BochumWärme aus der Grube
Bochum ist ein führender Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort im Bereich Geothermie. Mit dem Internationalen Geothermiezentrum an der Hochschule Bochum und spezialisierten mittelständischen Unternehmen haben sich Experten hier angesiedelt. Auch für die kommunalen Energiestrategien soll dieses Potenzial genutzt werden: Durch eine intensive Kooperation zwischen den Stadtwerken und der Stadt Bochum ist es gelungen, erste innovative Projekte zu starten und darüber hinaus die Geothermie allgemein als grundlastfähige Schlüsselenergie innerhalb der strategischen Klimaschutz- und Stadtentwicklungsplanung zu verankern.
Städtebauliche Einbindung
Wie bei jeder neuen technischen Infrastruktur sind auch bei der Geothermie die ökologischen, energiewirtschaftlichen und räumlichen Implikationen für die Stadtentwicklung zu beachten. Sie entstehen zwangsläufig bei einem Einsatz in größerem Umfang. Hiermit sind keineswegs nur negative Auswirkungen gemeint, sondern vielmehr auch Chancen. Sie ergeben sich aus veränderten Energiegewinnungs- und Energieversorgungsmodellen. Spannende Fragen stellen sich dabei: Was bedeuten dezentrale Versorgungsstrukturen für den Verbraucher? Wie weit können wir die Individualität einschränken zugunsten von zentralen Lösungen? Wie lassen sich geothermische Anlagen gestalterisch und städtebaulich integrieren?
Neben einigen erfolgreich umgesetzten größeren Einzelprojekten, vorwiegend Bürogebäude mit Wärme- und Kälteversorgung aus Geothermie, drehen sich im Neubaubereich die Bemühungen um sinnvolle, dezentrale Nahwärme-Lösungen:
– Im Bereich der Gewerbebauten ist an erster Stelle das Projekt Seven Stones mit einer Bruttogeschossfläche von etwa 56.000 Quadratmetern zu nennen, bei dem ein Wärme- und Kältenetz aus Geothermie errichtet wird. Es wird gespeist aus einem Erdwärmesondenfeld mit 65 Bohrungen in 100 Metern Tiefe. Betreiber sind die Stadtwerke Bochum. Auch ein Wohngebiet mit rund 200 Wohneinheiten soll daran angeschlossen werden.
– Im Bereich von Wohnbaulandentwicklungen liegt der Fokus vorwiegend auf städtischen Brachflächen, die durch das Wohnbaulandkonzept systematisch entwickelt und einer baulichen Nachverdichtung zugeführt werden. Die Stadt prüft in jedem Einzelfall die jeweils passende und praktikable Lösung für die Wärmeversorgung, um Energieeffizienz mit Wirtschaftlichkeit zu verbinden. Kommt es zu zentralen Lösungen, stehen erneuerbare Energieträger an erster Stelle.
Dabei zeigt sich, dass die immer schärferen gesetzlichen Energiestandards (EnEV, EEWärmeG) für Gebäude tendenziell zu mehr individuellen Versorgungsmodellen des Einzelgebäudes führen und weg von zentralen Nahwärmenetzen. Dies gilt zumindest bei aufgelockerter Einfamilienhausbebauung. Derzeit sind wir noch in einer Übergangsphase, bei der in bestimmten Fällen Nahwärmelösungen eine Perspektive haben.
So war in einem Fall bereits eine fertige und schlüssige Planung eines Nahwärmenetzes für ein neues Wohngebiet mit 66 Wohneinheiten und einer KiTa entwickelt worden. Die Wärme sollte aus einem zentralen Sondenfeld mit 18 Bohrungen und einer Wärmezentrale mit Gas-Absorptionswärmepumpen gewonnen werden. Doch die Neuberechnung der prognostizierten Abnahmemengen unter Berücksichtigung der verschärften EnEV 2012 ergaben letztlich mangelnde Wirtschaftlichkeit. Nicht zu unterschätzen ist auch der Bereich der privaten Geothermienutzung durch Einzeleigentümer, vorwiegend im Einfamilienhaussektor. Hier sind inzwischen 154 Anlagen wasserrechtlich genehmigt worden.
Potenziale im Bestand
Wie bei der Gebäudesanierung liegen – jedenfalls quantitativ gesehen – auch bei der Neuausrichtung der Wärmeversorgung die größten Potenziale im Bestand. Zugleich stellen sich die Anstrengungen auf diesem Gebiet deutlich komplizierter dar, in technischer, wirtschaftlicher und praktischer Hinsicht. Eine Besonderheit in Bochum ist der große Fernwärmeanteil von circa 20 Prozent aller Haushalte, die zu 80 Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen stammt, darunter auch die Verbrennung von Deponiegas. Aus diesem Grund besteht in Bochum eine gute Ausgangslage, doch die weiteren Verbesserungen erfordern umso mehr Mühe.
Die Umrüstung der übrigen Baugebiete hin zu einer effizienten und zukunftsfähigen Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien hängt stark ab von der Gebäudetypologie in den einzelnen Siedlungsclustern. Realistischerweise kann „normale“ oberflächennahe Geothermie mit ihrem konstanten Ausgangsniveau von circa zehn Grad Celsius nur bei Gebäuden mit flächigen Heizkörpern eingesetzt werden, bei denen Vorlauftemperaturen von 35 bis 40 Grad Celsius ausreichend sind für eine effektive Raumheizung.
Dies bedeutet: Geothermie kann beim Bestandsumbau nur dann in größerem Stil zum Tragen kommen, wenn beispielsweise die Wohnungsbaugesellschaften ihre Bestände sanieren und dabei Flächenheizkörper einbauen oder erneuern. In Bochum gibt es große Bestände an früheren Sozialwohnungen, die noch überwiegend im Besitz von Wohnungsbaugesellschaften sind. Dort bestehen durchaus realistische Einsatzmöglichkeiten für Geothermie, die in enger Kooperation mit den Wohnungsbaugesellschaften im Rahmen einer energetischen Bestandssanierung eruiert werden. Dabei bildet die energetische Sanierung der Gebäudehülle zunächst die Voraussetzung für die Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien. Sanierungsumfang und Restnutzungsdauer werden hier zu entscheidenden Faktoren. Pilotprojekte sollen die Einsatzmöglichkeiten und Einspareffekte aufzeigen.
Die jetzt gestartete Tiefenbohrung an der Hochschule Bochum (GeoTechnikum) soll in der zweiten Ausbaustufe auch zur Einspeisung in das städtische Fernwärmenetz genutzt werden. Last but not least sei erwähnt, dass Geothermie im Ruhrgebiet auch das Grubenwasser umfasst, das in den Stollen und Schächten der früheren Zechen mit einer Temperatur von etwa 20 Grad Celsius darauf wartet, energetisch verwertet zu werden. Bislang werden einige städtische Gebäude mit Wärme aus Grubenwasser versorgt.
Ausblick
Um alle Ansätze systematisch anzugehen und eine umfassende Vision für die künftige Wärmeversorgung zu entwickeln, wird derzeit zusammen mit dem Fraunhofer-Institut ein integriertes Wärmenutzungskonzept erstellt, mit passgenauen und quantifizierten Szenarien für die einzelnen Stadtgebiete. Dies wird von der Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums erheblich gefördert. Ein Beispiel dafür, dass auch finanzschwache Kommunen bei Ausnutzung von Fördermitteln ambitionierte Projekte angehen können.
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