Dienstag, 19. November 2024

BDWWasserkraftwerke stabilisieren das Netz

[13.08.2021] Wasserkraftwerke können eine Störung hinsichtlich der Momentanreserve ausgleichen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Rhein-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW), der Initiative „Wasserkraft Ja bitte!“ im Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) sowie der Interessengemeinschaft Wassernutzung NRW.
Generator des Saalachkraftwerkes in Bad Reichenhall.

Generator des Saalachkraftwerkes in Bad Reichenhall.

(Bildquelle: VBEW)

Eine Studie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen hat ergeben, dass die Wasserkraftwerke in Deutschland eine Störung, etwa durch einen ungeplanten Kraftwerkausfall von bis zu 500 Megawatt (MW), hinsichtlich der Momentanreserve ausgleichen können. Wie der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) mitteilt, ist dieser Ausgleich umso wichtiger, da im kommenden Jahr die letzten Kernkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen werden, womit dem Stromversorgungssystem auch Momentanreserven wegfallen. Diese Systemdienstleistung sichere – neben der Regelleistung – die Stabilität der Netze im Fall von Störungen. Indem Wasserkraftanlagen diese Funktion übernehmen können, leisten sie einen relevanten Beitrag zur künftigen Netzstabilität.
BDW erklärt, dass als Momentanreserve die unverzögert verfügbare Leistungsreserve in einem Energieübertragungssystem bezeichnet werde. Sie entstehe aus der Trägheit der rotierenden Schwungmassen der Synchrongeneratoren konventioneller Kraftwerke. Komme es in einem Stromnetz zu einem abrupten Lastwechsel, könne das Leistungsdefizit nicht unmittelbar durch Regelkraftwerksleistung ausgeglichen werden. Denn diese sei immer mit einer gewissen Verzögerungszeit verbunden. Daher müsse, um Instabilitäten und Unterbrechungen zu verhindern, unmittelbar nach dem Störungsfall genügend kinetische Energie aus dem rotierenden Schwungmassen von Kraftwerken im Versorgungssystem vorhanden sein.

Wasserkraftanlagen als Ausgleich zu volatilen Energieerzeugern

Nach dem Aspekt der Erzeugungsmengen gelten Windenergie- und Photovoltaikanlagen als Hauptsäulen der künftigen regenerativen Energieproduktion. Diese üblicherweise leistungselektronisch angebundenen Anlagen liefern jedoch nach derzeitigem Stand der Technik noch keine Momentanreserve. Wasserkraftwerke hingegen seien dazu in der Lage.
Ein Team von Professor Albert Moser, Lehrstuhlinhaber Übertragungsnetze und Energiewirtschaft am Institut für elektrische Anlagen und Netze, Digitalisierung und Energiewirtschaft (IAEW) an der RWTH Aachen, habe nun die Momentanreserve der Wasserkraftanlagen in Deutschland ermittelt und quantifiziert. Die Berechnungen basieren auf 7.988 Wasserkraftanlagen mit insgesamt 6,28 Gigawatt Nettonennleistung, die im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur erfasst seien. Die Wissenschaftler ermittelten unter anderem die gespeicherte kinetische Energie der Wasserkraftanlagen, die sich aus der Trägheitskonstante und der Nennleistung der Generatoren bestimmen lasse.
Den Berechnungen zufolge sei eine kinetische Energie von rund 10,32 Gigawattsekunden (GWs) in den rotierenden Massen der Wasserkraftanlagen in Deutschland gespeichert. Zum Vergleich: Das Braunkohlekraftwerk Weisweiler Block H weise eine kinetische Energie von 2,4 GWs auf, das Kernkraftwerk Isar/Ohu 2 kommt auf 8,88 GWs. Die bereitgestellte kinetische Energie der Wasserkraftanlagen entspreche damit der Momentanreserve eines Kernkraftwerks.
Die Studie wurde federführend von Martin Knechtges und Stefanie Samaan geleitet. Sie zeige weiterhin, dass ein Störereignis von 462,5 MW unter Berücksichtigung der Frequenzabhängigkeit der Netzlasten allein durch die Wasserkraftanlagen hinsichtlich der Momentanreserve aufgefangen werden könne. Ihre vorgehaltene Momentanreserve reiche aus, um die daraus resultierende Frequenzänderungsrate und –abweichung ausreichend zu begrenzen. „Die deutschen Wasserkraftwerke tragen in dieser Höhe auch zur Beherrschung von größeren Leistungsdefiziten, zum Beispiel Netzauftrennungen, bei. Weitere Beiträge zur Beherrschung müssen dann aus anderen Anlagen noch bereitgestellt werden.“, fasst Martin Knechtges, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAEW, zusammen.

Wasserkraftanlagen stabilisieren bayerische Stromnetze

Darüber hinaus weisen die Forscher insbesondere für Bayern darauf hin, dass in Bezug auf zukünftige Netzstrukturen und die autarke Versorgung kleiner zellularer Netze die dezentral vorhandenen Wasserkraftwerke zu einem stabilen Netzbetrieb beitragen können.
„Die Studie zeigt einmal mehr, dass Wasserkraftanlagen gerade vor dem Hintergrund der Abschaltung der Kernkraftwerke 2022 und anschließend der Kohlekraftwerke wichtige Systemdienstleistungen zur Netzstabilisierung erfüllen. Neben der Momentanreserve ist diesbezüglich beispielsweise auch die Schwarzstartfähigkeit zu nennen“, kommentiert Fritz Schweiger, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB). Das heiße, nach einem großflächigen Stromausfall ist die Wasserkraft technisch in der Lage, den Wiederaufbau der Stromversorgung zu unterstützen.
„Die Studie zeigt aber auch auf, dass die bestehende Wasserkraft allein nicht die notwendige Momentanreserve im Stromversorgungssystem bereitstellen kann. Mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus Wasserkraft hätte man schon heute einen effizienten Lösungsbaustein dafür. Allerdings müssen auch die anderen erneuerbaren Energieträger künftig ihren Beitrag leisten. Jetzt sind die Ingenieure gefragt, wie dies mit moderner Leistungselektronik sichergestellt werden kann“, bemerkt Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW).
Die Studie „Ermittlung der Momentanreserve von Wasserkraftanlagen in Deutschland“ am Institut für Elektrische Anlagen und Netze, Digitalisierung und Energiewirtschaft an der RWTH Aachen wurde im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Wasserkraftwerke (BDW), der Initiative „Wasserkraft Ja bitte!“ im Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) sowie der Interessengemeinschaft Wassernutzung NRW durchgeführt.



Stichwörter: Wasserkraft, BDW, RWTH Aachen, VBEW


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Wasserkraft
BDW: Wasserkraft ist eine zuverlässige und regelbare Energiequelle.

Strommarktdesign: BDW fordert Wasserkraftstrategie

[27.09.2024] Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) appelliert an die Bundesregierung, die Potenziale der Wasserkraft stärker zu nutzen und fordert eine umfassende Wasserkraftstrategie, um ungenutzte Kapazitäten zu erschließen. mehr...

Die zweite Power-to-Gas-Anlage von naturenergie in Grenzach-Wyhlen entsteht neben der ersten Anlage aus dem Jahr 2018.

Grenzach-Wyhlen: Spatenstich für Power-to-Gas-Anlage

[17.06.2024] Der Bau einer zweiten Power-to-Gas-Anlage am Wasserkraftwerk Wyhlen hat begonnen, um die Produktion von grünem Wasserstoff bis Ende 2025 um fünf Megawatt zu erweitern. Dieses Projekt ist Teil des staatlich geförderten Reallabors H2-Wyhlen und wird mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. mehr...

Das Thesenpapier zeigt

Niedersachsen: Thesenpapier zur kleinen Wasserkraft

[11.06.2024] In einem Thesenpapier hat das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz jetzt die kleine Wasserkraft kritisiert. Angesichts der ökologischen Schäden ist sie oft nicht sinnvoll. mehr...

In diesem Winter liefen Wasserkraftwerke unter Volllast.

Branchenverbände: Mehr Wasserkraft im Winter

[29.04.2024] Die bayerischen Wasserkraftverbände prognostizieren einen Anstieg der Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund vermehrter Niederschläge in den Wintermonaten. Dies stärkt die Rolle der Wasserkraftwerke für die Energiewende und die Netzstabilität. mehr...

Laut einer Studie kann Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung spielen.

Bayern: Flusswärme als Heizquelle

[26.04.2024] Eine neue Studie zeigt, dass Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung und den Klimaschutz spielen kann. Mindestens die Hälfte der bayerischen Städte und Gemeinden könnte ihre Gebäude damit beheizen. mehr...

Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergeben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft.
bericht

Wasserkraft: Unterschätzte Wärmequelle

[25.03.2024] Die flächendeckend in Deutschland zur Verfügung stehenden Fließgewässer bergen ein bislang wenig beachtetes Potenzial für die grüne Wärmegewinnung. Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergäben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft. mehr...

Die Modernisierung und Reaktivierung von Wasserkraftwerken könnte eine zusätzliche Leistung von 7

Studie: Wasserkraft als Gamechanger

[25.03.2024] Die Energy Watch Group stellt eine Studie vor, die Wasserkraftwerke als zentrale Kraft im Kampf gegen den Klimawandel sieht. Das Potenzial zur Energieerzeugung liegt bei über sieben Gigawatt. mehr...

Die bestehende Schwarzenbachtalsperre wird um eine unterirdische Kaverne ergänzt.
bericht

Pumpspeicher: Starkes Leistungsplus aus Forbach

[07.11.2023] Seit über 100 Jahren erzeugt das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach mit Wasserkraft Energie. Nun wird der Standort zum leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerk ausgebaut. Da Technik und Speicher in Kavernen verlagert werden, sind die Auswirkungen auf die Umgebung gering. mehr...

Referenten und Verbandsvertreter der Wasserkraft auf dem Wasserkraftseminar 2023 an der TUM Straubing.

Bayern: Wasserkraft mit viel Potenzial

[19.10.2023] Unterschätzte Potenziale der Wasserkraft wurden auf dem diesjährigen Seminar der beiden bayerischen Fachverbände aufgespürt. mehr...

Das 26. Internationale Anwenderforum Kleinwasserkraft findet vom 28. bis 29. September 2023 an der Technischen Hochschule Rosenheim statt.

Anwenderforum Kleinwasserkrafte: Praxisorientierter Austausch

[05.09.2023] Beim diesjährigen Anwenderforum Kleinwasserkraft stehen unter anderem die Themen Cyber-Sicherheit, Planung und Finanzierung von Kleinwasserkraftwerken im Mittelpunkt. Die Veranstaltung findet am 28. und 29. September in Rosenheim statt. mehr...

Das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach erzeugt seit rund 100 Jahren Strom aus Wasserkraft.

EnBW: 280 Millionen für Wasserkraft

[19.05.2023] Das Unternehmen EnBW investiert jetzt in den Um- und Ausbau des Rudolf-Fettweis-Werks in Forbach. mehr...

Als BlueBattery-Standort kann das Wasserkraftwerk Wallsee-Mitterkirchen auch Primärregelleistung liefern.
bericht

Wasserkraft: Grünstrom und Primärregelleistung

[25.04.2023] Im Wasserkraftwerk Wallsee-Mitterkirchen ist die mit Abstand größte Kraftwerksbatterie Österreichs verbaut. Als so genannter BlueBattery-Standort liefert es nun nicht mehr nur Strom, sondern kann auch kurzfristig Primärregelleistung zur Verfügung stellen. mehr...

Traditionelle Standorte wie das Jugendstil-Kraftwerk Heimbach können bis heute wertvolle Energie aus Wasserkraft liefern.
bericht

Wasserkraft: Potenziale naturverträglich nutzen

[04.04.2023] In Nordrhein-Westfalen könnte aus der Wasserkraft noch mehr Energie erzeugt werden. Bestehende Anlagen sollten modernisiert und an vorhandenen Staustufen neue Kraftwerke errichtet werden. Hemmnisse und Hürden erschweren aber entsprechende Vorhaben bis hin zur Aufgabe. mehr...

Das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach soll ausgebaut werden.

EnBW: Wasserkraftwerk kann erweitert werden

[16.03.2023] Das Laufwasser- und Speicherkraftwerk in Forbach im Schwarzwald soll umgebaut und erweitert werden. Dafür hat EnBW jetzt die behördliche Genehmigung erhalten. mehr...

Wasserkraft: Potenziale rechtlich neu bewertet

[15.03.2023] Ein vom Wasserkraftverband Mitteldeutschland in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die neuen Gewichtungsvorgaben nach § 2 EEG 2023 bei allen behördlichen Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Dies würde einen erheblichen Schub für Wasserkraftprojekte bedeuten. mehr...