Dienstag, 15. April 2025

WärmeplanungSonne auf großer Fläche nutzen

[20.10.2020] Wärmenetze mit erneuerbaren Energien bieten vielversprechende Möglichkeiten, um die Wärmewende vor Ort voranzubringen. Immer häufiger werden auch große Solarthermie-Freiflächenanlagen eingebunden.
14.800 Quadratmeter Fläche: das Kollektorfeld Ludwigsburg-Kornwestheim.

14.800 Quadratmeter Fläche: das Kollektorfeld Ludwigsburg-Kornwestheim.

(Bildquelle: Solites)

Die Wärmewende im Gebäudesektor stellt für Kommunen eine der größten Herausforderungen dar: In Deutschland entfällt über die Hälfte des Endenergieverbrauchs auf die Bereitstellung von Wärme und rund zwei Drittel davon auf den Gebäudesektor. Der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmebereich betrug 2019 lediglich rund 14,5 Prozent. Studien zeigen, dass dieser Anteil verfünffacht werden muss. Erneuerbare können etwa bei Heizanlagen in den Gebäuden oder Wärmeversorgungsstrukturen zum Einsatz kommen. Wärmenetze stellen hierbei eine strategische Option für die Wärmewende im Gebäudebereich dar. Sie ermöglichen es, erneuerbare Energien, Effizienztechnologien und Sektorenkopplung nutzbringend, kostengünstig und zukunftsfähig in lokale Wärmeversorgungssysteme zu integrieren. Aus organisatorischer Sicht ermöglichen Wärmenetze ein schnelles Vorankommen. Das sieht man beispielsweise bei Gemeinden, die aktuell von dezentralen Gebäudeheizungen auf ein Wärmenetz auf Basis erneuerbarer Energien umstellen. In wenigen Jahren erreichen sie so eine fast vollständige Wärmewende bis hin zu einer komplett klimaneutralen Wärmeversorgung.

Hohe Investitionen

Wärmenetze erfordern jedoch hohe und langfristige Investitionen. Die Voraussetzung dafür schafft eine kommunale Wärmeplanung, wie sie beispielsweise Baden-Württemberg künftig für Stadtkreise und große Kreisstädte einführt. Dazu werden bestehende Wärmebedarfe und Versorgungsstrukturen untersucht und alle Energieträger erfasst, die künftig eine klimaneutrale, möglichst auf lokalen Ressourcen basierende Wärmeversorgung ermöglichen sollen.
Die Nutzbarkeit erneuerbarer Energiequellen hängt oft von der lokalen Verfügbarkeit ab. Zu nennen sind hier Energieholz, Biogas, Solarthermie und Geothermie. Eine wichtige Rolle spielen auch die Nutzung von Abwärme, zum Beispiel aus Industrieprozessen, sowie von überschüssigem erneuerbarem Strom, der über Wärmepumpen und Elektrokessel in Wärme umgewandelt werden kann. Immer mehr Versorger entdecken solarthermische Großanlagen als einen heute kostengünstigen und risikoarmen Wärmeerzeuger für ihre Nah- und Fernwärmesysteme. Bei diesen Anlagen werden die erforderlichen großen Kollektorfelder meist auf Freiflächen installiert. Zum Einsatz kommen dabei großflächige Flach- oder Vakuumröhrenkollektoren, die speziell für die Verwendung in Wärmenetzen mit Temperaturen bis 100 Grad Celsius entwickelt wurden. Kombiniert mit beispielsweise Biomasseheizwerken bedient die Solarthermie typischerweise den kompletten sommerlichen Wärmenetzbetrieb und insgesamt rund 20 Prozent der erforderlichen Jahreserzeugung. Mit großen saisonalen Wärmespeichern können auch höhere Anteile an Solarwärme erreicht werden. Ab einer Größe von rund 3.000 Quadratmetern Kollektorfläche, beziehungsweise zwei Megawatt Leistung, werden mit Regelförderung konkurrenzfähige Gestehungskosten von circa 40 Euro pro Megawattstunde erzielt. Die Preisstabilität und Unabhängigkeit von Energiepreissteigerungen ist attraktiv für die Wärmeversorger.

Geeignete Flächen finden

Als zentrales Problem bei der konkreten Projektentwicklung erweist sich das Finden geeigneter ortsnaher Flächen. Ein Vorteil der Solarthermie ist, dass sie nahezu unabhängig vom Standort nutzbar ist und keine Beschränkungen bezüglich ihrer Verfügbarkeit bestehen. Außerdem nimmt sie in puncto Flächeneffizienz mit Abstand eine Spitzenposition unter den Erneuerbaren ein. Je Hektar Landfläche können pro Jahr circa 2.000 Megawattstunden Wärme geerntet werden. Dennoch herrscht insbesondere in urbanen Räumen große Konkurrenz, was die Flächennutzung durch Wohnungsbau, Gewerbeansiedlung und Landwirtschaft angeht. Flächen im Außenbereich unterliegen oftmals dem Landschafts- und Naturschutz. Die Montage der Kollektoren auf Dachflächen stellt ökonomisch nur bedingt eine Alternative dar, da die Kosten für die Installation auf Dächern deutlich höher sind als die für große Freiflächenanlagen. Aktuelle Projekte zeigen jedoch, dass selbst in Ballungsräumen ein Interessenausgleich zugunsten von Solarenergie und Klimaschutz möglich ist. Voraussetzung ist eine konstruktive Zusammenarbeit der zuständigen Behörden (Bau, Naturschutz, Landwirtschaft), eine frühzeitige Einbindung der Interessengruppen, eine Abwägung der Nutzungskonkurrenzen sowie die Entwicklung möglicher Synergien mit dem Naturschutz.

Kehrtwende für Großanlagen

In Deutschland sind heute rund 40 in Wärmenetze eingebundene solarthermische Großanlagen in Betrieb. Über die Hälfte davon wurden seit den 1990er-Jahren in Forschungsprogrammen des Bundes realisiert. Mitte der 2010er-Jahre gab es eine Kehrtwende: Die Anlagen werden heute von Wärmeversorgern vornehmlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen und als Maßnahme für den lokalen Klimaschutz realisiert. Der derzeitige Zuwachs findet im Wesentlichen in zwei Bereichen statt: städtische Bestands-Fernwärmenetze in Ballungsräumen und kleinere, meist neue Wärmenetze im ländlichen Raum. Allein im vergangenen Jahr entstanden in Ludwigsburg, Potsdam, Halle, Bernburg, Ettenheim und Erfurt deutschlandweit sechs große Solarthermieprojekte im Bereich städtischer Fernwärme. Das Kollektorfeld der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim ist mit 14.800 Quadratmetern vorerst die größte Solarwärmeanlage in Deutschland. Seit diesem Frühjahr unterstützt sie ein Biomasse-Heizkraftwerk und ersetzt gasbetriebene Blockheizkraftwerke.

Solarthermie und Bioenergie

Allein durch diese Solarwärmeprojekte wuchs die Nennleistung solcher Anlagen in Deutschland zum Jahreswechsel um mehr als die Hälfte auf rund 70 Megawatt an. Ein ebenfalls stetiger Zuwachs an Solarthermieprojekten ist bei den Energiedörfern zu verzeichnen. Dort versorgt große Solarthermie meist in Kombination mit Biomasse ländliche Ortschaften mit CO2-neutraler Wärme. Oftmals ergeben sich daraus positive Nebeneffekte für die kleineren Gemeinden: schnelles Internet, regionale Wertschöpfung und eine neue Attraktivität der Dörfer.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Wärmenetze auf Basis erneuerbarer Energien vielerorts einen wichtigen Baustein für den kommunalen Klimaschutz darstellen werden. Die Politik hat dies erkannt und stellt heute attraktive Förderprogramme für Wärmeplanung, Machbarkeitsstudien und letztendlich die relevanten Investitionen in Wärmenetze und erneuerbare Erzeugungsanlagen bereit.

Thomas Pauschinger ist Mitglied der Geschäftsleitung beim Steinbeis Forschungsinstitut Solites in Stuttgart.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Photovoltaik | Solarthermie

RWE: Strukturwandel im Rheinischen Revier

[14.04.2025] Im Kreis Düren errichtet RWE eine neue Photovoltaikanlage auf einer stillgelegten Tagebaufläche bei Niederzier. Rund 22.000 Solarmodule sollen künftig Strom für etwa 4.500 Haushalte liefern. Der Start ist für September geplant. mehr...

Dortmund: PV-Spitzenreiter in NRW

[10.04.2025] Dortmund hat die 10.000. Photovoltaikanlage ans Netz gebracht – ein landesweiter Spitzenwert. Der Ausbau der Solarenergie in der Stadt schreitet damit deutlich voran, gestützt von kommunaler Förderung und wachsendem Interesse bei Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen. mehr...

EUPD Research/Anker SOLIX: Studie zu Balkonkraftwerken

[09.04.2025] Eine aktuelle Studie von EUPD Research und Anker SOLIX zeigt: Speicherlösungen steigern die Wirtschaftlichkeit von Balkonkraftwerken erheblich. Haushalte können ihre Stromkosten damit um bis zu 64 Prozent senken – und die Investition amortisiert sich teils bereits nach vier Jahren. mehr...

Zu sehen ist die Montage einer Solarthermieanlage

Solites: Mehr Tempo für solare Wärme

[08.04.2025] Der Ausbau solarthermischer Großanlagen kommt in Deutschland nur langsam voran. 2024 gingen nur drei neue Großanlagen mit zusammen knapp 10.000 Quadratmetern Bruttokollektorfläche in Betrieb. mehr...

Enpal: Studie zu Balkonkraftwerke-Boom

[01.04.2025] Balkonkraftwerke erleben in Deutschland einen Boom, doch vor allem kleinere Städte treiben die Entwicklung voran. Eine Analyse des Energieunternehmens Enpal zeigt, dass Hamburg im Ländervergleich den letzten Platz belegt, während Niedersachsen Spitzenreiter ist. mehr...

Trier/Speyer: Studie zu Solarstrom

[19.03.2025] Die Stadtwerke Trier und Speyer haben eine Studie zur regionalen Vermarktung von Solarstrom vorgestellt. Sie fordern eine Anpassung des Rechtsrahmens, um zu verhindern, dass regional erzeugter Grünstrom als Graustrom deklariert wird. mehr...

Wolfsburg: Fortsetzung des Solar-Förderprogramms

[12.03.2025] Die Stadt Wolfsburg plant, ihr Förderprogramm für Photovoltaikanlagen fortzusetzen. Haushalte können ab dem 15. April finanzielle Unterstützung für neue Solaranlagen, Speicher und Balkonkraftwerke beantragen, sofern der Stadtrat das Programm am 2. April genehmigt. mehr...

Würzburg: PV-Anlage versorgt Realschule

[06.03.2025] Mit einer neuen Photovoltaikanlage auf dem Dach des Wolffskeel-Bads setzen die Stadt und der Landkreis Würzburg auf nachhaltige Energie. Die Anlage versorgt die Wolffskeel-Realschule mit Strom und reduziert so den externen Energiebedarf der öffentlichen Einrichtungen. mehr...

Stadtwerke Osnabrück: Solarboom erfordert Netzausbau

[04.03.2025] Osnabrück erlebt einen Boom bei Photovoltaikanlagen. Die installierte Leistung hat sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Doch mit dem Wachstum kommen auch Herausforderungen für das Stromnetz. mehr...

WEMAG: PV-Anlagen für Plate

[26.02.2025] Die Gemeinde Plate hat sechs öffentliche Gebäude mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Der regionale Energieversorger WEMAG übernahm nicht nur Planung und Installation, sondern stellte auch eine Förderung in Höhe von rund 41.300 Euro bereit. mehr...

Münster: Stärkung des Photovoltaikausbaus

[20.02.2025] Die Stadt Münster setzt verstärkt auf Photovoltaik, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Aktuell betreibt die Stadt 42 Anlagen auf eigenen Gebäuden. mehr...

Kassel: Balkonkraftwerk-Förderung stößt auf Zustimmung

[20.02.2025] Das Förderprogramm für Balkonkraftwerke in Kassel stößt auf große Resonanz. Schon 1.000 Anträge wurden gestellt. mehr...

Essen: Große Solar-Carport-Anlage entsteht

[17.02.2025] Auf dem Messeparkplatz P10 in Essen soll eine der größten Solar-Carport-Anlagen Deutschlands entstehen. Ab 2026 soll sie sauberen Strom liefern und damit einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung der Stadt leisten. mehr...

Delitzsch: Solarthermie-Bauprojekt schreitet voran

[13.02.2025] Die Stadtwerke Delitzsch kommen mit dem Bau ihrer neuen Solarthermieanlage planmäßig voran. Der erste Probebetrieb soll im Mai 2025 beginnen, die Inbetriebnahme ist für den Sommer desselben Jahres vorgesehen. mehr...

RES: Zehn MW Sonnenkraft für Triptis

[31.01.2025] RES wird einen zehn Megawatt leistenden Solarpark in Triptis bauen. Baustart wird in einem Jahr sein. mehr...