Fraunhofer ISIWie Wärmewende in der Industrie geht
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Auch hochtemperaturige Prozessenergie, wie hier eine Dampferzeugung, muss dekarbonisiert werden.
(Bildquelle: Frank Urbansky)
Erst vor einigen Wochen wurde das Gebäudeenergiegesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet. Doch wie sieht die Zukunft der Wärmeerzeugung in der Industrie aus? Eine neue Studie des Fraunhofer ISI und des IOB der RWTH Aachen betrachtet nun erstmals detailliert die andere Hälfte der Wärmewende und gibt einen Überblick über den Stand der Technik der klimaneutralen Alternativen. Die Herausforderungen sind komplex, denn es geht um Anlagen im Dauerbetrieb, Temperaturen von oft über 1.000 Grad Celsius und sehr hohe Energiedichten. Die Studie im Auftrag des Umweltbundesamts zeigt, wo sich Alternativen wie Wasserstoff oder Elektrifizierung durchsetzen könnten und welche Herausforderungen zuerst durch Staat und Unternehmen gelöst werden müssen.
Die neue Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI und des Instituts für Industrieofenbau und Wärmetechnik (IOB) der RWTH Aachen gibt erstmals ein systematisch breites Gesamtbild über die technischen Möglichkeiten und Herausforderungen der Umstellung auf eine CO2-neutrale Prozesswärme im Industriesektor. Auf bisher nicht dargestelltem Detailgrad wurden insgesamt 13 Branchen mit 34 Anwendungen in der Metall- und Mineralindustrie untersucht. Die betrachteten Anwendungen stehen repräsentativ für etwa 1.800 einzelne Prozesswärmeanlagen in Deutschland.
Die Studie betrachtet den aktuellen Stand der Technik sowie zukünftige Potenziale der unterschiedlichen CO2-neutralen Alternativtechniken unter Berücksichtigung von technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien. Als mögliche Alternativtechniken für die Umstellung von Anlagen und Prozessen wurden besonders die Elektrifizierung und der Einsatz von Wasserstoff betrachtet.
Klimaneutrale Prozesswärme bis 2045 umsetzbar
Ein Großteil der Treibhausgasemissionen des Industriesektors wird direkt durch die Prozesswärme verursacht. Die Studie zeigt, dass die Umstellung auf klimaneutrale Prozesswärmeerzeugung bis zum Jahr 2045 grundsätzlich technisch möglich ist. Für alle Anwendungen sind CO2-neutrale Alternativen verfügbar oder befinden sich in der Entwicklung. Dabei unterscheiden sich die Möglichkeiten, Herausforderungen und Technologiereife sehr stark zwischen den Branchen. Eine Transformationsstrategie hin zur CO2-neutralen Prozesswärme muss diese strukturellen Unterschiede berücksichtigen und gleichzeitig ein klares Ziel der Treibhausgasneutralität setzen.
Elektrifizierung versus Wasserstoff
Besonders bei gasbeheizten Industrieprozessen, die eine sehr hohe Energiedichte erfordern, kann der Einsatz von Wasserstoff gegenüber Strom vorteilhaft sein. Hier ist die direkte Elektrifizierung häufig technisch noch nicht ausgereift oder erfordert erhebliche Umbauten der bestehenden Anlagen. So steht die vollständige Elektrifizierung von Industrieöfen noch vor großen technischen Herausforderungen, beispielsweise in der Mineral-, aber auch in der Stahlindustrie. Zwar werden schon vereinzelt elektrische Anlagen eingesetzt, die Elektrifizierung ist jedoch in bestehenden Anlagen meistens deutlich aufwendiger als der Einsatz von Wasserstoff.
Anwendungen mit vergleichsweise niedrigen Temperaturen oder geringen Produktionskapazitäten sollten eher auf Elektrifizierung setzen, die häufig bereits am Markt verfügbar ist, so die Studie. Welche Lösung vorteilhaft ist, entscheidet sich zudem oft standortbedingt – etwa durch in der Nähe geplante Wasserstoffinfrastruktur oder den Ausbau der elektrischen Anschlussleistung.
Elektrische Dampferzeugung am Markt verfügbar
Beim Blick auf die Reifegrade der verschiedenen Technologien zeigt der Bericht, dass vor allem bei der Dampferzeugung Dampfkessel mit Einsatz von Strom oder Wasserstoff bereits im industriellen Maßstab am Markt verfügbar sind. Energieeffizienter als diese elektrischen Dampfkessel sind beispielsweise aktuell ebenfalls schon verfügbare Großwärmepumpen in der Papier- und Nahrungsmittelindustrie, welche die bei der Dampferzeugung benötigten Temperaturen sogar energieeffizienter erzeugen können.
Ein direkter Einstieg in die Transformation der Dampferzeugung ist über hybride Anlagen möglich, also das kurzfristige Nachrüsten von bestehenden gasbeheizten Anlagen mit elektrischen Wärmepumpen oder Dampfkesseln. Diese können dann flexibel in Zeiten mit niedrigen Strompreisen betrieben werden und erlauben einen risikoarmen Einstieg in die Transformation.
Weitere Forschung nötig
Der Einsatz von Wasserstoff ist in den meisten Anwendungen derzeit noch nicht marktreif, die Technologien befinden sich noch im Pilot- und Demonstrationsmaßstab. Jedoch gehen die Forschenden davon aus, dass die Technologie der Wasserstoffbeheizung schon in naher Zukunft in Form von Anlagen auf industriellem Niveau betrieben werden kann und häufig eine Umrüstung bestehender gasbeheizter Öfen möglich sein wird. Die größere Unsicherheit liegt bei der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff am jeweiligen Industriestandort.
Sowohl bei der Elektrifizierung als auch beim Wasserstoffeinsatz in Industrieöfen sind laut Studie jetzt gezielte Forschung, Entwicklung und Demonstration notwendig, um die Technologien markt- und konkurrenzfähig zu machen. Die technologische Entwicklung über Pilot- und Demoanlagen sowie die großindustrielle Markteinführung sollten gezielt gefördert werden.
Staat muss Rahmen schaffen
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der heutige Instrumentenrahmen nicht ausreicht, um die Transformation der Prozesswärme bis 2045 zu ermöglichen. Viele Industrieanlagen haben lange Modernisierungszyklen und werden teils mehrere Jahrzehnte genutzt. Gleichzeitig sind Alternativtechniken noch nicht wirtschaftlich und Unsicherheiten hinsichtlich der Verfügbarkeit von grünem Strom oder Wasserstoff am jeweiligen Standort sehr hoch.
Der politische Fahrplan für die Transformation im Industriesektor muss also Planungssicherheit für die Unternehmen schaffen, damit möglichst schnell Anlagen modernisiert oder ausgetauscht werden können und insbesondere Re-Investitionen in neue fossile Anlagen vermieden werden – denn diese wären bis nach 2045 in Betrieb. Entscheidend sind dabei die Energiekosten: CO2-neutraler Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Energien müssen gegenüber Erdgas konkurrenzfähig sein. Dazu sind verschiedene Instrumente möglich, wie beispielsweise ein höherer CO2-Preis, um fossile Alternativen zu verteuern, eine Reform der Netzentgelte, um hybride Wärmeerzeugung zu ermöglichen oder gezielte Maßnahmen zur Senkung der Strompreise für die elektrische Prozesswärme während der Transformationsphase.
Studienautor Tobias Fleiter, Geschäftsfeldleiter im Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI, stellt abschließend fest: „Die Entscheidungen für die Zukunft der Prozesswärme in den verschiedenen Bereichen unserer Industrie müssen jetzt getroffen werden. Unsere Studie zeigt, was die Möglichkeiten der einzelnen Branchen sind. Welche Branche wird und kann auf Elektrifizierung setzen? Wo wird klimaneutraler Wasserstoff eingesetzt? Die Zeit drängt, denn viele industrielle Anlagen haben eine Betriebsdauer von mehreren Jahrzehnten. Wenn unsere Industrie bis 2045 klimaneutral sein soll, muss jetzt der Rahmen dafür gestaltet werden.“
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