PumpspeicherStarkes Leistungsplus aus Forbach
Das Rudolf-Fettweis-Werk (RFW) in Forbach im Schwarzwald steht für über 100 Jahre zuverlässige Stromerzeugung. Nun soll das Wasserkraftwerk, das in den Jahren 1914 bis 1918 und 1922 bis 1926 gebaut wurde, modernisiert werden. Und nicht nur das: Das Unternehmen EnBW Energie Baden-Württemberg wird den bestehenden Kraftwerksstandort in den kommenden Jahren zu einem leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerk ausbauen, das noch besser zum Gelingen der Energiewende beitragen wird.
„Die Energiewende stellt ganz neue Anforderungen an die Stromerzeugung“, erklärt Michael Class, Leiter Erzeugung Portfolioentwicklung. „Mit Wind und Sonne können wir zwar große Mengen Strom erzeugen. Sie sind jedoch vielfach abhängig von Witterung und Tageszeit. Damit die Energiewende gelingt, brauchen wir zusätzlich disponible Leistung und Speicher, die Strom bedarfsgerecht auf Abruf schnell und flexibel zur Verfügung stellen und einen stabilen Netzbetrieb gewährleisten.“
Hier kommen Pumpspeicher ins Spiel. Sie sind derzeit die einzigen langjährig erprobten, großtechnischen und verfügbaren Stromspeicher. Da sie flexibel und bedarfsgerecht Strom erzeugen und speichern können, sind sie eine ideale Ergänzung im Zusammenspiel mit anderen erneuerbaren Energien. Sie können die witterungs- und tageszeitabhängige Einspeisung aus Wind und Sonne ausgleichen und leisten einen wichtigen Beitrag für die Stabilität der Stromnetze – und damit für die Versorgungssicherheit in deutschen Haushalten und Unternehmen. Die Entscheidung für das Pumpspeicherkraftwerk in Forbach ist vor diesem Hintergrund ein sinnvoller und bedeutender Baustein in der Erzeugungsstrategie der EnBW, die klar auf einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien und Klimaneutralität im Jahr 2035 zielt.
Unterirdische Kavernen
Das Rudolf-Fettweis-Kraftwerk besteht aus insgesamt vier Einzelkraftwerken mit einer Gesamtleistung von derzeit 68 Megawatt (MW). Zwei davon, das Schwarzenbachwerk und das Murgwerk, sind Teil des Um- und Neubauprojekts. Sie verfügen heute über eine Leistung von 65 Megawatt – davon entfallen 43 Megawatt auf das Schwarzenbachwerk, 22 Megawatt auf das Murgwerk. Das Schwarzenbachwerk verfügt darüber hinaus über eine Leistung von 20 Megawatt im Pumpbetrieb. Dieser ist allerdings nur dann möglich, wenn durch natürlichen Zufluss der Murg ausreichend Wasser zur Verfügung steht.
Kernstück des neuen Pumpspeicherkraftwerks sind zwei Kavernen, die ins Innere des angrenzenden Bergs gebaut werden. In der Kraftwerkskaverne wird die Kraftwerkstechnik für die neuen Anlagen errichtet. Sie umfasst unter anderem eine rund 54 Megawatt starke Pumpturbine für das neue Schwarzenbachwerk und drei Francis-Turbinen mit insgesamt rund 23 Megawatt für das neue Murgwerk. Die zweite Kaverne besteht aus einem Stollensystem, das gemeinsam mit dem bestehenden Ausgleichsbecken in Forbach als Unterbecken für das neue Pumpspeicherkraftwerk dient.
Steigerung der Pumpleistung
Das Erzeugungskonzept des neuen Pumpspeicherkraftwerks (Schwarzenbachwerk) sieht vor, dass das über die Schwarzenbachtalsperre gesammelte Wasser zur neu gebauten Kraftwerkskaverne fließt. Durch deren neue Position im Inneren des Bergs strömt das Wasser fast senkrecht auf die Schwarzenbach-Pumpturbine. Die Turbinenleistung des Schwarzenbachwerks kann durch diese Anlagenkonzeption um mehr als zehn Megawatt von 43 auf 54 Megawatt, die Pumpleistung sogar um mehr als 35 Megawatt von 20 auf 57 Megawatt gesteigert werden.
Mit dem neuen Kavernenwasserspeicher steht zusammen mit dem bestehenden Ausgleichbecken in Forbach ein Speichervolumen von über 400.000 Kubikmeter zur Verfügung. Theoretisch können mit dieser Wassermenge circa acht Stunden Pumpbetrieb oder Turbinenbetrieb unter Vollast gefahren werden. „Da der Pumpspeicherbetrieb beim neuen Schwarzenbachwerk künftig unabhängig ist von den natürlichen Zuflüssen der Murg, haben wir selbst in langen Trockenperioden eine sichere und flexible Stromerzeugung zur Verfügung“, sagt Michael Class.
Bei Schwankungen im Stromnetz kann die neue Anlage ihre Schnelligkeit ausspielen. In weniger als einer Minute kann sie aus dem Stand auf die volle Leistung von 54 MW hochfahren. Auch bei einem kompletten Umschaltvorgang vom Pumpen ins Turbinieren oder umgekehrt punktet sie mit Schnelligkeit. Dies ist in weniger als zwei Minuten möglich.
Mehr Strom aus Wasserkraft
Das Um- und Neubauprojekt bringt außer der Pumpspeicherung einen weiteren Vorteil: Durch die neue Anlagentechnik des Murgwerks und des Schwarzenbachwerks steigt die Jahreserzeugung aus den natürlichen Zuflüssen von 100.000 auf 125.000 Megawattstunden (MWh). „Über 20.000 MWh mehr Energieertrag pro Jahr – das unterstreicht die herausragende Effizienz unseres neuen Standorts und bestätigt die Notwendigkeit des Projekts in der heutigen Phase der Energiewende“, sagt Michael Class.
Durch die Verlagerung von Kraftwerk und Speicher in Kavernen wird das neue Kraftwerk nach seiner Fertigstellung vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die Menschen und die Umgebung in Forbach haben. Da das Maschinenhaus künftig nicht mehr außerhalb, sondern in der Kraftwerkskaverne im Inneren des Bergs untergebracht sein wird, verändert sich das Bild der Umgebung kaum. Darüber hinaus wird es in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bestandsanlage künftig ruhiger sein als heute, da die Geräusche der Anlage durch den Berg gedämmt sind. „Von der neuen Anlage werden nach Abschluss der Bauarbeiten lediglich einige Stollenportale von außen zu sehen sein“, so Class.
Baustart: Herbst 2023
Die Gesamtkosten für das Großprojekt belaufen sich auf rund 280 Millionen Euro. Baustart ist frühestens im Herbst 2023. Läuft alles nach Plan, soll der Um- und Neubau bis Ende 2027 abgeschlossen sein. Die Menschen in und um Forbach sollen dabei stets eingebunden und über den jeweiligen Stand informiert werden. Eine erste Veranstaltung zum Bürgerdialog fand bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens statt. Eine weitere zum Baustart ist in Vorbereitung.
Das Schwarzenbachwerk war seinerzeit eines der ersten Kraftwerke Europas, das in großtechnischem Maßstab Energie für die Stromerzeugung speichern konnte. Die Bauarbeiten für den Kraftwerkskomplex an der Schwarzenbachtalsperre leitete Rudolf Fettweis. Inzwischen erzeugt das nach ihm benannte Kraftwerk seit mehr als 100 Jahren zuverlässig Strom. Nach dem Um- und Ausbau zum Pumpspeicherkraftwerk wird es auch in den kommenden Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zur sicheren Energieversorgung leisten.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September/Oktober 2023 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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