InterviewWettbewerb sorgt für Ideen
Herr Kusterer, russisches Erdgas spielt für die Energieversorgung in Deutschland eine wichtige Rolle. Ist die Versorgungssicherheit durch das Vorgehen Russlands auf der Krim und in der Ukraine gefährdet?
Im Moment sind dazu keine Anzeichen erkennbar. Die Gasflüsse nach Deutschland sind unverändert hoch, sogar etwas höher als in den vergangenen Jahren. Lieferstopp und Boykott stehen, sofern es keine weitere Eskalation gibt, nicht auf der Tagesordnung. Wir hatten im April in einer Sonderausgabe des GVS-Gasmarkt-Telegramms schon darauf hingewiesen, dass eine Beeinflussung der Rohöllieferungen sich vermutlich wesentlich negativer auswirken würde.
Aus welchen Ländern werden die Gaslieferungen künftig kommen?
Im Wesentlichen aus den bereits bekannten und bewährten Lieferländern: Niederlande, Norwegen, Russland und auch Deutschland. Ein wichtiger Aspekt: Deutschland verfügt über kein Terminal für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) und könnte nur indirekt von LNG-Lieferungen profitieren – vorausgesetzt, man wäre bereit, asiatische Preise zu bezahlen. Prinzipiell könnte man Lieferungen in Europa stärker diversifizieren, aber die Frage ist: Wer tätigt diese Investitionen? In diesem Zusammenhang sind weder die Erdgas-Pipeline Nabucco noch die Tauerngasleitung gute Beispiele. Diese Diversifizierung ist nur im europäischen Kontext möglich, und dann müssen wir über das Lieferland Aserbaidschan hinausdenken.
Mit der Erschließung der Shale-Gas-Vorkommen sind die Gaspreise in den USA gefallen und liegen deutlich unter dem Niveau in Europa. Sollte auch Deutschland auf Fracking setzen?
Diese Frage verdient viel Fingerspitzengefühl. Die Preise in den USA sind infolge einer massiven Überproduktion gefallen und machten viele Investments unrentabel. Dieses Risiko würde in Europa nicht bestehen. In Deutschland ginge es in einem ersten Schritt ohnehin nur um die wissenschaftliche Ermittlung der Potenziale und weniger um „billiges“ Erdgas. Im weiteren Verlauf sollte das Thema auch unter dem Aspekt einer nationalen Energiereserve bewertet werden.
„Erdgas wird für eine schnelle CO2-Minderung einen elementaren Beitrag leisten.“
Wie schätzen Sie den Beitrag von Erdgas für die Energiewende ein?
Erdgas wird einen elementaren Beitrag für eine schnelle CO2-Minderung leisten, die bezahlbar und sozialverträglich sein muss und keine teuren Zuschüsse erfordert. Denken Sie nur an den Investitionsstau im Heizungskeller. Hier könnten wir mit vernünftigem Investitionsniveau große Verbesserungen erzielen. Die EEG-Umlage hat bereits ein Volumen von 25 Milliarden Euro im Jahr erreicht. Gleichzeitig klagen wir darüber, dass wir keine LNG-Anlagen haben und diese sehr teuer sind. Deutschland hat keine Regasification-Terminals, es gibt zu wenig Transportschiffe für Flüssiggas und zu wenig Gasverflüssiger. Mit dem Geld der EEG-Umlage könnten wir jährlich 100 LNG-Transporter kaufen oder etwa 20 LNG-Terminals bauen.
Die GasVersorgung Süddeutschland hat im vergangenen Geschäftsjahr Absatz und Umsatz gesteigert. Wo liegen die Gründe hierfür?
Richtig, wir waren bei der Absatzsteigerung sehr erfolgreich. Besonders bemerkenswert: Wir sind in einem schrumpfenden Markt gewachsen. Das spricht für unsere Produkte, Preise und die Präsentation der Angebote durch fachkundige und engagierte Vertriebsmitarbeiter. Dieses Engagement drückt sich auch bei unseren Dienstleistungserfolgen aus. Beispiele sind das Portfolio-Management mit Übernahme von Prognose-Risiken oder die Bündelung von Bilanzkreisen in einem Rechnungsbilanzkreis. Hier sind Vertrauen und eine dialogorientierte Kundenbeziehung das wesentliche Asset. Gerade im Portfolio-Management – ergänzt durch Pakete für Trading, Reporting und Pricing sowie dem Risiko-Management – liegen die Vorteile auf der Hand: Die Versorgung wird preisgünstiger, Risiken kontrollierbarer, die Beschaffung flexibler und unabhängiger und der Kunde kann komplexe Produkte sinnvoll und effizient einsetzen.
Mit welchen Argumenten konnte GVS ehemalige Kunden zurückgewinnen und neue überzeugen?
Unser Ansatz ist: schnell und flexibel auf Anfragen und Probleme reagieren, Vertrauen durch einen fairen Umgang gewinnen und immer wieder bestätigen. Und das mit vielfältigen Produkten mit unterschiedlichen Preisbindungen und Überwachung von Vertragsrestriktionen. Gerade flexible Liefermodelle beinhalten viele Chancen, binden allerdings auch viel Aufmerksamkeit. Genau hier bieten wir zum Beispiel bei der Bewirtschaftung komplexer Verträge Unterstützung sowie vertragsbegleitende Dienstleistungen an. Und diese Innovationen honorieren unsere Kunden. Die GVS-Devise ist klar: konsequente Kunden- und Marktorientierung. Das prägt unser Geschäftsmodell und spiegelt sich auch im GVS-Prinzip wider. Dessen drei zentrale Säulen sind Erdgasprodukte, gaswirtschaftliche Dienstleistungen und GVS Extra für die Bereiche Kunden-Workshops, Marketing- und Kommunikationsunterstützung.
GVS baut das Dienstleistungsangebot weiter aus. Welche Produkte kommen bei den Kunden besonders gut an – und warum?
Hierbei geht es nicht nur um einen Produktkatalog, sondern auch darum, wie wir im Hause GVS jeden Tag das Gesagte leben und in der Zusammenarbeit mit den Kunden demonstrieren. Für uns ist es gelebte Partnerschaft. Nicht ohne Grund lautet unser Unternehmensmotto: Ihre Energie. Unsere Leidenschaft. Wir offerieren unseren Kunden neben innovativen Produkten und marktorientierten Dienstleistungen zusätzlich Hintergrund-Informationen zum Gasmarkt.
Wie wird sich der Gasmarkt aus Ihrer Sicht weiter entwickeln?
Wie gesagt, Erdgas ist bei einer schnellen und bezahlbaren CO2-Minderung unverzichtbar. Wir werden sicherlich Mengenverluste durch Effizienzmaßnahmen sehen, aber wir haben noch genug Wachstumspotenzial durch neue Techniken wie beispielsweise die Brennstoffzelle und Mini-BHKW oder durch Substitution von Kohle und Heizöl. Der intensive Wettbewerb wird dabei für einen großen Ideenreichtum sorgen.
Das Interview ist in der Ausgabe Juli/August von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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