Sonntag, 22. Dezember 2024

InterviewRegenerative Wärme im Verbund

[25.07.2018] Es ist überfällig, dass wir verstärkt die Wärmewende in den Blick nehmen, sagt die rheinland-pfälzische Umwelt- und Energieministerin Ulrike Höfken im stadt+werk-Interview. Ihr Haus hat dazu ein Wärmekonzept für das Land vorgelegt.
Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) ist Ministerin für Umwelt

Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) ist Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten in Rheinland-Pfalz.

(Bildquelle: Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz)

Frau Ministerin Höfken, Rheinland-Pfalz hat sich vorgenommen, die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Warum ist bei der Energiewende ein stärkerer Fokus auf den Wärmemarkt notwendig?

Bis zum Jahr 2050 wollen wir in Rheinland-Pfalz klimaneutral sein. Zur Erreichung dieses Ziels müssen wir unsere Anstrengungen im Wärmesektor verstärken und brauchen die Wärmewende. Denn der Wärmesektor hat in Deutschland einen Anteil an den energiebedingten CO2-Emissionen von rund 40 Prozent und verbraucht 56 Prozent der gesamten Endenergie. Dabei wird der weitaus größte Teil der Wärme noch immer aus fossilen Energieträgern gewonnen: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmeerzeugung lag im Jahr 2017 deutschlandweit bei rund 13 Prozent, in Rheinland-Pfalz bei elf Prozent. Es ist also überfällig, dass wir nach der erfolgreichen Energiewende im Stromsektor – fast jede zweite erzeugte Kilowattstunde Strom in Rheinland-Pfalz kommt aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse – verstärkt die Wärmewende in den Blick nehmen.

Ihr Ministerium hat dazu Anfang des vergangenen Jahres ein Wärmekonzept für Rheinland-Pfalz vorgelegt. Was sind die wesentlichen Inhalte?

Wir haben acht Themengebiete identifiziert, die für die Umsetzung der Wärmewende in Rheinland-Pfalz zentral sind. Sie reichen von der Quartierssanierung über Nahwärmenetze bis hin zur Bioenergie und der Kopplung der Sektoren Wärme und Strom. Insgesamt werden in dem Konzept 49 Maßnahmen beschlossen, die zur Senkung des Wärmebedarfs und zur Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien beitragen. Mit den Maßnahmen sprechen wir Kommunen, Unternehmen und Privatleute an. Das Konzept ist dynamisch angelegt, sodass künftige Erfahrungen, Prozesse und Entwicklungen Berücksichtigung finden. Die Umsetzung der Maßnahmen wird durch unsere Landesenergieagentur tatkräftig vorangebracht.

Erdgas hat in Rheinland-Pfalz einen überdurchschnittlichen Anteil an der Energieversorgung. Kann dieser fossile Energieträger bei der Wärmeerzeugung überhaupt ersetzt werden?

Erdgas wird noch eine Zeit lang als fossiler Energieträger eine Rolle bei der Wärmeerzeugung spielen. Das bestehende Erdgasnetz lässt sich künftig aber auch für eine regenerative Wärmeversorgung nutzen, wenn Erdgas immer mehr durch Gas aus erneuerbaren Quellen ersetzt wird. Insbesondere die Power-to-Gas-Technologie hat hier großes Potenzial, weil der überschüssige Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse sinnvoll genutzt und gespeichert werden kann.

Welche Energieformen und Technologien sollen künftig für die regenerative Wärmeversorgung sorgen?

Wir setzen an zwei Stellen an, damit die Wärmewende gelingt: Einerseits müssen wir unsere Wärmeversorgung auf regenerative Energien umstellen, andererseits müssen wir unbedingt unsere Anstrengungen bei der Senkung des Wärmebedarfs verstärken. Der verbleibende Wärmebedarf wird dann sowohl aus thermischer als auch aus elektrischer Energie gedeckt werden. Durch die Kopplung der Sektoren Strom und Wärme wird eine teilweise Elektrifizierung des Wärmebereichs erfolgen. Die Bandbreite der Technologien reicht dabei vom Einsatz von Pelletheizungen und Wärmepumpen über Wärmenetze und Power-to-Heat-Anwendungen bis hin zu Power-to-Gas-Technologien und biogenen flüssigen Energieträgern.

„Bis 2050 wollen wir in Rheinland-Pfalz klimaneutral sein.”
Welche Förderprogramme hat Rheinland-Pfalz aufgelegt, um die Wärmewende voranzubringen?

Für die Maßnahmen des Wärmekonzepts sind in diesem Jahr knapp vier Millionen Euro an Landesmitteln vorgesehen – ergänzt um EU- und Bundesmittel. Durch das Förderprogramm Zukunftsfähige Energieinfrastruktursysteme – ZEIS unterstützen wir Kommunen beim Ausbau von Wärmenetzen auf Basis von erneuerbaren Energien. Bisher wurden zehn Wärmeverbünde mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von nahezu 13 Millionen Euro gefördert. Mit dem Programm Wärmewende im Quartier fördern wir die Erstellung von Quartierskonzepten sowie die sich daran anschließende Einstellung eines Sanierungsmanagers. Ziel des Förderprogramms „1.000 effiziente Öfen für Rheinland-Pfalz“ ist es, Anreize zu schaffen, alte Einzelraumfeuerungsanlagen – rund 40 Prozent sind älter als 20 Jahre – durch moderne und hocheffiziente Anlagen zu ersetzen. Bisher haben wir knapp 650 Anträge positiv beschieden.

Ein Schlüsselthema der Wärmewende ist die energetische Quartiersentwicklung. Wie ist die Resonanz in den Kommunen auf das entsprechende Förderprogramm?

Das Programm wird von den Kommunen sehr gut angenommen: Wir haben seit Oktober 2017 bereits 37 Anträge beschieden – über 50 sind bislang eingegangen. Fast alle Kommunen waren auf dem ersten Netzwerktreffen zum Programm vertreten, das wir kürzlich bei uns im Ministerium veranstaltet haben.

Welche kommunalen und regionalen Wärmekonzepte würden Sie als beispielhaft nennen?

Viele Akteure im Land haben bereits beeindruckende Projekte umgesetzt, ein Beispiel ist Neuerkirch-Külz. Hier haben sich zwei Ortsgemeinden zusammengeschlossen und gemeinsam ein Nahwärmenetz gebaut. Das Projekt zeigt, wie eine Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energie aus der eigenen Region funktionieren kann. Solche Ansätze bringen Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Lebensqualität in unser ländlich geprägtes Bundesland. Ein weiteres besonderes Projekt ist das Nahwärmenetz in Kappel. Hier haben die Bürger ihre Wärmeversorgung in die Hand genommen. Denn das Nahwärmenetz wird von der Bürgerenergiegenossenschaft Kappel betrieben. Ein anderes Beispiel: In der Verbandsgemeinde Wittlich-Land haben sich sechs Ortsgemeinden zusammengeschlossen und beschäftigen gemeinsam zwei Sanierungsmanager. Sie unterstützen die Akteure vor Ort bei der Umsetzung der Quartierssanierungskonzepte.

Wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern, bis die Wärmewende in Rheinland-Pfalz und auf Bundesebene geschafft ist?

Wie schon angesprochen, ist es unser Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Hierzu muss die Wärmewende ihren Beitrag leisten. Daher haben wir uns auf den Weg gemacht und mit dem Wärmekonzept für Rheinland-Pfalz einen starken Fokus auf die Wärmewende gelegt. Auch auf Bundesebene setzen wir uns für eine Stärkung der Wärmewende ein. Wir fordern, dass ein Niedrigstenergiestandard im Gebäudeenergiegesetz festgeschrieben wird. Und wir setzen uns für eine Erhöhung und Verstetigung der Fördermittel sowie für eine steuerliche Förderung energetischer Gebäudesanierung und den Ausbau der Energieberatung ein. Es gibt noch einiges zu tun. Ich bin mir aber sicher, dass uns die Wärmewende gemeinsam mit unseren Kommunen, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern gelingen wird.

Interview: Alexander Schaeff

Höfken, UlrikeUlrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit Mai 2016 Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten in Rheinland-Pfalz. In der vorhergehenden Legislaturperiode war sie zuständig für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten. Von 1994 bis 2011 war sie Mitglied des Deutschen Bundestags.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Auf dem Bild sind Photovoltaikanlagen und im Hintergrund Windräder zu sehen.

ZSW/BDEW: Rekordjahr für Erneuerbare

[16.12.2024] Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Nach vorläufigen Berechnungen von ZSW und BDEW lieferten Solar-, Wind-, Wasser- und Biomassekraftwerke mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Stroms. mehr...

Bayern: Grüne stellen Dringlichkeitsantrag

[13.12.2024] Die Grünen im Bayerischen Landtag haben gestern im Plenum einen Dringlichkeitsantrag für konsequenten Klimaschutz eingebracht. Ziel ist es, die bayerischen Klimaziele bis 2040 zu sichern und notwendige Maßnahmen, insbesondere in der Wärmepolitik, zügig umzusetzen. mehr...

Das Bild zeigt Franziska Giffey (SPD), Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe und Bürgermeisterin von Berlin, bei der Eröffnungsrede auf den Vienna Science Days in Berlin.
bericht

Wien/Berlin: Gemeinsam für die urbane Energiewende

[09.12.2024] Bei den Vienna Science Days in Berlin trafen sich Ende November Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, um über die Herausforderungen der Energiewende und Dekarbonisierung in Großstädten zu diskutieren. Im Fokus standen die Zusammenarbeit zwischen Wien und Berlin. mehr...

Auf dem Bild ist das Kohlekraftwerk Weisweiler zu sehen, im Vordergrund stehen zwei Windräder.
bericht

Monitoringbericht: Energiemarkt in Bewegung

[09.12.2024] Der aktuelle Monitoringbericht von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zum Strom- und Gasmarkt zeigt: Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien steigt, konventionelle Kraftwerke bleiben aber unverzichtbar. Und: Sinkende Strom- und Gaspreise entlasten die Verbraucher. mehr...

Das Bild zeigt einen Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Zusehen sind die Reihen der Abgeordneten und im Hintergrund der Bundesadler.

KWKG: Bundestag berät über Verlängerung

[09.12.2024] Ein Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht vor, die Geltungsdauer des KWK-Gesetzes bis zum 31. Dezember 2030 zu verlängern. Der Bundestag hat jetzt erstmals darüber beraten. Unterstützung für die Initiative der Unionsfraktion kommt aus der Energiewirtschaft. mehr...

Biogasalage: Der Bundesverband Bioenergie (BBE) hat die herausragende Bedeutung der Bioenergie betont.

BMWK: Bioenergiepaket soll Anreize schaffen

[09.12.2024] Die Flexibilität und Planungssicherheit für Biogasanlagen sollen verbessert werden. Dazu hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Bioenergiepaket vorgelegt. Der Entwurf zur Änderung des EEG 2023 ist allerdings noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. mehr...

interview

Interview: Volle Unterstützung für Holzenergie

[05.12.2024] Die energetische Holznutzung ist eine wichtige Säule für die Wertschöpfung im ländlichen Raum, sagt Hubert Aiwanger. stadt+werk sprach mit dem bayerischen Wirtschaftsminister über die Ziele des Pakts Holzenergie Bayern. mehr...

SAENA: Neues Umfragetool

[04.12.2024] Die SAENA bietet jetzt für die finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Umfragetools und Workshops an. mehr...

Saarland: Förderprogramm für Straßenbeleuchtung

[02.12.2024] Das saarländische Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie fördert jetzt mit dem neuen Programm ZEP-Kommunal die Umrüstung von Straßenbeleuchtungen in Kommunen auf LED-Technologie. mehr...

Das Bild zeigt das Gaskrafterk Irsching.

Kraftwerkssicherheitsgesetz: Die Politik ist gefordert

[25.11.2024] Ein Referentenentwurf für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz liegt vor, berichten Medien. Er sieht neben neuen Regelungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke auch eine Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vor. Der BDEW betont den dringenden Handlungsbedarf für die Energieversorgung. mehr...

Projekt PaDiSo: Tipps für die lokale Energiewende

[14.11.2024] Forscherinnen des Projekts PaDiSo haben Handlungsempfehlungen für deutsche Kommunen entwickelt, um sie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems zu unterstützen. Ziel ist es, kommunalen Akteuren praxisnahe Instrumente und Strategien an die Hand zu geben. mehr...

Das Bild ist ein Porträtfoto des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt

Energieministerkonferenz: Der Geist von Brunsbüttel

[11.11.2024] Die Energieministerkonferenz in Brunsbüttel hat mit der „Brunsbütteler Erklärung“ einen deutlichen Appell an die Bundesregierung verabschiedet: Die Ministerinnen und Minister fordern spürbare Entlastungen bei den Strompreisen, eine zügige Umsetzung der Gesetze und eine klare Strategie für erneuerbare Energien und Biomasse. mehr...

Das Bild ist ein Portätfoto von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

BDEW: Energiebranche besorgt über Ampel-Aus

[07.11.2024] Nach dem Bruch der Ampelkoalition warnt der BDEW vor den Folgen für die Energiepolitik. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt schnelles und einvernehmliches Handeln an. mehr...

Auf dem Bild ist ein Umspannwerk zu sehen, im Vordergrund zwei Personen, die sich über einen Plan beugen.

Bundesregierung: KRITIS-Dachgesetz beschlossen

[07.11.2024] Die Bundesregierung hat den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit des Gesetzes, um Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Katastrophen zu machen. mehr...

Auf dem Bild sind Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG, Hessens Energie- und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori und Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef zu sehen. Sie halten ein Plakat in Händen, das das Konzept der Energiewendeviertel illustriert.

Frankfurt am Main: Energiezukunft gemeinsam gestalten

[05.11.2024] Bei einer Veranstaltung der Mainova diskutierten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef und Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über den geplanten Ausbau der Strom- und Wärmenetze in Frankfurt. mehr...