der Ökologie vorzuweisen: 30 Prozent unserer Anlageflächen bei Wasserkraftwerken wurde nach dem Bau zu Naturschutzgebieten erklärt. Eindrucksvoller lässt sich der Erfolg nicht beweisen.
Wie kann die Wirksamkeit bestehender Wasserkraftwerke in Deutschland gesteigert werden?
Wir sehen dies derzeit bei unseren Wasserkraftwerken am bayerischen Inn: Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, die Stromerzeugung zu steigern, ohne große Eingriffe. Die Kleinwasserkraftwerke Triebwerk Gars und Triebwerk Wasserburg sind gute Beispiele. Sie ergänzen bestehende Erzeugungsstandorte und ermöglichen mehr Stromerzeugung ohne zusätzliche Staumauern. Gleichzeitig forschen wir ständig an verbesserten Turbinen und optimierten Einsatzplänen von Kraftwerken. Verbund arbeitet hier intensiv mit österreichischen Entwicklern zusammen, denn für uns gilt: Effizienzsteigerung geht vor Neubau.
Deutschland setzt vor allem auf Windkraft und Solarenergie. Welche Rolle können österreichische Wasserkraftwerke für die deutsche Energiewende spielen?
Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet zügig voran. Was aus ökologischer Sicht gut ist, bringt auch neue Herausforderungen mit sich, da die Integration stark schwankender Erzeugung hohe Flexibilität im System erfordert. Pumpspeicheranlagen sind nicht nur die mit Abstand effizientesten und kostengünstigsten großtechnischen Stromspeicher, sondern ermöglichen auch diese Flexibilität. Als einer der führenden #bild2 Stromerzeuger aus Wasserkraft in Europa legt Verbund daher größtes Gewicht auf Stromspeicherung in neuen Pumpspeicherkraftwerken und auf die Steigerung der Wirksamkeit bestehender Anlagen. Denn Pumpspeicherkraftwerke sind die idealen Partner für Strom aus stark wetterabhängigen erneuerbaren Energieträgern. Für Österreich ist das die Chance, beim weiteren Ausbau der Alpenspeicher Europas grüne Batterie zu sein. Unser Unternehmen erzeugt heute geschätzt etwa 0,8 Prozent des Stroms in der EU, wir erbringen aber bereits rund sechs Prozent der gesamten Pumpspeicher-Leistung der Union, für ganz Österreich liegt der Anteil übrigens bei rund 20 Prozent. Diese Position wird unter anderem durch die Pumpspeicherkraftwerke Limberg II und Reißeck II, das 2015 ans Netz geht, sowie weitere geplante Speicherkraftwerke gestärkt.
Wie bewerten Sie Pläne des deutschen Wirtschaftsministers, bei Pumpspeicherkraftwerken mit den Nachbarländern Österreich und Schweiz zusammenzuarbeiten?
Für die Energiewende braucht es eine europäische Lösung für die Netzstabilität sowie eine Stärkung der Energiepartnerschaft Österreich und Deutschland. Das gesamte System muss viel flexibler werden, wenn wir eine echte Energiewende zustande bringen wollen. Das Ergebnis darf kein weniger zuverlässiges Energiesystem zu deutlich höheren Kosten sein. Es muss leistungsfähig, zuverlässig und umweltverträglich sein. Das bedeutet letztlich Investitionen in Netzinfrastruktur, flexible und gesicherte Stromerzeugung und Speicher. Investitionen, die sich rechnen müssen. Ein solches Vorhaben kann nicht von heute auf morgen gelingen, sondern dauert Jahrzehnte.
Wenn die deutsche Energiewende gelingt, was bedeutet dies für die europäische Energiewirtschaft?
Sprechen wir von den Erfolgsfaktoren der Energiewende: Der Ausbau von erneuerbarer Energie muss effizient sein. Wind im Norden, Photovoltaik im Süden und Wasserkraft dort, wo es sinnvoll ist. Das wird aber auf europäischer Ebene nicht ausreichend diskutiert. In Österreich und Deutschland vergibt sogar jedes einzelne Bundesland eigene Förderungen. Das verzerrt den Markt. Europa könnte in 40 bis 50 Jahren so weit sein, wenn sich die Staaten untereinander abstimmen. So, wie derzeit in Europa gehandelt wird, bleiben große Zweifel. Und wenn die Wende doch kommt, dann nur mit hohen Kosten.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2012 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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