UnternehmensporträtVon der Werkstatt auf den Weltmarkt
Eine Garagenfirma – das gibt es eigentlich nur in den USA. Hier ist der Mythos vom Unternehmen, das seinen Weg in einer Garage beginnt, um schließlich den Weltmarkt zu erobern, sehr präsent. Und die Beispiele sind namhaft: Ford, Walt Disney, Hewlett-Packard, Apple, Google. Doch auch in Deutschland, dem Land der Hidden Champions, gibt es Firmen, die in einer Garage gestartet sind.
Das Unternehmen 2G wird trotz Energy im Namen nicht im Silicon Valley gegründet, sondern im Jahr 1995 in einer ehemaligen Autowerkstatt in Heek (Google kennt den Weg dorthin). Auch die Produkte sind auf den ersten Blick wenig spektakulär: 2G Energy schraubt in der Werkstatt im südlichen Münsterland Blockheizkraftwerke (BHKW) zusammen. Unternehmensgründer Christian Grotholt erinnert sich: „Unsere ersten Kunden waren Landwirte, die aufgrund des Umstiegs auf strohlose Viehhaltung Strom und Wärme benötigten.“ Das neue Unternehmen setzt am Anfang 30 bis 40 Anlagen pro Jahr an die Viehzüchter ab.
Zehn Tochtergesellschaften
Heute ist die 2G Energy AG eine Holding, die unter ihrem Dach zehn Tochtergesellschaften vereint. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 6.000 Mitarbeiter. Seit 2007 ist die Aktiengesellschaft an der Börse notiert, allerdings nicht an der New York Stock Exchange, sondern an der Frankfurter Wertpapierbörse im Segment Scale. Und: Das Unternehmen gehört noch immer mehrheitlich den Gründern. Christian Grotholt und Ludger Gausling halten 53,5 Prozent der Anteile.
Gründer und Aktionäre können mit dem Geschäftsverlauf zufrieden sein. Im Jahr 2018 erwirtschaftet 2G Umsätze in Höhe von fast 210 Millionen Euro, eine Steigerung um knapp elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch der Gewinn steigt von fünf Millionen auf 7,6 Millionen Euro. Ein überdurchschnittlicher Auftragseingang im ersten Quartal 2019 sichert dem Unternehmen volle Auslastung im Zwei-Schichtbetrieb bis in das Geschäftsjahr 2020 hinein. Die Umsatzprognosen für das Geschäftsjahr 2019 liegen zwischen 210 und 230 Millionen Euro.
BHKW-Markt bricht zusammen
Der Weg aus der Autowerkstatt zum international erfolgreichen Hersteller von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung verläuft allerdings nicht geradlinig – und ist ein Beispiel dafür, dass innovative Unternehmen auch wirtschaftliche Stürme überstehen. Christian Grotholt, der 2G bis heute als Vorstand leitet, berichtet: „Fünf Jahre nach der Unternehmensgründung brach der Markt für BHKW zusammen. Die Liberalisierung des Energiemarkts in Deutschland führte zu sinkenden Strompreisen, gleichzeitig stiegen die Preise für Heizöl und Erdgas.“ Damit sind Blockheizkraftwerke plötzlich nicht mehr wirtschaftlich.
Ein neuer Kraftstoff sorgt für die Wende. 2G entwickelt Motoren, die mit Biogas betrieben werden können, nun sind die Landwirte wieder an Bord. Zudem tritt im April 2000 das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft, das eine, wenn auch bescheidene Einspeisevergütung für Strom aus Biogas vorsieht. Im Jahr 2004 wird die Vergütung erhöht, damit steigt die Wirtschaftlichkeit der Biogas-BHKW – und sie werden auch für andere Zielgruppen interessant. Der Börsengang 2007 bringt Geld für zukünftiges Wachstum. 2G investiert in Forschung und Entwicklung und bietet nun auch erdgasbetriebene BHKW an. Die Kundensegmente werden vielfältiger.
2G beliefert jetzt Industrie, Gewerbe, Handel und Immobilienwirtschaft sowie Energieversorger und Stadtwerke mit KWK-Anlagen. Der Vorteil des Unternehmens: Durch die eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung werden die Motoren so optimiert, dass sie dem intensiven Volllastbetrieb gewachsen sind. „Wir sparen nicht beim Einkauf der Komponenten, unsere Anlagen sind deshalb nicht billig. Aber sie sind auf einen Lebenszyklus von mindestens 15 Jahren ausgelegt, so gesehen sind wir kostengünstig“, sagt 2G-Vorstand Grotholt.
Leistung bis 2.000 kW
Die Produktpalette reicht von der g-box, einem Kleinkraftwerk mit einer Leistung von 20 bis 50 Kilowatt (kW) bis zur Großanlage avus (550 kW bis 2.000 kW). Leistungsmäßig dazwischen liegen die Aggregate agenitor (75 kW bis 450 kW) und aura (100 kW bis 150 kW). Die 2G-Blockheizkraftwerke können Erdgas, Flüssiggas, Biogas, Deponiegas oder Klärgas in Strom und Wärme umwandeln. Durch selbst entwickelte Katalysatortechnologien und Nachverbrennungsanlagen wird der Schadstoffausstoß der BHKW reduziert, die Grenzwerte der TA-Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) werden laut 2G unterschritten. Ganz neu im Programm ist eine weitere Innovation. Das Forschungs- und Entwicklungsteam hat die Motoren der agenitor-Baureihe so angepasst, dass sie mit reinem Wasserstoff betrieben werden können. Ein Pilotprojekt mit dem Wasserstoff-BHKW läuft derzeit bei den Stadtwerken Haßfurt.
Eigene Software-Entwicklung
Die Abteilung Forschung und Entwicklung bei 2G optimiert nicht nur die Hardware. Sie programmiert auch Analyse- und Steuerungssoftware, mit deren Hilfe die Anlagen aus der Ferne überwacht werden. 2G Power Plant nennt sich eines der digitalen Werkzeuge. Das Tool meldet die Abweichung eines Betriebsparameters eines BHKW automatisch und ohne Zutun des Betreibers an das Troubleshooting-Team von 2G. Die Basis für eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) bildet die Plattform I.R.I.S. Mit dem Intelligent Report Information Service werden bis zu 400 Millionen Anlagen- und Sensorenwerte pro Woche erfasst und intelligent ausgewertet. Der Service kann so mögliche Störungen identifizieren, ungeplante Stillstandzeiten verhindern und frühzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.
Innovativ ist 2G auch im Vertrieb. Als Alternative zum Kauf eines BHKW wird seit Kurzem das Mietmodell 2G Rental angeboten. Ohne finanzielle Vorleistungen können die Kunden BHKW-Projekte umsetzen. Durch einen Vollservicevertrag wird eine hohe Verfügbarkeit und damit die notwendige Planungssicherheit gewährleistet. Erweitert wird die Mietlösung durch das Konzept 2G Rental vieras. Dabei wird dem Kunden eine BHKW-Lösung überlassen, und er bezahlt lediglich die Nutzungsstunden. Die Anlagenbetreiber können so flexibel auf Marktveränderungen reagieren und beispielsweise das BHKW über den Förderzeitraum des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) nutzen und anschließend zurückgeben.
Dezentralisierung zulassen
„Mit unserem Pay-per-Use-Konzept wollen wir die letzten Hürden überwinden, die gegen die Vernunft aufgestellt sind“, sagt Christian Grotholt. Denn für den 2G-Chef ist klar, dass die Kraft-Wärme-Kopplung ein wesentlicher Baustein der Energiewende ist. Angst vor Dezentralität habe die Energiepolitik in Deutschland lange geprägt. Dabei sei es längst keine Frage mehr, dass das Energienetz der Zukunft aus vielen kleinen Kraftwerken besteht. Grotholt ist überzeugt, dass KWK-Anlagen aufgrund ihrer Dezentralität, Regelbarkeit und planbaren Verfügbarkeit stark an Bedeutung gewinnen werden. 2G-Kraftwerke seien beispielsweise im Leistungsbereich zwischen 35 und 100 Prozent stufenlos regelbar und könnten sich mithilfe moderner Steuerungstechnik automatisch an den tatsächlichen Energiebedarf anpassen.
„Als Anlagenhersteller können und wollen wir Verantwortung übernehmen. Aber Dezentralisierung muss von der Politik zugelassen werden“, sagt Grotholt und macht diese Rechnung auf: „Zusammen mit anderen Anbietern wären wir in der Lage 2.500 bis 3.500 KWK-Anlagen pro Jahr zu errichten. Bei einer durchschnittlichen Leistung von zwei MW könnte innerhalb nur eines Jahres eine Erzeugungskapazität von sieben Gigawatt zugebaut werden.“
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