BioenergieScharnier zwischen Strom und Wärme
In Zukunft soll das Energiesystem in Deutschland über hohe Anteile erneuerbarer Energien verfügen. Das größte Potenzial haben dabei Windkraft und Solarenergie. Um Angebotslücken zu überbrücken, werden vielfältige Flexibilitätsoptionen diese Systemsäulen flankieren. Dazu zählen Anlagen, die sonstige Systemdienstleistungen – so genannte Must-Run-Funktionen – erbringen. Die Energiewende ändert aber nicht nur den Strommarkt. Eine entscheidende Zukunftsfrage betrifft auch die günstige Wärmebereitstellung. Nach derzeitiger Einschätzung wird sich der Wärmemarkt zunehmend mit dem Stromsektor verzahnen – nicht zuletzt wegen der Stromüberschüsse, die aufgrund der fluktuierend einspeisenden Energiequellen zu erwarten sind. Bei zunehmender Energieeffizienz schrumpft der Wärmemarkt signifikant. Das gilt vor allem für den Gebäudesektor. Bis der Gebäudebestand weitgehend saniert ist und der reduzierte Wärmebedarf über andere Erzeugungsquellen bedient werden kann, übernimmt die Bioenergie eine Brückenfunktion. Vorhandene Biomassen müssen deshalb in effiziente Nutzungssysteme, etwa Wärmenetze, überführt werden. Auf kommunaler Ebene sind entsprechende Planungsgrundlagen mit einer integrierten Bauleitplanung zu schaffen, beispielsweise Wärmekataster.
Vielseitig nützlich
Mit Biomasse lässt sich nicht nur hocheffizient Strom und Wärme erzeugen. Sie eignet sich auch zum Speichern von Energie. Diese Charakteristika werden ihre Rolle im Energie- und Stromsystem definieren. Denn die fluktuierend einspeisenden Anlagen lassen Residuallasten erwarten. Um diesen begegnen zu können, ist Flexibilität erforderlich. Um die Defizite elektrischer Energie auszugleichen, leitet das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES 45 Terawattstunden (TWh) pro Jahr beziehungsweise circa 50 Gigawatt (GW) ab. Diese Werte basieren auf einem 100-prozentigen Erneuerbare-Energien-Szenario. Vor allem Biogas und Biomethan können diese Leistung erbringen und stunden-, tageweise oder saisonal ausgleichen. Bioenergiekraftwerke sollten die Must-Run-Sockel konventioneller Kraftwerke ersetzen. Hindernisse wie Angebotszeiträume, Handelszeitpunkte, die Netzentgeltpflicht oder Spotmarktpreisfixierung sind deshalb abzubauen. Die Anlagen müssen aber auch andere Systemdienstleistungen übernehmen. Dazu zählen die Frequenz- und Spannungshaltung, die Blindleistungskompensation, die Verlustenergieerbringung oder die Schwarzstartfähigkeit.
Relevantes Instrument
Eine vollständige Refinanzierung von Bioenergieanlagen ist aus heutiger Sicht nicht zu erwarten – weder über die Systemdienstleistungsmärkte noch über die Vermarktung in den Kilowattstundenmärkten. Es sollten deshalb nicht die Erlösmöglichkeiten, sondern ihr Nutzen für das gesamte Stromsystem im Vordergrund stehen. Notwendig ist eine hinreichende und verlässliche Finanzierung der Bioenergie durch ein separates Finanzierungsmodell. Zu berücksichtigen ist, dass der durch das EEG ausgelöste Impuls direkt oder indirekt im Sinne einer Kostendämpfung zu ökonomischen Effekten geführt hat. Das trifft vor allem auf den Agrar-, den Entsorgungs- und den Forstsektor zu. Die Teilnahme der Bioenergie an den Märkten des Stromsektors dient keinem Selbstzweck. Aufgrund ihrer Flexibilisierbarkeit und ihrer vielfältigen und multisektoralen Nutzbarkeit ist sie ein relevantes Instrument, um das Stromsystem zu gestalten. Wenn ihre Vorteile aber auch in Zukunft genutzt werden sollen, bedarf es hinreichender und verlässlicher Refinanzierungsmechanismen. Die Bioenergie muss als hocheffizientes Scharnier zwischen Strom und Wärmesystem verstanden und die Weichen dementsprechend gestellt werden.
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