Smart Meter Roll-outStadtwerke in den Startlöchern
Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende ist im September 2016 in Kraft getreten. Als wesentliche Änderung ist ein neues Messstellenbetriebsgesetz eingeführt worden, das einen flächendeckenden Austausch der aktuellen Zählerlandschaft nach sich zieht.Hierbei werden alle mechanischen Zähler (Ferraris-Zähler) durch moderne und intelligente Messeinrichtungen ersetzt.
Kunden, deren Verbrauch unter 6.000 Kilowattstunden (kWh) liegt – also die meisten Privatkunden – erhalten eine moderne Messeinrichtung (mME). Dieser digitale Stromzähler misst den Stromverbrauch und wird genau wie ein mechanischer Stromzähler vor Ort abgelesen. Der Messstellenbetreiber muss jedoch dafür sorgen, dass der Anschlussnutzer die Informationen über den tatsächlichen Energieverbrauch sowie tages-, wochen-, monats- und jahresbezogene Energieverbrauchswerte jeweils für die letzten 24 Monate im Gerät einsehen kann.
Aktueller Status in Flensburg
Großkunden mit einem Verbrauch von über 6.000 kWh sollen mit intelligenten Messsystemen (iMSys) ausgerüstet werden. Die Messwerte können hier auf eine Viertelstunde genau abgerufen werden. Die intelligenten Messsysteme werden dadurch intelligent, dass moderne Messeinrichtungen an ein Smart Meter Gateway (SMGW) angeschlossen werden, das Zugriffsrechte verwaltet, Messwerte verarbeitet und automatisch zum Messstellenbetreiber überträgt. Das Smart Meter Gateway sorgt dafür, dass alle Kommunikationsverbindungen verschlüsselt werden. Nur bekannte Teilnehmer und Geräte haben Zugang zu den sensiblen Daten.
Bereits frühzeitig haben sich die Stadtwerke Flensburg als grundzuständiger Netzbetreiber bei der Bundesnetzagentur angemeldet. Nur durch diesen Schritt kann sichergestellt werden, dass die Stadtwerke auch zukünftig in ihrem eigenen Netzgebiet als kompetenter Ansprechpartner angesehen werden.
Markterklärung im vierten Quartal erwartet
Seit dem 1. September 2018 verbaut das Versorgungsunternehmen moderne Messeinrichtungen bei den Kunden. Rund 4.000 wurden innerhalb eines Jahres installiert. Insgesamt müssen knapp 68.000 moderne Messeinrichtungen im Flensburger Netzgebiet verbaut werden. Bei den intelligenten Messsystemen wartet die gesamte energiewirtschaftliche Branche noch auf das grüne Licht aus dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Erst wenn drei Anbieter ihre Smart Meter Gateways zertifiziert haben, erfolgt die Markterklärung durch das BSI und der Roll-out wird starten. Derzeit wird erwartet, dass die Markterklärung im vierten Quartal 2019 erfolgt, sodass der Roll-out in großen Stückzahlen frühestens 2020 starten könnte. Insgesamt müssen im Flensburger Netzgebiet rund 5.000 intelligente Messsysteme verbaut werden.
Im September 2017 haben sich die Stadtwerke Flensburg bereits erfolgreich als Smart-Meter-Gateway-Administrator zertifizieren lassen. Hierbei waren besondere Vorkehrungen im Bereich Informationssicherheit zu leisten. Im Rahmen des Verfahrens wurde vom Zertifizierer die einfache und praktikable Umsetzung der Richtlinien und Vorgaben gelohnt, was vor allem dadurch entstanden ist, dass auf eine externe Beratung verzichtet wurde.
Software für SMGW
Die Software zur Administration der SMGW wird von der Firma Görlitz in einer an die Marktbedingungen angepassten Geschwindigkeit umgesetzt, sodass die Software zum Start des Roll-outs fertiggestellt ist. Es ist vorgesehen, dass die Software im hauseigenen Rechenzentrum mit eigenen Hardware-Security-Modulen (HSM) betrieben wird, auf denen die kryptografischen Schlüssel sicher verwahrt werden.
Das Abrechnungssystem im eigenen SAP-ISU-Template ist bereits für moderne Messsysteme umgestellt worden. Die Anbindung an die Software zur Administration der SMGW soll über einen Adapter für das SAP-Add-on IM4G (Intelligent Metering for German Energy Utilities) vorgenommen werden.
Ein wichtiges Ziel ist die Mehrspartennutzung. Die Stadtwerke Flensburg verfolgen die Strategie, auch vorhandene Fernwärme- und Wasserzähler an das SMGW anzuschließen, sobald in einem Haus ein solches Gateway verbaut ist. Neben dem Vorteil der eingesparten Ablesekosten erhoffen sich die Stadtwerke einen gewissen Investitionsschutz bei der Mehrspartenauslesung, da auch der Stromzähler dauerhaft über das vorhandene Gateway angeschlossen werden muss. Des Weiteren werden Chancen auf Mehrwertdienstleistungen erwartet, wie beispielsweise die Leckortung im Fernwärme- oder Wassernetz.
Lastvariabler Tarif
Im Vertriebsbereich existieren bereits seit längerer Zeit Ideen zu einem lastvariablen Tarif. Ein solcher Tarif kann erst mit intelligenten Messsystemen umgesetzt werden, welche die Verbräuche entsprechend clustern und abrechenbar machen. Hierfür ist eine Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) notwendig, da beim Endkunden keine Bereitschaft für permanente Steuerungsaufgaben erkennbar ist. Für eine variable Stromversorgung sind Stromverbraucher wie Licht, Kochen oder Fernsehen gänzlich ungeeignet, während Heizungen mit Pufferfunktion, die E-Fahrzeugladung mit definierten Parametern oder Gefrierschränke mit definiertem Temperaturbereich aussichtsreich erscheinen.
Um für die Stromkunden einen wirtschaftlichen Anreiz setzen zu können, müssen hierfür die Strompreise eine Spreizung von mindestens 10 bis 15 Cent/kWh aufweisen. Da die Großhandelspreise für Strom jedoch nur um rund 2 bis 5 Cent/kWh schwanken, ist eine Flexibilisierung der derzeit festen Umlagen notwendig (etwa EEG-Umlage, Netzentgelte, Stromsteuer). Sobald die EEG-Umlage beispielsweise nicht mehr 6 Cent/kWh, sondern 120 Prozent auf den Großhandelspreis beträgt, würde sich die Stromnachfrage deutlich flexibilisieren, was ein wesentliches Ziel des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende darstellt.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November/Dezember 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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