Montag, 7. Oktober 2024

ElektromobilitätWildwuchs vorbeugen

[05.04.2024] Im Rahmen ihres Elektromobilitätskonzepts „otto fährt elektrisch“ hat die Stadt Magdeburg eine Gestaltungsrichtlinie für die Lade-Infrastruktur von E-Autos und E-Bikes erstellt. Dabei wurden auch Aspekte der Barrierefreiheit berücksichtigt.
Im Rahmen ihres Elektromobilitätskonzepts „otto fährt elektrisch“ hat die Stadt Magdeburg eine Gestaltungsrichtlinie für die Lade-Infrastruktur von E-Autos und E-Bikes erstellt.

Im Rahmen ihres Elektromobilitätskonzepts „otto fährt elektrisch“ hat die Stadt Magdeburg eine Gestaltungsrichtlinie für die Lade-Infrastruktur von E-Autos und E-Bikes erstellt.

(Bildquelle: Benasi Tharanga/stock.adobe.com)

Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Die Erstellung eines Elektromobilitätskonzepts ist Teil der gesamtstädtischen Strategie zur Umsetzung des Energie- und Klimakonzepts. Mit der erfolgreichen Bewerbung um die Beteiligung am Exzellenz-Programm „Masterplan 100 % Klimaschutz“ der Nationalen Klimaschutzinitiative hat sich Magdeburg weitergehende ambitionierte Ziele gesetzt. So sollen bis zum Jahr 2050 die CO2-Emissionen auf kommunaler Ebene um 95 Prozent gegenüber 1990 gesenkt und der Energieverbrauch im gleichen Zeitraum halbiert werden. 2018 beschloss der Stadtrat einen Maßnahmenkatalog für die Handlungsfelder Energie, Gebäude, Wirtschaft und klimaverträglicher Alltag und leitete die Umsetzung der Vorhaben ein. Ein Jahr später wurde die Deklaration „Klimaschutz umsetzen – Klimakrise bewältigen“ verabschiedet. CO2-Neutralität wird damit bereits bis zum Jahr 2035 angestrebt. Das bedeutet jedoch nicht nur, den Maßnahmenkatalog des „Masterplans 100% Klimaschutz“ schneller umzusetzen. Vielmehr sind ein Denken in neuen Maßstäben und ein sehr schneller Mentalitätswechsel in allen Bereichen erforderlich.

Erarbeitung eines Konzepts

In diesem Kontext stehen die Aktivitäten zur Förderung der Elektromobilität im Stadtgebiet. Die Erarbeitung eines E-Mobilitätskonzepts wurde früh vom Stadtrat beschlossen, jedoch mussten von der Verwaltung zunächst die personellen und finanziellen Ressourcen abgesichert werden. Von 2020 bis 2022 erarbeitete die Verwaltung unter Einbindung des Planungsbüros SHP Ingenieure aus Hannover ein entsprechendes Konzept, dessen Schwerpunkte ein Standortkonzept für ­E-Ladesäulen, eine Gestaltungsrichtlinie für ­E-Ladepunkte sowie Empfehlungen zur Elektrifizierung des städtischen Fuhrparks, mit Fokus auf den Städtischen Abfallwirtschaftsbetrieb (SAB), umfassen. Das Konzept wurde im Jahr 2023 durch den Stadtrat bestätigt.
Eine Bestandsaufnahme aus den Jahren 2018 und 2019 zeigte, dass zunächst vor allem der lokale Energieversorger einzelne Ladesäulen errichtete, deren Betrieb angesichts der noch niedrigen Nutzung in den Anfangsjahren nur dank umfangreicher Förderung wirtschaftlich zu rechtfertigen war – und nach Aussage des Versorgers auch heute noch von Fördermitteln abhängig ist. Zudem boten einzelne Autohäuser Lademöglichkeiten auf ihrem Firmengelände. Seit ungefähr 2021 erreichen die Stadtverwaltung vermehrt Anfragen von Betreibern, die Interesse am Aufbau und Betrieb ihrer Ladesäulen im öffentlichen Straßenraum haben. Die Verwaltung steht somit vor dem Zielkonflikt, auf der einen Seite den Betreibern so viele Ladesäulen wie möglich zu gewähren, auf der anderen Seite jedoch einen Wildwuchs zu verhindern und für eine stadtbildverträgliche Einordnung der Ladesäulen zu sorgen.

Flächenbedarf und -konflikt

Bei Detailabstimmungen zu den ersten Ladesäulen im öffentlichen Straßenraum zeigte sich relativ schnell, welche Herausforderungen bestehen: Das ist zum einen der Flächenbedarf – auf welchen Flächen sollen Ladesäulen stehen dürfen? Zum anderen existiert ein Flächenkonflikt – welche Abstände zu anderen Nutzungen sind einzuhalten, insbesondere zu Hochbordradwegen, die neben den mit Ladesäulen auszurüstenden Pkw-Stellplätzen verlaufen?
Und auch wenn dem Thema Elek­tromobilität nicht die gleiche Bedeutung der Daseinsvorsorge wie dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zufällt, lag es nahe, das Thema Barrierefreiheit auf die Gestaltung von E-Ladesäulen zu übertragen. Während der Bearbeitung stellte sich schnell heraus, dass der beschriebene Flächenkonflikt nur gelöst werden kann, indem Infrastruktur für den (elektrischen) motorisierten Individualverkehr (MIV) auch auf Flächen, die bereits für den MIV vorgesehen sind, positioniert wird. Das hat den willkommenen Nebeneffekt, dass Menschen im Rollstuhl, die ihr Fahrzeug laden wollen, zwischen Fahrzeug und Ladesäule keinen Bordstein überwinden müssen, da sich die Flächen für den MIV und somit zukünftig auch die Ladesäulen unterhalb des Bordsteins befinden. Gleichwohl gehen mit einer solchen Anordnung erhöhte Anforderungen an einen Anprallschutz für die Ladesäulen einher, wenngleich die hierfür einzusetzenden Poller die Nutzbarkeit und Barrierefreiheit der Ladesäulen nicht beeinträchtigen dürfen.

Reduzierung der Stellplätze

Offensichtlich ist, dass der Flächenbedarf der Ladesäulen zu einer Reduzierung der auf der gleichen Fläche angebotenen Stellplätze führt. Diese kann bis zu 20 Prozent betragen. Positiv hierbei ist jedoch, dass die damit einhergehende Verknappung des Stellplatzangebots neben der durch die Ladesäulen angeregten Antriebswende auch Anreize zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens im Sinne einer Verkehrswende anregen kann.
Zur Abstimmung der weiteren Belange der Barrierefreiheit, wie etwa der notwendigen Abstandsmaße, wurde mit allen Beteiligten ein Vor-Ort-Termin an einer Ladesäule auf dem Parkplatz eines Baumarkts durchgeführt, die bereits viele Merkmale der Barrierefreiheit aufweist. Von großem Wert war, dass die anwesende Behindertenbeauftragte der Landeshauptstadt Magdeburg selbst als Rollstuhlnutzerin Auto fährt. Insbesondere die Erreichbarkeit der einzelnen Bedien­elemente, die Unterfahrbarkeit der Ladesäule und die Kabelführung stellten sich hierbei als wesentliche Knackpunkte heraus.

Unterschiedliche Qualitäten

Die bislang eingegangenen Anträge für Ladesäulen im öffentlichen Straßenraum wiesen bisher sehr unterschiedliche Qualitäten auf. Daher wurden nach Beschluss des Elektromobilitätskonzepts die wesentlichen Inhalte der Gestaltungsrichtlinie in einer Broschüre zusammengefasst, die neben verschiedenen Detailbestimmungen auch Lageplanskizzen und Bilder positiver Beispiele bereits vorhandener Ladesäulen enthält. Mit einer ebenfalls enthaltenen Liste an einzureichenden Antragsunterlagen soll eine zügige Bearbeitung der Anträge ermöglicht werden.
Ziel ist, das öffentlich zugängliche Ladesäulennetz in den nächsten Jahren erheblich zu verdichten, sodass dieses einen maßgeblichen Anteil an der Antriebswende in Richtung eines klimaverträglicheren Straßenverkehrs leisten kann.

Stefan Siesing

Der Autor, Stefan SiesingStefan Siesing ist Diplomingenieur für Verkehrsingenieurwesen und seit dem Jahr 2017 als Sachbearbeiter für generelle Verkehrsplanung im Stadtplanungsamt Magdeburg beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem das Thema Elektromobilität.



Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Elektromobilität
Elektromobilität auf dem Land: Wegen Sprakebülls klimafreundlicher Mobilität wurde die Gemeinde Klimakommune des Monats.

Sprakebüll: E-Autos in Nordfriesland

[27.09.2024] Die AEE zeichnet im September 2024 Sprakebüll als Energie-Kommune des Monats aus. Grund ist die klimafreundliche Mobilität der nordfriesischen Gemeinde. mehr...

Bei Ultraschnelllader (HPC) verzeichnet der BDEW-Elektromobilitätsmonitor ein besonders starkes Wachstum.

BDEW-Elektromobilitätsmonitor: Lade-Infrastruktur wächst

[24.09.2024] Die Lade-Infrastruktur in Deutschland wächst weiter stark: Im ersten Halbjahr 2024 wurden über 16.000 neue öffentliche Ladepunkte installiert. Gleichzeitig ist die Auslastung der Ladepunkte mit durchschnittlich 14,5 Prozent nach wie vor gering. mehr...

Bremen: Strategie für Lade-Infrastruktur

[06.09.2024] Der Bremer Senat hat jetzt eine Strategie für den Ausbau der Lade-Infrastruktur im öffentlichen Raum beschlossen. Ziel ist es, E-Autos in allen Stadtteilen sozial gerecht mit Ladestationen zu versorgen. Ein entscheidendes Konzept ist die Definition von Suchräumen für Ladepunkte. mehr...

Ein neues Pilotprojekt in Kassel untersucht die Nutzung von bidirektionalem Laden im Kontext der Energie- und Mobilitätswende.

Kassel: Pilotprojekt zum bidirektionalen Laden

[28.08.2024] Ein neues Pilotprojekt in Kassel untersucht die Nutzung von bidirektionalem Laden im Kontext der Energie- und Mobilitätswende. Es soll zeigen, wie Elektrofahrzeuge nicht nur Strom laden, sondern auch ins Netz zurückspeisen können, um Netzstabilität zu fördern und Kosten zu senken. mehr...

Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (2.v.l.) nimmt einen Ladepunkt an einer Straßenlaterne in Betrieb.

Braunschweig: Laden an Laternen

[07.08.2024] An 17 Straßenlaternen in Braunschweig können künftig Elektroautos aufgeladen werden. Das Pilotprojekt bietet Bürgern ohne eigenen Stellplatz eine neue Lademöglichkeit. mehr...

Bonn: 400. öffentlicher Ladepunkt in Betrieb

[05.08.2024] SWB Energie und Wasser hat in Bonn den 400. öffentlichen Ladepunkt in Betrieb genommen. Die neue Ladestation in Bonn-Plittersdorf entstand auf Wunsch der Anwohner und markiert einen bedeutenden Fortschritt im Ausbau des öffentlichen Ladenetzes. mehr...

Verkehrsunternehmen in Suhl

Thüringen: Förderung emissionsfreier Busse

[02.08.2024] In Thüringen werden in den kommenden Jahren rund 48 emissionsfreie Busse im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt. Das Energieministerium fördert diese Initiative mit Landes- und EU-Mitteln. mehr...

Frankfurt am Main: Weiterer Ausbau der Lade-Infrastruktur

[23.07.2024] Am Stadion am Brentanobad in Frankfurt am Main wurden kürzlich acht neue Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in Betrieb genommen. Diese Maßnahme ist Teil der Bemühungen von Mainova und der Stadt, die Lade-Infrastruktur im Stadtgebiet zu verbessern und die Elektromobilität zu fördern. mehr...

Die Stadt Frankfurt am Main setzt den Ausbau seiner E-Lade-Infrastruktur weiter fort.

Frankfurt am Main: Bedarfsanalyse veröffentlicht

[17.07.2024] Das Mobilitätsdezernat Frankfurt am Main hat eine umfassende Bedarfsanalyse zur E-Lade-Infrastruktur im öffentlichen Raum veröffentlicht. Demnach ist eine flächendeckende Versorgung nur durch Kooperationen mit Arbeitgebern und Wohnungsunternehmen möglich. mehr...

SWU-Geschäftsführer Klaus Eder (ganz rechts)

Ulm: E-Busse bald im Testbetrieb

[12.07.2024] Die Stadtwerke Ulm starten demnächst den Testbetrieb der ersten beiden von insgesamt 14 neuen Elektrobussen. Mit dieser Maßnahme wollen die Stadtwerke den Umweltschutz fördern und die Effizienz im öffentlichen Nahverkehr steigern. mehr...

Eröffnung des MVV eLadeparks Columbus in Mannheim.

Mannheim: E-Ladepark eröffnet

[11.07.2024] Im Stadtquartier FRANKLIN in Mannheim hat MVV Energie jetzt den modernen eLadepark Columbus eröffnet, der zwölf Schnellladepunkte für Elektrofahrzeuge bietet. Damit will MVV ein weiteres Zeichen für die nachhaltige Mobilität und die Dekarbonisierung des Verkehrs setzen. mehr...

Die Bundesminister Volker Wissing (l.) und Robert Habeck haben jetzt den Startschuss für das Lkw-Schnellladenetz an den Bundesautobahn gegeben.

BMDV: Startschuss für Lkw-Schnellladenetz

[11.07.2024] Die Bundesminister Volker Wissing und Robert Habeck haben jetzt gemeinsam mit Netzbetreibern und dem BDEW den Startschuss für das Lkw-Schnellladenetz an den Bundesautobahnen gegeben. mehr...

Die Marburger Stadtwerke haben ihren sechsten und bislang größten Elektrobus in Empfang genommen.

Stadtwerke Marburg: Neue E-Busse bestellt

[05.07.2024] Fünf Elektrobusse sind bereits auf Marburgs Straßen unterwegs. Sechs weitere, größere Elektrobusse haben die Stadtwerke für das Jahr 2024 bestellt, der erste davon ist mittlerweile geliefert worden. mehr...

Eines der drei Kampagnen-Motive für das Deutschlandnetz.

BMDV: Deutschlandnetz-Kampagne gestartet

[26.06.2024] Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat jetzt die Kampagne zum Deutschlandnetz gestartet, die den Ausbau von 9.000 ultraschnellen Ladepunkten für E-Autos vorsieht, um eine flächendeckende Lade-Infrastruktur zu gewährleisten. mehr...

Heidelberg: Lade-Infrastruktur ausbauen

[21.06.2024] Um die Mobilitätswende weiter voranzubringen, hat die Stadt Heidelberg jetzt einen neuen Prozess für den Ausbau der Lade-Infrastruktur für E-Autos im öffentlichen Raum aufgestellt. Damit will die Stadt attraktive Rahmenbedingungen für die Erweiterung des Ladenetzes schaffen und es den Anbietern leichter machen, ihre Vorhaben umzusetzen. mehr...