Gas-AlarmstufeWeitere Maßnahmen nötig
Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 23. Juni 2022 die zweite Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. „Richtig ist, dass zeitgleich mit der Ausrufung der Alarmstufe nicht auch sofort die Preisweitergabe aktiviert wurde. Die Preisweitergabe muss wie bisher vorgesehen dringend angepasst werden. Würde diese wie im gerade beschlossenen Gesetz jetzt aktiviert werden, hätte dies drastische Auswirkungen auf die Verbraucher. Zudem könnten die dadurch entstehenden Belastungen je nach Anteil russischen Gases in den Lieferverträgen für einzelne Kunden extrem unterschiedlich hoch ausfallen“, erklärt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Aus Sicht der Kommunalwirtschaft muss der Instrumentenkasten zur Bewältigung der Herausforderungen jetzt dringend erweitert werden. Denn besser als die bloße Preisweitergabe wäre, wie vom VKU wiederholt gefordert, eine Abschirmung der bestehenden Preise schon auf der Importstufe. Damit würden die betroffenen Händler und Versorgungsunternehmen in die Lage versetzt, ihre Lieferverpflichtungen zu den vereinbarten Konditionen aufrecht zu erhalten. Dies verhindert einen Dominoeffekt in den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen und vermeidet eine unterschiedliche Betroffenheit von Endkunden.
„Unabhängig davon brauchen wir jetzt dringend Regelungen zur Abschirmung und Liquiditätssicherung sowie ein Insolvenzmoratorium auch für kommunale Unternehmen. Mit der Aktivierung der Preisweitergabe kämen für die Stadtwerke zu den bereits bestehenden weitere enorme Unsicherheiten hinzu: Im Fall einer bloßen Preisweitergabe drohen bis zum rechtssicheren Vollzug enorme Liquiditätsrisiken“, so Liebing weiter. Zudem sei mit erheblichen Zahlungsausfällen bei den Endkunden zu rechnen. Darüber hinaus fehle bei der Preisweitergabe eine analoge und praktikable Regelung für Fernwärme und Gasverstromung, notfalls aber mindestens wirtschaftliche Hilfen für die Betreiber.
„Um den Gasverbrauch in Deutschland zu senken, wird die Stromerzeugung aus Gas im Bedarfsfall reduziert. Als Ersatz sollen Kohlekraftwerke aus der Netz- und Sicherheitsreserve und solche, die im Rahmen des Kohleausstiegs dieses oder im kommenden Jahr aus dem Markt ausgeschieden wären, in Betriebsbereitschaft versetzt werden. So können Stein- und Braunkohle-Kraftwerke in einem begrenzten Zeitraum wieder Strom erzeugen, um mögliche Mindermengen aus Gaskraftwerken auszugleichen“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Wie sich die Ausrufung der Alarmstufe auf die Endkundenpreise auswirken wird, lasse sich derzeit noch nicht genau abschätzen. Klar sei, dass aufgrund des ohnehin sehr hohen Börsenpreisniveaus der Druck auf die Gaspreise weiter steigen werde. Bei erheblich reduzierten Gesamtimportmengen nach Deutschland kann die Situation eintreten, dass Gasversorger nicht die langfristig gekauften Gasmengen erhalten, sondern zu den aktuell sehr hohen Großhandelspreisen Ersatz beschaffen müssen. „Es besteht dann das Risiko, dass Energieversorger diese dann extrem teuren Zukäufe finanziell nicht mehr stemmen können und letztlich die Gewährleistung der Energieversorgung bedroht wäre. Die Preis-Entwicklung muss daher weiterhin sehr aufmerksam beobachtet werden. Die Handlungsfähigkeit der Unternehmen muss bei Bedarf sehr kurzfristig gesichert werden können, damit sie die erforderlichen Gasmengen trotz extrem steigender Börsenpreise beschaffen und liefern können“, so Andreae weiter.
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