Projekt-ManagementSprints zum Ziel
Weg von starren Prozessen hin zu flexiblen Projekten: Für immer mehr Unternehmen ist agiles Arbeiten inzwischen das Mittel der Wahl. Auch der IT-Dienstleister GISA nutzt die Vorteile des agilen Projekt-Managements zunehmend. Etwa die Hälfte der rund 3.000 Projekte und Vorhaben, die das Unternehmen aus Halle (Saale) jährlich managt, wird mit agilen oder hybriden Methoden umgesetzt.
Eines dieser Projekte ist EASy. Das Kürzel steht für die Portallösung „Eingabe- und Ausgabe-Tool mit flexibler Systemanbindung“, die beim Regionalversorger Envia Mitteldeutsche Energie (EnviaM) seit Kurzem eingesetzt wird. Mit dem Portal lassen sich umfangreiche Prozesse im Rechnungswesen managen – zum Beispiel nichtrechnungsgebundene Zahlungen, die im Verhältnis zu ihren oft geringen Beträgen für erheblichen Aufwand sorgen. „Angefangen hat alles mit einem Portal zur digitalen Auszahlung von verauslagten Kosten“, erinnert sich André Emmerlich, der sich bei EnviaM im Rechnungswesen um Prozesse, Systeme und Regelungen kümmert und das Projekt EASy seit Beginn mit betreut.
Word-Formular für internen Rechnungsprozess
Ausgangspunkt war die Überlegung, interne Rechnungsprozesse durch den Umstieg auf digitale Formulare zu optimieren. „Wenn einer unserer Monteure vor Ort schnell Hilfsmittel beschaffen muss, bekommt er im Baumarkt eine Quittung und muss diese natürlich einreichen, um sein Geld zurückzubekommen“, schildert Emmerlich einen Anwendungsfall. Noch vor wenigen Jahren habe der Mitarbeiter dafür ein Word-Formular ausfüllen müssen. Anschließend seien die Papiere ihren Weg durch das Unternehmen gegangen. „Nun verläuft der gesamte Prozess von Erfassung und Scan der Quittung über die Freigabe bis zur Auszahlung digital.“ Und: EASy ermöglicht es, alle Schritte wie die Erfassung von Zahlungsaufforderungen, Weiterberechnungsaufträgen, Kleinbestellungen, internen Bewirtungsaufträgen und Mittagsversorgungsanträgen in nur einer Intranet-Anwendung abzubilden.
Agiles Projekt-Management
Den Weg von der ersten Idee bis zur Nutzung des automatisierten Rechnungsworkflows hat EnviaM gemeinsam mit GISA beschritten. Von Beginn an setzten die Partner dabei auf agiles Projekt-Management. Die Entscheidung gegen ein klassisches Vorgehen lag insbesondere darin begründet, dass zwar eine Idee bestand, die genauen Anforderungen an das fertige Produkt aber noch unklar waren. Als besonders geeignet für diese Ausgangslage erwies sich das iterative, schrittweise Vorgehen.
Das bedeutet, dass das agile Projekt zunächst in zeitliche Etappen (Iterationen) unterteilt wird, an deren Ende jeweils ein Produkt-Inkrement steht. Dieses Zwischenprodukt stimmen Dienstleister und Auftraggeber ab und geben ein Feedback, auf dessen Grundlage die weitere Arbeit erfolgt. Auf diese Weise kann das Produkt während der Projektlaufzeit bei Bedarf mehrmals angepasst werden. Für den Auftraggeber an dieser Stelle entscheidend: Beim agilen Vorgehen werden im Vorfeld Zeit, Aufwand und Kostenrahmen genau festgelegt, der Leistungsumfang hingegen ist variabel.
User Story statt Pflichtenheft
Bei EASy begann die Arbeit des Projektteams konkret mit dem Formulieren von Anforderungen an die Software – und zwar nicht wie gewohnt in einem Pflichtenheft, sondern im Rahmen von User Stories in einem Wiki. Des Weiteren wurde mithilfe einer Prototypen-Software ein klickbarer Dummy erstellt, sodass einerseits der Kunde geplante Funktionalitäten sowie das Look & Feel beurteilen und andererseits die Entwickler die Aufwände abschätzen konnten. „In der Folge haben wir fragmentarische Projektabschnitte für die Entwickler ausgearbeitet“, erklärt Carolin Arps von GISA, die für den Kunden EnviaM alle Projekte rund um EASy und seine Vorläufer begleitet hat und nunmehr leitet.
Die Entwickler programmieren das System seit Projektbeginn in jeweils 14-tägigen Sprints. In regelmäßigen Review-Terminen stellen sie ihren Arbeitsstand vor. Das beinhaltet, dass neue Funktionen einer genauen Analyse unterzogen und gegebenenfalls ergänzende Anforderungen definiert werden. „Mit diesem Verfahren sind wir als Kunde in jeder Entwicklungsphase sehr nah an den Entwicklern dran“, betont André Emmerlich. Das erfordere zwar viel Kommunikation, ermögliche aber rechtzeitiges Nachjustieren – etwa wenn Funktionen nicht exakt zu den Unternehmensabläufen passen. Laut Emmerlich kann es speziell in der Frühphase von Projekten auch längere Zeiträume geben, in denen keine sichtbaren Veränderungen im entstehenden System präsentiert werden können, da zunächst die Architektur und das Software-Fundament errichtet werden müssen.
Vertrauen als Erfolgsfaktor
Die Erfahrungen aber zeigen: Bereits nach wenigen Sprints zeichnet sich das Produkt mit seinen einzelnen Funktionen immer besser ab. Solchen Entwicklungen den nötigen Freiraum zu gewähren, erfordert von den Projektpartnern Vertrauen. „Das ist die wichtigste Grundlage für agiles Vorgehen“, unterstreicht Carolin Arps von GISA. Im Falle von EASy, das aus einem Erweiterungsprojekt heraus entstanden ist, ist dieses Vertrauen über Jahre stetig gewachsen. Als weiteren Erfolgsfaktor wertet Arps den Umstand, dass Betrieb und Projekt von Anfang an stets eng zusammengearbeitet haben. Positiv auf den Projektverlauf habe sich zudem ausgewirkt, dass während der gesamten Zeit die beteiligten Fachpersonen abrufbereit waren und je nach Bedarf hinzugezogen werden konnten.
Unter diesen Rahmenbedingungen konnte das Projekt entgegen der ursprünglichen Planung vorfristig fertiggestellt werden, sodass die verbleibenden Projekttage für die Entwicklung weiterer Funktionen zur Verfügung standen. „Der Kunde hat so letztendlich mehr für sein Geld bekommen“, resümiert Arps.
Mehr fürs Geld
Im Ergebnis steht ein Eingabe- und Ausgabe-Tool, mit dessen Hilfe die täglich im Rechnungswesen anfallenden Prozesse sofort im SAP-Buchhaltungssystem abgebildet und organisiert werden können. Eine Funktion von EASy ist beispielsweise die automatische Buchung von Rechnungen. „Diese fliegen geradezu durch das System“, beschreibt Emmerlich von EnviaM das Resultat. Dabei ist festzuhalten, dass alle Vorgänge revisionssicher sind und Schritt für Schritt geloggt werden. Alle mitbestimmungspflichtigen Aspekte hatte der Betriebsrat bereits in der Entwicklungsphase genau im Blick. Inzwischen sind jeden Monat tausende Vorgänge in EASy zu verzeichnen. Laut Emmerlich fällt das Feedback unter den rund 1.400 Nutzern im Unternehmen ausgesprochen positiv aus.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar/Februar 2020 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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