RheinEnergieStadtwerke besitzen einen wichtigen Schlüssel
Herr Dr. Cerbe, was bedeutet die Umsetzung der Energiewende für eine Großstadt wie Köln?
Energiewende – das klingt so weit weg, ist unpersönlich. Wenn sie aber am eigenen Ort, im Stadtviertel, in der eigenen Wohnstraße sichtbar wird, dann entstehen oft Betroffenheiten, die man nicht unterschätzen darf. Wir haben das sehr eindringlich beim geplanten Bau unseres Energiewende-Kraftwerks Niehl 3 in Köln erlebt. Das Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk wird zwar noch akzeptiert, der dafür nötige Netzanschluss aber schon weniger. Obwohl wir Teile des Netzanschlusses als Kabel ausführen wollten, gab es heftigen Protest der Anwohner längs der Trasse. So positiv unser Kraftwerksbaubeschluss aufgenommen wurde, so besorgt zeigten sich die Anwohner längs des geplanten Kabels und der notwendigen Freileitung wegen der Auswirkungen. Hinzu kommt, dass unsere Kunden eine nahezu 100-prozentige Versorgungssicherheit gewohnt sind. Diese will kein Kunde durch die Energiewende gefährdet sehen. Großstädte wie Köln sind in dieser Frage ganz besonders sensibel. Wenn in einem Stadtteil von Köln nachts der Strom ausfällt, sind schnell bis zu 100.000 Menschen betroffen.
Wie sind Sie dem Bürgerunwillen begegnet?
Wir haben versucht, den Menschen im Dialog zu vermitteln, wie wichtig es ist, die Energie aus dem Kraftwerk ins System zu bringen. Zugleich sind wir den Wünschen der Anwohner soweit wie möglich entgegengekommen: Die Trasse für das Erdkabel wird gebaut – allerdings haben wir uns für eine gangbare, technisch und wirtschaftlich vertretbare Alternative zur stark umstrittenen Ursprungstrasse entschieden. Die neue Trasse liegt etwas weiter weg von der Wohnbebauung. Dadurch konnten Belastungen durch Baumaßnahmen oder magnetische Felder reduziert werden.
Wie nehmen Sie die Auswirkungen der Energiewende – auch im Kontakt mit den Kunden – wahr?
Die Energiewende bedeutet einen tiefgreifenden Umbau der Energiewirtschaft. Das bereitet den Menschen Sorge. Veränderungen sind ja nie einfach, aber es gibt wahrnehmbare Ängste vor Versorgungsengpässen oder Ausfällen. Wir spüren bei unseren Kunden auch einen Veränderungsdruck auf gleich zwei Ebenen: Zum einen wird erwartet, dass wir als Lösungsanbieter für die immer komplexer werdende Energieversorgung etwas tun. Anderseits wollen die Kunden selbst etwas zur Lösungsfindung beitragen, sei es durch Beteiligung am Bau von neuen Anlagen für erneuerbare Energie oder durch Anschaffung eines eigenen Heizkraftwerks im Keller wie etwa ein Klein-BHKW.
„Wir müssen die Fähigkeit haben, komplexer werdende Netze zuverlässig zu managen.“
Welche Auswirkungen hat das auf die RheinEnergie als lokales Versorgungsunternehmen?
Die Versorgungswirtschaft, wie wir sie über Jahrzehnte hinweg kannten, wandelt sich. Die festgefügten Stufen Erzeugung – Verteilung – Anwendung weichen einer steigenden Komplexität, einstmals klare Grenzen verschwimmen: Energieerzeugung wird dezentraler, volatiler und erheblich kleinteiliger. Elektromobilität entwickelt sich, Kunden sind keine Abnehmer mehr, sie werden immer mehr zum Selbstversorger und Einspeiser. Zudem gibt es Erwartungen an Smart-Home-Systeme ebenso wie an die Steigerung der Energieeffizienz. Das alles läuft zusammen in der Netzinfrastruktur, für die ganz neue Anforderungen gelten: Sie muss bidirektional werden, zudem verlangt die Steuerung intelligenter Netze nach ganz anderen Abläufen und Prozessen. Das zentrale Management von Informationen und Steuerungen muss verändert werden.
Was bedeutet das nun speziell für Ballungsräume?
Der Umbau der Infrastruktur stellt in urbanen Ballungsräumen immer eine Herausforderung dar: Mobilität und Änderungen in der Netzinfrastruktur müssen unter einen Hut gebracht werden. Sie können wichtige Straßen und Plätze einer Metropole beispielsweise nicht dauerhaft mit Baustellen belegen. Das klingt vergleichsweise trivial, stellt für ein städtisches Verkehrs- und Baustellen-Management aber eine diffizile Aufgabe dar. Klar ist aber auch, wir müssen unsere Versorgungssysteme leistungs- und zukunftsfähig machen.
Und es gibt Nachholbedarf beim Ausbau dieser Netze?
Ja, über den Ausbau der Transportnetze wird derzeit öffentlich viel gesprochen. Die Verteilnetze stehen hingegen kaum im Fokus. Diese Gewichtung bedarf der Korrektur, denn mit dem Ausbau der Verteilnetze steht und fällt die Energiewende. Ebenso wie wir einen Masterplan für die Transportnetze benötigen, brauchen wir ein klares Konzept für den Umbau der Verteilnetze. Wir brauchen einen breiten politischen Konsens, dass die Energiewende nicht vor den Verteilnetzen Halt machen darf. Die Kosten für den Umbau der Netze und eine zusätzliche Absicherung der Versorgungssicherheit müssen genauso politisch mitgetragen werden wie eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals in regulierten Bereichen, wie den Strom- und Gasnetzen.
#bild2 Was heißt das für die kommunalen Versorger als Verteilnetzbetreiber?
Den Stadtwerken kommt eine Schlüsselrolle zu: Wir müssen imstande sein, Massendaten schnell zu erfassen, zu verarbeiten und dem Kunden zurückzuspielen. Und wir müssen die Fähigkeit haben, komplexer werdende Netze zuverlässig zu managen. Dazu ist es nötig, die Netzlasten besser zu steuern. Durch die Nähe zum Kunden besitzen die Stadtwerke auch hier einen wichtigen Schlüssel. Wir werden Kunden künftig neue Lösungen in den Bereichen Energiedienstleistung und Contracting, Smart Home, Elektromobilität und Energieeffizienz anbieten.
Das wird nicht jedes Stadtwerk leisten können.
Es kann natürlich sein, dass kleinere Unternehmen an Leistungsgrenzen kommen. Aber sie können mit anderen kooperieren. Wenn dann unterschiedliche Kernkompetenzen zusammenkommen, kann das für die Kunden nur nützlich sein. Gerade bei Infrastrukturprojekten sollte man nicht nur eigene Wege erproben, sondern auch von den Erfahrungen Dritter profitieren. Das dient allen: den Kunden, den Unternehmen – und auch dem Vorhaben Energiewende.
Dieses Interview ist in der Oktober-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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