WindenergieSpannungsfeld Artenschutz
Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland bei 65 Prozent liegen. Sachsen-Anhalt will bis dahin die Erzeugung in allen Bereichen zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Ein wesentliches Standbein der Energiewende wird die Windenergie sein: 2017 lieferten die in Sachsen-Anhalt installierten Anlagen mit einer Leistung von knapp 5.000 Megawatt (MW) circa 33 Prozent der Bruttostromerzeugung des Landes. Eine Studie des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien hat, unter Berücksichtigung der bereits ausgewiesenen Flächen durch Neu- und Ersatzneubau, für die Windenergie ein Ausbaupotenzial auf über 7.000 MW ermittelt.
Mit dem Ausbau der Windenergie hat sich ein Spannungsfeld um die Auswirkungen der Anlagen auf heimische Tierarten aufgetan. Insbesondere der Vogelschlag rückte schon mit den ersten Windparks in den Fokus. Im Landesumweltamt Brandenburg wurde dazu eine zentrale Datei erfasster Schlagopfer geführt, die auf empirischer Basis darstellte, wie sich die Anlagen auf den Bestand von Vögeln und Fledermäusen auswirken.
Helgoländer Papier
Um Schlagopfer zu vermeiden, rückten aus fachlicher Sicht verbindliche Abstandsvorgaben zwischen konfliktträchtigen Habitaten oder Flugrouten und Windkraftanlagen ins Zentrum. Im Jahr 2007 veröffentlichte die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten erstmals Empfehlungen, welche Abstände Windkraftanlagen zu den Brutstätten gefährdeter Vögel haben sollten. Diese Arbeit ging als Helgoländer Papier in die Diskussionen, die Genehmigungsverfahren und auch in die Rechtsprechung ein und wurde im Jahr 2015 fortgeschrieben. Auf Grundlage dieser Diskussionen wurden in den Bundesländern schließlich Regelungen und Empfehlungen etabliert, um die Auswirkungen von Windenergieanlagen durch einheitliche Beurteilungsmaßstäbe bewerten zu können und die Genehmigungsverfahren entsprechend zu beeinflussen.
Artenschutz und Windenergie – das passt zusammen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Das Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt hat deshalb Ende November 2018 den Leitfaden Artenschutz an Windenergieanlagen vorgestellt. Ziel ist es, Tierverluste an den Anlagen zu verringern und den Artenschutz sowie die Rechtssicherheit für die Windenergiebetreiber zu verbessern. Der Leitfaden legt einen einheitlichen Rahmen für Untersuchungen im Vorfeld der Genehmigungserteilung von Windenergieanlagen in Sachsen-Anhalt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen fest. Für die durch Windenergieanlagen gefährdeten Vogel-
und Fledermausarten gibt er Empfehlungen zu Prüfradien und Erfassungsmethoden.
Verbände einbezogen
Entwickelt wurde der Leitfaden im Rahmen zweier umfangreicher Beteiligungs- und Erörterungsrunden mit Naturschutz- und Windenergieverbänden. Dabei wurden die Spannungsfelder von beiden Seiten offen diskutiert, um aus beiderlei Sicht fachlich verantwortungsvolle Lösungen zu entwickeln. Nicht nur die fortfolgende Rechtsprechung beeinflusste diesen Prozess. Es wurden auch wichtige Grundlagenarbeiten zur Problematik einbezogen. Besonders hervorzuheben ist hier etwa die 2016 publizierte PROGRESS-Studie, die sich mit den Kollisionsraten sowie der Prognose der Kollisionsrisiken für Vögel an Windenergieanlagen befasst. Auch die Ergebnisse einer Studie des Bundesamts für Naturschutz zu den Wanderrouten von Fledermäusen, vorgelegt im Jahr 2017, lieferte wichtige Erkenntnisse zu den Erfordernissen an die Datenerfassungen und Bewertungen im Rahmen von Planungs- und Genehmigungsverfahren der Windkraftanlagen.
Der Rotmilan
Besondere Verantwortung beim Artenschutz haben Deutschland und Sachsen-Anhalt gegenüber dem Rotmilan. In Deutschland brütet ungefähr die Hälfte dessen Weltbestands, in Sachsen-Anhalt sind es immerhin fast zehn Prozent. Der Leitfaden weist Flächen aus, in denen die Brutvorkommen des Greifvogels eine besonders hohe Dichte erreichen. Es handelt sich um seit vielen Jahrzehnten bekannte, traditionelle Vorkommensgebiete, für die spezifische Kartierungen die kontinuierliche, starke Präsenz von Rotmilanen nachweisen. Die Vorkommensdichte spiegelt die besondere Qualität in Bezug auf Brut-, Nahrungs- und Rückzugshabitate für die Vogelart wider. Darin bereits befindliche Anlagen sollen mit Auslaufen der Betriebsgenehmigungen und im Zuge des Repowerings nach und nach aus den Gebieten herausgenommen werden.
Fledermäuse im Fokus
Erst in den vergangenen Jahren ist die Fledermausproblematik bei der Windenergienutzung stärker in den Fokus gerückt. Dazu beigetragen haben ein wesentlich besserer Kenntnisstand und vor allem die öffentliche Sensibilisierung für die Thematik. Traditionelle Flugrouten der Tiere lassen sich nicht verifizieren, so das Ergebnis jüngerer Untersuchungen. Stattdessen durchwandern Fledermäuse Deutschland in einem Breitfrontenzug. Bei der Beurteilung der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf ziehende Fledermäuse muss deshalb grundsätzlich überall von artenschutzrechtlichen Konflikten ausgegangen werden. Gleichzeitig sind die technischen Möglichkeiten der verlässlichen Erfassung des Risikopotenzials für ziehende Fledermäuse sehr beschränkt oder gar nicht vorhanden. Lediglich Hochboxen auf Nabenhöhe können belastbare Daten zur Präsenz der Tiere erbringen. Es wird daher angeregt, zum Schutz der ziehenden Fledermausarten Abschaltszenarien nach jahreszeitlichen und wetterbedingten Vorgaben festzulegen, die dann durch ein Monitoring im Realbetrieb an die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse angepasst werden.
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