Schwäbisch HallVolle Flexibilität
Die Stadtwerke Schwäbisch Hall zählen zu den Vorreitern der Energiewende. Bis zum Jahr 2030 – so der ursprüngliche Plan des Versorgers – sollten 100 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbarer Energie gedeckt werden. In der Wärmeversorgung setzt das Jahr 2035 diese Zielmarke. Den ersten Meilenstein erreichte das Unternehmen jedoch lange vor der Zeit. Schon Ende 2018 konnte es eine zu 100 Prozent grüne Stromversorgung vermelden. In der Wärmeversorgung ist die Aufgabe komplexer, doch man befindet sich auf Kurs: Bis 2030 sollen erneuerbare Energien über 400 Gigawattstunden (GWh) Wärme bereitstellen. Den verbleibenden Bedarf von 110 GWh würde zunächst weiterhin fossile Nahwärme, etwa aus Erdgas, decken.
Emissionen senken mit KWK
Dabei setzen die Stadtwerke maßgeblich auf ihr Wärmeverbundnetz und das Konzept der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). „Für Schwäbisch Hall war der frühzeitige Aufbau eines Wärmenetzes ein Glücksfall“, sagt Fabian Andrews, Abteilungsleiter Kraftwerke und Wärmeverteilung der Stadtwerke. „Mittlerweile erzeugen rund 60 KWK-Anlagen flexibel Strom und Wärme aus Erdgas, Biomethan oder Biogas.“ Für Andrews ist KWK eine wichtige Brückentechnologie hin zu einer vollständig grünen Wärmeversorgung. Denn effiziente KWK-Anlagen senken schon heute Emissionen und bieten volle Versorgungssicherheit. Gleichzeitig können die Stadtwerke den Anteil erneuerbarer Energien am Wärmemix stetig steigern.
Eines dieser Kraftwerke steht in der Alfred-Leikam-Straße in Schwäbisch Hall und versorgt bereits seit 1997 Wohn- und Gewerbegebiete mit Strom und Wärme. Ursprünglich bestand es aus zwei circa drei Megawatt (MW) starken Gasmotoren. Ein Modul wurde im Jahr 2018 durch einen leistungsfähigeren 12V35/44G TS Gasmotor von MAN Energy Solutions ersetzt. Dieser steigerte mit seinen 7,5 MW Leistung nicht nur die Gesamtkapazität des Kraftwerks, sondern erhöhte zugleich den Wirkungsgrad von 39 auf 47 Prozent. Im Gesamtwirkungsgrad erreicht das Kraftwerk damit eine Brennstoffausnutzung von bis zu 90 Prozent.
Durch die bessere Kraftstoffausnutzung sparen die Stadtwerke jährlich 11,1 Millionen Kilowattstunden (kWh) Erdgas und konnten die CO2-Emissionen um 2.238 Tonnen senken. „Auch profitieren wir von der Flexibilität des MAN-Motors. Er kann in nur drei Minuten Volllast erreichen und ist somit ideal geeignet, um Netzschwankungen auszugleichen“, berichtet Andrews. Das Kraftwerk läuft rund 4.000 Stunden im Jahr und kann aufgrund des vorhandenen Fernwärmespeichers auch vom Wärmenetz entkoppelt und zeitlich begrenzt nur zur Stromerzeugung genutzt werden. So können die Stadtwerke die Flexibilität des Motors optimal nutzen und auch auf kurzfristige Preissignale am Strommarkt reagieren.
Erfolg macht Schule
Bis 2022 soll auch der zweite Altmotor einem modernen Gasaggregat weichen. „Da wir unser Wärmeverbundnetz immer weiter ausbauen, müssen wir natürlich auch unsere Erzeugungsleistung stetig erhöhen“, erklärt Andrews. „Wir haben uns wieder für den gleichen MAN-Motor entscheiden, da wir mit dem ersten Aggregat sehr positive Erfahrungen gemacht und viel gelernt haben. Das erleichtert die kommende Inbetriebnahme.“ Das neue Aggregat wird die Leistung des Anlagenteils Alfred-Leikam-Straße auf insgesamt 15 MW Wärmeleistung erhöhen.
Bei der Erstinstallation waren einige Herausforderungen zu lösen. Die neuen Motoren sind deutlich größer als die Bestandsaggregate. Bei der Installation musste der erste Motor daher in ein Kraftwerksgebäude eingepasst werden, das für kleinere Motoren ausgelegt war. Die Gebäudeöffnung war zu vergrößern, die Fassade wurde nach vorne gezogen und die Gebäudefundamente vertieft. Bei der folgenden Einbringung des Motors, des zweistufigen Turboladermoduls und des Generators war schließlich Präzisionsarbeit gefragt. Teilweise blieben nur wenige Zentimeter Raum, um die Bauteile mit einem Gesamtgewicht von deutlich über 100 Tonnen in das Gebäude einzupassen. Diese Erfahrungen werden bei der weiteren Umrüstung helfen.
Zudem werden die Stadtwerke Schwäbisch Hall und MAN Energy Solutions von den umfangreichen Betriebserfahrungen profitieren, die sie in den vergangenen Jahren gemeinsam gesammelt haben. Denn MAN war nicht nur zuständig für die Installation des Erstmotors. MAN PrimeServ, die After-Sales-Marke des Unternehmens, sorgt seither auch für die Instandhaltung des Motors und wird dies ebenso für das zweite Modul tun. Der Wartungsvertrag hat eine Gesamtlaufzeit von zehn Jahren.
Bedeutung für die Energiewende
Für Fabian Andrews ist das Kraftwerk in der Alfred-Leikam-Straße ein Leuchtturmprojekt. „Die Kraftwerkstechnik erreicht bei geringerem Brennstoffeinsatz höhere Wirkungsgrade und die einzelnen Anlagen können schneller hochgefahren werden. Das ermöglicht uns, den Strom- und Wärmebedarf optimal zu steuern und gleichzeitig ein Maximum an erneuerbaren Energien in unseren Strom- und Wärmemix zu integrieren.“
Mit den rund 60 KWK-Anlagen im Versorgungsgebiet können die Stadtwerke Schwäbisch Hall auf ungeplante Schwankungen im Stromnetz reagieren, zum Beispiel bei unsicheren Wetterprognosen. Auch können die Anlagen bedarfsabhängig zu- und abgeschaltet werden. Diese Flexibilität ist notwendig, um einen stetig größer werdenden Anteil erneuerbarer Energien ins Wärmenetz zu integrieren. Zusätzliche Wärme- und Stromspeicher sowie Spitzenlastkessel, die bei erhöhtem Energiebedarf einspringen, steigern die Flexibilität weiter.
Kann zum Beispiel die Erzeugung aus erneuerbaren Energien den aktuellen Strombedarf im Netz decken, können Kunden vorübergehend mit Wärme aus den Wärmespeichern oder mit Wärme aus zugeschalteten Spitzenlastkesseln versorgt werden, ohne dass KWK-Anlagen zur Wärmeproduktion zugeschaltet werden müssen. Andererseits springen die KWK-Anlagen bei Versorgungsengpässen ein und die dabei erzeugte Wärme kann entweder direkt genutzt oder für später gespeichert werden. Erneuerbare Energien, KWK-Anlagen und Energiespeicher spielen in diesem System optimal zusammen. „Mit unseren 60 KWK-Anlagen treten wir den Beweis an, dass Kraft-Wärme-Kopplung mit Fernwärme langfristig wirtschaftlich ist. Die KWK-Technologie ist daher auf dem Weg zur Energie- und Wärmewende eine wichtige Übergangstechnologie“, sagt Andrews. Allerdings brauche es noch klare regulatorische Vorgaben. „Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) und die darin definierten CO2-Abgaben sind ein erster Schritt. Doch aktuell benachteiligt es hocheffiziente KWK-Anlagen, da diese für den gesamten Erdgasverbrauch die Zertifikate entwerten müssen und das betrifft auch die Stromerzeugung. Es müssen Ausgleichsmöglichkeiten für diese zusätzlichen Kosten geschaffen werden, um die Wirtschaftlichkeit der KWK-Technologie zu steigern.“
https://www.man-es.com
Dieser Beitrag ist im Spezial der Ausgabe März/April 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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