Montag, 28. Oktober 2024

ElektromobilitätVom Gas gehen

[19.07.2012] Strom aus erneuerbaren Quellen soll künftig den Individual- und den öffentlichen Nahverkehr antreiben. Städtische Mobilitätskonzepte mit Elektro-Antrieben werden nun in vier Schaufenster-Regionen für Bürger und potenzielle Kunden buchstäblich erfahrbar gemacht.
Deutschland soll zu einem globalen Spitzenstandort der Elektromobilität werden.

Deutschland soll zu einem globalen Spitzenstandort der Elektromobilität werden.

(Bildquelle: Daimler AG)

Für die Bundesregierung ist E-Mobilität ein zentrales Handlungsfeld der neuausgerichteten Energiepolitik. Und nicht nur das: Deutschland soll zu einem globalen Spitzenstandort der Elektromobilität werden. Das Ziel lautet: Bis zum Jahr 2020 ist die Bundesrepublik Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität, zu diesem Zeitpunkt rollen dann eine Million Elektrofahrzeuge durchs Land.
So steht es im Regierungsprogramm Elektromobilität, das die schwarz-gelbe Koalition im vergangenen Jahr verabschiedet hat. Große Hoffnungen werden hier geweckt: E-Mobilität sorge für eine klimagerechte Energie- und Verkehrspolitik und könne dazu beitragen, die Industriegesellschaft mit innovativen, weltweit gefragten Produkten und Systemen nachhaltig zu gestalten. Die CO2-freie Fortbewegung werde möglich, wenn die Fahrzeuge mit Strom aus erneuerbaren Energien geladen werden. Zudem könnten die E-Autos als mobile Speicher dienen, mittelfristig sei auch eine Rückspeisung des Stroms in das Netz denkbar. Elektrofahrzeuge könnten so in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leisten.

Fortschrittsbericht der NPE

Um E-Mobilität im Land voranzubringen, hat die Regierung schon 2009 einen Nationalen Entwicklungsplan vorgelegt. Die zuständigen Ressorts – die Bundesministerien für Wirtschaft, Verkehr, Umwelt und Forschung – förderten daraufhin eine Vielzahl von Maßnahmen, unter anderem mit rund 500 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II. In acht Modellregionen (Hamburg, Bremen/Oldenburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Sachsen, Stuttgart, München, Berlin-Potsdam) wird seitdem versucht, elektrisch betriebene Fahrzeuge stärker in das Verkehrssystem zu integrieren und den Aufbau der notwendigen Infrastruktur vorantreiben.
Auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gegründet. Das Gremium hat erst kürzlich den dritten Fortschrittsbericht vorgelegt. Darin heißt es, dass die ambitionierten Ziele bis 2020 erreicht werden können, wenn alle Akteure engagiert weiterarbeiten und alle Projekte zügig und konsequent umgesetzt würden. NPE-Vorsitzender Henning Kagermann ist jedenfalls optimistisch. Der frühere SAP-Chef sagt: „Es ist klar, dass der Weg zu einer Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen ein Marathon ist. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das Ziel erreichen.“ Denn: Elektromobilität sei „Auto-Faszination pur. Alle, die schon mal mit einem Elektroauto gefahren sind, waren begeistert.“

Schlüsselrolle für Energieversorger

Eine Schlüsselrolle bei der Elektrifizierung des Verkehrs spielen auch die Stadtwerke. Laut einer aktuellen Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ist ein Drittel der Mitglieder im Bereich Elektromobilität engagiert oder plant es. 900 öffentlich zugängliche Stromladestellen für E-Autos haben die Stadtwerke, die an der Umfrage teilnahmen, bereits gebaut. Bis zum Jahr 2014 soll die Anzahl verdoppelt werden.
Derzeit lohnt sich allerdings zumindest der Betrieb von Stromtankstellen nicht. Johannes Viereck, Manager beim IT-Dienstleister Logica, rechnet im stadt+werk-Interview vor, dass eine Ladesäule heute lediglich 10.000 Euro Umsatz bringe – pro Jahr. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betreibt die Energiewirtschaft insgesamt rund 2.250 Ladestellen für Elek­trofahrzeuge. Auch deshalb mahnt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller: „Unsere Unternehmen sind erheblich in Vorleistung gegangen, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Jetzt geht es darum, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Ausbau zu verstetigen.“ Denn: Für den weiteren Ausbau der Lade-Infrastruktur seien bis zum Jahr 2020 Investitionen von bis zu 1,35 Milliarden Euro nötig.

Schaufenster E-Mobilität

Nach Ansicht der Experten der Nationalen Plattform Elektromobilität sind die Projekte in den so genannten Schaufenster-Regionen zentral für den Erfolg alternativer Antriebe und Verkehrskonzepte. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung den Wettbewerb „Schaufenster Elektromobilität“ ausgeschrieben. Das Ziel: In vier Regionen soll Elektromobilität durch groß angelegte Demonstrations- und Pilotvorhaben für Bürger und potenzielle Kunden buchstäblich erfahrbar gemacht werden. Der Bund fördert die Projekte mit insgesamt 180 Millionen Euro. Bewerben konnten sich Konsortien aus Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen. Gemeinsam mit den jeweiligen Ländern und Kommunen sollten sie ein Konzept entlang der gesamten Wertschöpfungskette entwickeln. Anfang April 2012 wählte eine Jury aus Wissenschaftlern und Vertretern von Fachverbänden unter den 23 Bewerbungen vier Schaufenster-Konzepte aus:

Baden-Württemberg – LivingLab BWe mobil: Das Schaufenster-Konzept konzentriert die Aktivitäten auf die Region Stuttgart und die Stadt Karlsruhe. Rund 120 Partner sind in 41 Einzelprojekten beteiligt, das Investitionsvolumen liegt bei über 150 Millionen Euro. Bis 2015 sollen mindestens 3.100 Elektroautos auf die Straße gebracht werden, 100.000 E-Fahrzeuge bis zum Jahr 2020. Die Landeshauptstadt will sich sogar zum Zentrum der Elektromobilität mausern. Das Land, die Städte Stuttgart und Karlsruhe sowie die Region Stuttgart mit 179 Kommunen fördern das Projekt mit rund 93 Millionen Euro.

Berlin/Brandenburg – Internationales Schaufenster Elektromobilität: In den Ländern Berlin und Brandenburg sollen 74 Projekte realisiert werden, darunter 35 Kernprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 165 Millionen Euro, das Land Berlin stellt bis zu 25 Millionen Euro zur Verfügung. Am Projekt sind neun Automobilhersteller beteiligt. Die Vorgabe lautet: Bis 2015 sind 3.800 elektrisch betriebene Fahrzeuge in der Region unterwegs, die mit Strom aus erneuer­baren Quellen betankt werden. Eines der Projekte: Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik testet Elektrofahrzeuge für den städtischen Lieferverkehr.

Niedersachsen – Unsere Pferdestärken werden elektrisch: Die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Von der Komponente bis zum Fahrzeug, von der vollständigen regenerativen Energieerzeugung über die Lade-Infrastruktur und Servicedienstleistungen bis hin zu Mobilitätsangeboten für Flotten, Pendler und Carsharing-Dienste sind alle Stufen der Wertschöpfungskette im Schaufenster integriert. Besondere Schwerpunkte liegen auf der Errichtung der Infrastruktur sowie der Verbindung von Elektrofahrzeugen mit dem öffentlichen Nahverkehr. Rund 200 Partner arbeiten in 37 Projekten zusammen, Konzerne wie Volkswagen sind ebenso vertreten wie kleine und mittelständische Unternehmen, Hochschulen, Verbände und Kommunen.

Bayern/Sachsen – Elektromobilität verbindet: Das Schaufenster der beiden Freistaaten soll unter anderem zeigen, dass Elektroautos auch auf langen Strecken einsetzbar sind. Dazu wird die Autobahn A9 von München nach Leipzig mit Schnellladestationen ausgerüstet. Bayern und Sachsen fangen nicht bei an. In München läuft ein Projekt, das sich mit der Nutzeranalyse von Elektrofahrzeugen für den privaten und gewerblichen Einsatz und dem Aufbau der Lade-Infrastruktur im innerstädtischen Bereich befasst. Das Projekt „eE-Tour Allgäu“ zeigt, wie in einer ländlichen Region Einheimische und Touristen eine Flotte von E-Fahrzeugen nutzen können. In der Modellregion Sachsen (Dresden und Leipzig) wurde ein Schwerpunkt auf den öffentlichen Nahverkehr gelegt sowie die Netzintegration und das Energie-Management von elektrisch betriebenen Fahrzeugflotten analysiert. Bayern und Sachsen werden zusammen rund 30 Millionen Euro in die insgesamt 80 Einzelprojekte investieren. Das Ziel: Entwicklung eines Marktes für 250.000 Elektrofahrzeuge bis 2020.

Leuchtturm Dortmund

Ausgerechnet das bevölkerungsreichste Bundesland ging bei dem Wettbewerb Schaufenster Elektromobilität leer aus. Der damals amtierende Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Harry K. Voigtsberger (SPD), reagierte verschnupft: Die Bundesregierung habe sich bei ihrer Entscheidung nicht nur von ernsthaften inhaltlichen Argumenten leiten lassen, sondern auch von der Interessenlage der deutschen Automobilhersteller.
Ein Trostpflaster immerhin: Das Dortmunder Forschungsprojekt metropol-E wurde Ende Juni vom Bund als „Leuchtturm der Elektromobilität“ ausgewählt. In dem vom Bundesverkehrsministerium geförderten Vorhaben werden kommunale E-Mobilitätskonzepte entwickelt und in der Metropolregion Ruhr getestet. #bild2 Die E-Fahrzeug-Flotte der Stadt Dortmund, aber auch Pedelecs, sollen mit innovativen Anwendungen verknüpft werden. Beispiele sind Schnellladetechniken sowie nutzerfreundliche Buchungs­methoden für rein elektrische Pool-Fahrzeuge der Stadt. Den dafür nötigen Strom sollen erneuerbare Quellen liefern. Zum CO2-freien Aufladen der Fahrzeugflotte sollen erstmalig intelligente Photovoltaik­anlagen sowie Mikrowindturbinen eingesetzt werden. Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) sagte: „Mit dem E-Mobility-Projekt metropol-E streben wir für Dortmund an, dass unsere Erfahrungen mit elektromobilen Dienstfahrzeugen Schule machen und dabei eine zukunftsweisende, klimafreundliche Mobilität in deutschen Kommunen vorantreiben werden.“

Alexander Schaeff




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Elektromobilität
Personen vor einer Schnellladesäule in Düsseldorf

Düsseldorf: Superschnell laden

[18.10.2024] Im Rahmen des Projekts Multi-Mo-DUS sollen in Düsseldorf bis 2026 insgesamt 18 Mobilitätsstationen mit superschnellen Ladesäulen erreichtet werden. Die erste wurde jetzt in Betrieb genommen. mehr...

Grafik zum Speicherpotenzial bidirektional-fähiger E-Autos

E.ON: Speicherpotenzial von E-Autos nutzen

[15.10.2024] Eine Schwarmbatterie aus Elektroautos, die vorbereitet sind für das bidirektionale Laden, könnte rechnerisch die Stromproduktion von mehreren Gaskraftwerken ersetzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Potenzialanalyse von E.ON Deutschland. mehr...

Elektrobus der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm.

Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU): 46 neue Elektrobusse bis 2027

[15.10.2024] Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) beschaffen bis zum Jahr 2027 46 neue Elektrobusse. Über die Hälfte ihrer Stadtbusse werden dann emissionsfrei betrieben. Die neuen Fahrzeuge sollen bis zum Inkrafttreten des neuen Nahverkehrsplans der SWU vollständig in Betrieb sein und unter anderem bessere Taktungen ermöglichen. mehr...

Das Bild zeigt einen Schnelllader in der Tiefgarage eines REWE-Markts.

Mainova: Laden bei REWE

[08.10.2024] Mainova und REWE haben ihr gemeinsames Schnellladenetz für Elektroautos in Frankfurt am Main erweitert. Im August wurden zehn neue Ladepunkte an mehreren REWE-Standorten in Betrieb genommen. mehr...

Elektromobilität auf dem Land: Wegen Sprakebülls klimafreundlicher Mobilität wurde die Gemeinde Klimakommune des Monats.

Sprakebüll: E-Autos in Nordfriesland

[27.09.2024] Die AEE zeichnet im September 2024 Sprakebüll als Energie-Kommune des Monats aus. Grund ist die klimafreundliche Mobilität der nordfriesischen Gemeinde. mehr...

Bei Ultraschnelllader (HPC) verzeichnet der BDEW-Elektromobilitätsmonitor ein besonders starkes Wachstum.

BDEW-Elektromobilitätsmonitor: Lade-Infrastruktur wächst

[24.09.2024] Die Lade-Infrastruktur in Deutschland wächst weiter stark: Im ersten Halbjahr 2024 wurden über 16.000 neue öffentliche Ladepunkte installiert. Gleichzeitig ist die Auslastung der Ladepunkte mit durchschnittlich 14,5 Prozent nach wie vor gering. mehr...

Bremen: Strategie für Lade-Infrastruktur

[06.09.2024] Der Bremer Senat hat jetzt eine Strategie für den Ausbau der Lade-Infrastruktur im öffentlichen Raum beschlossen. Ziel ist es, E-Autos in allen Stadtteilen sozial gerecht mit Ladestationen zu versorgen. Ein entscheidendes Konzept ist die Definition von Suchräumen für Ladepunkte. mehr...

Ein neues Pilotprojekt in Kassel untersucht die Nutzung von bidirektionalem Laden im Kontext der Energie- und Mobilitätswende.

Kassel: Pilotprojekt zum bidirektionalen Laden

[28.08.2024] Ein neues Pilotprojekt in Kassel untersucht die Nutzung von bidirektionalem Laden im Kontext der Energie- und Mobilitätswende. Es soll zeigen, wie Elektrofahrzeuge nicht nur Strom laden, sondern auch ins Netz zurückspeisen können, um Netzstabilität zu fördern und Kosten zu senken. mehr...

Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (2.v.l.) nimmt einen Ladepunkt an einer Straßenlaterne in Betrieb.

Braunschweig: Laden an Laternen

[07.08.2024] An 17 Straßenlaternen in Braunschweig können künftig Elektroautos aufgeladen werden. Das Pilotprojekt bietet Bürgern ohne eigenen Stellplatz eine neue Lademöglichkeit. mehr...

Bonn: 400. öffentlicher Ladepunkt in Betrieb

[05.08.2024] SWB Energie und Wasser hat in Bonn den 400. öffentlichen Ladepunkt in Betrieb genommen. Die neue Ladestation in Bonn-Plittersdorf entstand auf Wunsch der Anwohner und markiert einen bedeutenden Fortschritt im Ausbau des öffentlichen Ladenetzes. mehr...

Verkehrsunternehmen in Suhl

Thüringen: Förderung emissionsfreier Busse

[02.08.2024] In Thüringen werden in den kommenden Jahren rund 48 emissionsfreie Busse im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt. Das Energieministerium fördert diese Initiative mit Landes- und EU-Mitteln. mehr...

Frankfurt am Main: Weiterer Ausbau der Lade-Infrastruktur

[23.07.2024] Am Stadion am Brentanobad in Frankfurt am Main wurden kürzlich acht neue Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in Betrieb genommen. Diese Maßnahme ist Teil der Bemühungen von Mainova und der Stadt, die Lade-Infrastruktur im Stadtgebiet zu verbessern und die Elektromobilität zu fördern. mehr...

Die Stadt Frankfurt am Main setzt den Ausbau seiner E-Lade-Infrastruktur weiter fort.

Frankfurt am Main: Bedarfsanalyse veröffentlicht

[17.07.2024] Das Mobilitätsdezernat Frankfurt am Main hat eine umfassende Bedarfsanalyse zur E-Lade-Infrastruktur im öffentlichen Raum veröffentlicht. Demnach ist eine flächendeckende Versorgung nur durch Kooperationen mit Arbeitgebern und Wohnungsunternehmen möglich. mehr...

SWU-Geschäftsführer Klaus Eder (ganz rechts)

Ulm: E-Busse bald im Testbetrieb

[12.07.2024] Die Stadtwerke Ulm starten demnächst den Testbetrieb der ersten beiden von insgesamt 14 neuen Elektrobussen. Mit dieser Maßnahme wollen die Stadtwerke den Umweltschutz fördern und die Effizienz im öffentlichen Nahverkehr steigern. mehr...

Eröffnung des MVV eLadeparks Columbus in Mannheim.

Mannheim: E-Ladepark eröffnet

[11.07.2024] Im Stadtquartier FRANKLIN in Mannheim hat MVV Energie jetzt den modernen eLadepark Columbus eröffnet, der zwölf Schnellladepunkte für Elektrofahrzeuge bietet. Damit will MVV ein weiteres Zeichen für die nachhaltige Mobilität und die Dekarbonisierung des Verkehrs setzen. mehr...