Smart MeteringVorteil für Stadtwerk
Mit den Smart Meter Gateways steht der Energiewirtschaft künftig eine hochsichere und hochverfügbare IT-Infrastruktur zur Verfügung – nicht nur für die Datenübertragung, sondern auch für das Steuern und Schalten von Erzeugungsanlagen, Speichern und Haushaltsgeräten. Die Stadtwerke stehen im Zuge des Smart Meter Roll-outs vor der Herausforderung, neue Geschäftsprozesse zu definieren und gleichzeitig den Kundennutzen im Blick zu behalten, der sich aus dem Einsatz der intelligenten Messsysteme (iMSys) ergibt.
BSI-Marktanalyse hat weitere Anforderungen definiert
Zwar ist im Dezember 2018 das erste Gateway des Herstellers PPC vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert worden, zu weiteren Zertifizierungen und damit der Feststellung der technischen Möglichkeit des Roll-out-Starts macht die Ende Januar erschienene Marktanalyse des BSI jedoch keine eindeutigen Aussagen. Die Verzögerung der weiteren Zertifizierungen liegt an der nun verpflichtenden Funktionalität des Tarifanwendungsfalls 2 (TAF 2), der die zeitvariablen Tarife betrifft und damit das Angebot interessanter Tarifmodelle ermöglicht. Auf die Implementierung des TAF 2 in den Gateways der ersten Generation (G1) hatten sich nicht alle Hersteller festgelegt. Die Marktanalyse des BSI hat weitere technische Anforderungen an das Gateway definiert, welche die Messdatenverarbeitung betreffen. Allerdings können die G1-Geräte die dezentrale Messwertaufbereitung und -verteilung direkt aus dem Gateway heraus noch nicht leisten. Das wird erst mit den Gateways der zweiten Generation möglich sein.
Mehrwertdienste als große Chance
Unabhängig davon, ob drei zertifizierte Gateways unterschiedlicher Hersteller am Markt verfügbar sind, können die wettbewerbliche Messstellenbetreiber (wMSB) schon jetzt mit Angeboten an die Endkunden beginnen. Genau darin liegt die große Chance für Stadtwerke: Mehrwertdienste anzubieten, die für den Kunden nützlich sind und gleichzeitig die Energiewende voranbringen. Als grundzuständiger Messstellenbetreiber (gMSB) nur Abrechnungsleistungen innerhalb der gesetzlichen Preisobergrenzen anzubieten, reicht für die wirtschaftliche Umsetzung des Roll-outs nicht aus.
Die Rolle des wMSB ermöglicht es, in Zusammenarbeit mit kompetenten Dienstleistern attraktive Zusatzleistungen anzubieten, beispielsweise Kombiprodukte aus Stromlieferung, Messdienstleistungen und Mehrwertprodukten – und das ohne Bindung an die Preisobergrenzen und auch außerhalb des lokalen Netzes.
Attraktive Mehrwertdienste werden im ersten Schritt das Auslesen, Darstellen und Analysieren von Energieverbräuchen in Web-Portalen für Haushalts- und Gewerbekunden sein. Durch die transparente Visualisierung von Smart-Meter-Verbrauchsdaten erhalten Privatkunden einen detaillierten Überblick über ihren Energieverbrauch. Und für Gewerbekunden ist die zeitnahe Verfügbarkeit und Transparenz der Messdaten ihrer Unternehmensstandorte entscheidend für ein effizientes Energie-Management und -Controlling. Zusätzlich können innovative Produkte wie neue Tarifmodelle oder die Einbindung von privaten Erzeugungsanlagen wie Photovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerken angeboten werden.
Netzdienliche Funktionen
Mit den Gateways der zweiten Generation (G2) lassen sich künftig auch netzdienliche Funktionen umsetzen, zum Beispiel die Integration von Steuer- und Schaltprozessen. Mit einer Steuerbox, die über eine CLS-Schnittstelle (Controllable Local Systems) an das Gateway angebunden wird, können Erzeugungsanlagen und Stromverbraucher wie Nachtspeicherheizungen, Wärmepumpen oder Ladesäulen für Elektroautos individuell angesteuert werden. Die Branche rechnet damit, dass die G2-Gateways ab 2023 zur Verfügung stehen werden.
Die Mehrspartenauslesung spielt eine Schlüsselrolle im intelligenten Messwesen. Mit der neuen Messinfrastruktur können Daten von Gas-, Wasser- und Wärmezählern automatisiert erfasst werden. Das Submetering ermöglicht es, auch Untermessungen durchzuführen und die Zählerdaten von Strom- und Wasserzählern oder Heizkostenverteilern zu messen. Mit diesen erfassten Daten lassen sich dann auch wohnungsweise Energiekostenabrechnungen realisieren. Ab dem Jahr 2021 wird diese Dienstleistung für alle wMSB regelrecht essenziell. Dann greift das im Messstellenbetriebsgesetz verankerte Liegenschaftsmodell, und der Gebäudeeigentümer – nicht mehr der Mieter – erhält als Anschlussnehmer das Recht zur Wahl eines Messstellenbetreibers.
Die Wahl gilt dann für alle Stromzähler der Immobilie, was den Markt für das Submetering beleben wird. Die Stadtwerke können hier ihre Vorteile ausspielen: Im Gegensatz zu den branchenfremden Wettbewerbern kennen sie die energiewirtschaftlichen Prozesse. Durch die jahrelange Erfahrung im Messstellenbetrieb für Strom und Gas, den Zugriff auf die Zähler und die bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen mit der Wohnungswirtschaft verfügen die Stadtwerke zudem über einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Feldtest und Pilotprojekte
Das Unternehmen Voltaris wird die Entwicklung von Mehrwertdiensten wie Mieterstrom, Mehrspartenauslesung und Submetering intensiv vorantreiben und den Stadtwerke-Partnern als White-Label-Produkte anbieten. Im Sommer starten die Submetering-Pilotprojekte und der Feldtest zur Einführung der iMSys. In der Voltaris-Anwendergemeinschaft Messsystem arbeiten mittlerweile 35 Energieversorgungsunternehmen und Netzbetreiber bei der Gestaltung des intelligenten Messstellenbetriebs zusammen – im Rahmen von Workshops, moderiertem Erfahrungsaustausch und Schulungen. Für die Anwendergemeinschaft wird Voltaris rund 1,2 Millionen Zählpunkte im intelligenten Messstellenbetrieb betreuen. Der gemeinsame Feldtest zur Einführung der iMSys, der sich an der vom Forum Netztechnik/Netzbetrieb koordinierten Testphase orientiert, ermöglicht dabei einen fließenden Übergang in den operativen Roll-out.
Dieser Beitrag ist im Juni Sonderheft 2019 von stadt+werk zur Digitalisierung der Energiewirtschaft erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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