Freitag, 27. Dezember 2024

InterviewPower to Gas funktioniert

[06.11.2018] Die Power-to-Gas-Technologie kann eine wichtige Rolle bei der Sektorkopplung spielen. Thyssengas-Chef Thomas Gößmann fordert im stadt+werk-Interview die Politik auf, die Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Betrieb zu schaffen.
Dr. Thomas Gößmann ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Thyssengas.

Dr. Thomas Gößmann ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Thyssengas.

(Bildquelle: Thyssengas)

Herr Dr. Gößmann, wenn es um die Sektorkopplung geht, stehen die Positionen Elektrifizierung oder Technologieoffenheit einander gegenüber. Auf welcher Seite Sie stehen scheint klar, oder?

Die Gaswirtschaft, also auch Thyssengas, nimmt aktiv an der Energiewende teil. Derzeit wird vor allem eins deutlich: Die vollständige Elektrifizierung der Sektoren ist aus ökonomischen, technischen und genehmigungsrechtlichen Gründen ins Stocken geraten. Ich persönlich sehe hier auch keine mittelfristige Fortschrittsperspektive. Die Gaswirtschaft macht mit der Power-to-Gas-Technologie ein Angebot. Wir stellen jetzt Lösungen für die aktuellen und künftigen Probleme der Sektorkopplung bereit. Deshalb stellt sich mir diese Grundsatzfrage nicht. Ich halte es für richtig, abzuwägen, welche Technologie uns bei welchem Problem wirklich weiterbringt. Wenn das die Definition von Technologieoffenheit ist, dann bekenne ich mich gern dazu.

Welche Aufgaben hat die Gasinfrastruktur bei der Energiewende?

Die Energiewende soll die CO2-Emissionen verringern. Der Ausbau der Erneuerbaren oder der Kohleausstieg sind Mittel und Werkzeuge, um dieses Ziel zu erreichen. Gas wird die Kohleleistung kompensieren und Systemdienstleistungen für das Stromnetz liefern. Die Gasnetzbetreiber spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige und seit Jahrzehnten eingeübte Rolle: Sie transportieren Gas dahin, wo es gebraucht wird. Gas kann weiter zur Dekarbonisierung beitragen. Grünes Gas, also Biogas, Wasserstoff und synthetisches Methan, ist ein zukunftsfähiger Energieträger. Power to Gas ernsthaft und im industriellen Maßstab betrieben hilft, die Energieversorgung zu flexibilisieren und nicht nur ausschließlich auf den Energieträger Strom zu setzen. Die Betreiber der weitverzweigten Gasinfrastruktur sind bereit, den Weg der Energiewende mitzugehen.

Sind die Power-to-Gas-Pilotprojekte so vielversprechend?

Die bisherigen Pilotprojekte zeigen: Power to Gas funktioniert. Jetzt geht es darum, die Technologie auf industriellen Maßstab zu skalieren. Wir Gasnetzbetreiber haben noch zu lernen, insbesondere im Zusammenspiel mit den Stromnetzen. Wir wissen, dass sich synthetisches Methan problemlos in unsere Netze einspeisen lässt. Anders sieht es bei reinem Wasserstoff aus. Noch offen ist, wie viel Wasserstoff wir maximal beimischen können. Alternativ kann es sinnvoll sein, eine reine Wasserstoff-Infrastruktur aufzubauen und zu betreiben. Ich denke, man muss uns hier eine Lernkurve zugestehen – die es übrigens bei Windkraft und Solarenergie auch gab.

„Der gemeinsame Netzausbau spart volkswirtschaftliche Kosten und Zeit.”
Die Umwandlung von Strom in synthetisches Gas gilt als wenig effizient. Was entgegnen Sie?

Als Ingenieur habe ich großes Verständnis für die Frage nach der Effizienz von Technologien. Aber wir sollten die Bedenken nicht in den Vordergrund stellen. Alle Hersteller arbeiten daran, die Wirkungsgrade der Anlagen zu steigern und eine wirtschaftlich sinnvolle Ausbeute zu erzielen. Aber blicken wir ins Jetzt. Wir benötigen aktuell eine Möglichkeit, Strom aus den Zentren der erneuerbaren Erzeugung in die Verbrauchszentren zu transportieren. Da wir das nicht können, kosteten im Jahr 2017 die Einspeise-Management-Abregelungen der Erneuerbaren-Erzeugung über 640 Millionen Euro. Die Stromverbraucher zahlten also deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro dafür, dass Strom weder produziert noch genutzt wird. Mit Blick auf Power to Gas muss ich sagen: Wir verschenken nicht nur Energie, wir verschenken die große Chance, dem Energieverbraucher Kosten zu ersparen.

Was müsste die Politik tun, um der Power-to-Gas-Technologie zum Durchbruch zu verhelfen?

Der Gesetzgeber sollte es ermöglichen, Power-to-Gas-Anlagen wirtschaftlich zu betreiben. Aktuell ist das nicht möglich, da machen wir uns nichts vor. Power-to-Gas-Anlagen sind rechtlich gesehen Stromverbraucher. Das bedeutet, dass sie die gesamte Abgabenlast auf den Strompreis trifft. Das gilt insbesondere für die erneuerbare Energieabgabe, deren Zweck es ist, diese Art Energien zu fördern. In diesem Fall verhindert sie es. Sollte der Gesetzgeber den Betrieb der Anlagen nicht wettbewerblich, also wirtschaftlich gestalten, kann er den wertvollen Beitrag der Power-to-Gas-Technologie nur nutzbar machen, wenn er die Kosten außerhalb des Wettbewerbs anrechenbar macht. Das kann beispielsweise geschehen, indem er die systemrelevanten Anlagen dem Regulierungsregime unterwirft.

Wie sollte eine künftige Energie-Infrastruktur beschaffen sein, welche Rolle spielt dabei eine gemeinsame Netzentwicklung bei Strom und Gas?

Eine zukünftige Energie-Infrastruktur bezieht alle Energiesektoren ein. Strom, Gas und Wärme lassen sich nicht mehr gesondert betrachten. Es geht vielmehr darum, Energie kostengünstig, sicher und umweltfreundlich zu transportieren. Welcher Energieträger unter diesen Prämissen über welchen Weg wohin fließt, ist Aufgabe der gemeinsamen Netzentwicklung. Die Infrastrukturen lassen sich in einer gemeinsamen Netzplanung sinnvoll koppeln. Der gemeinsame Netzausbau spart volkswirtschaftliche Kosten und Zeit.

Interview: Alexander Schaeff

Dr. Gößmann, ThomasDr. Thomas Gößmann ist seit dem Jahr 2017 Vorsitzender der Geschäftsführung von Thyssengas. Er hatte zuvor verschiedene Führungspositionen im ABB-Konzern und beim Energiekonzern EnBW inne. Zuletzt war er Geschäftsführer des Gasnetzbetreibers terranets bw.

Stichwörter: Erdgas, Thyssengas, Power to Gas


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Erdgas
Das Bild zeigt die Gasflamme eines Herds.

Mannheim: MVV legt das Gasnetz still

[11.11.2024] Das Mannheimer Energieunternehmen MVV plant den Ausstieg aus der Gasversorgung bis 2035. Die Bürgerinnen und Bürger sollen umfassend beraten werden, um frühzeitig auf zukunftsfähige Heizlösungen umzusteigen. mehr...

LNG aus Abu Dhabi: Vertragsunterzeichnung zwischen EnBW und der Abu Dhabi National Oil Company.

EnBW: LNG aus den Emiraten

[10.05.2024] Die Abu Dhabi National Oil Company wird die EnBW ab 2028 mit verflüssigtem Erdgas beliefern. Einen entsprechenden Vertrag haben die Unternehmen jetzt unterzeichnet. mehr...

Die Fertigstellung der EWE-Zukunftsleitung wurde mit einem Festakt gewürdigt.

EWE: Zukunftsleitung in Betrieb genommen

[02.04.2024] Innerhalb von nur 22 Monaten hat das Unternehmen EWE eine 70 Kilometer lange Erdgasleitung realisiert und an das LNG-Terminal in Wilhelmshaven angebunden. Bereits ab 2028 könnte die Leitung wesentlicher Bestandteil des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes werden. mehr...

Öko-Institut: Erdgasverbrauch drastisch senken

[27.02.2024] Eine neue Studie des Öko-Instituts fordert, den Erdgasverbrauch in Deutschland schnell zu senken, um die Klimaziele zu erreichen. mehr...

evm hat das Projekt Erdgasumstellung abgeschlossen.

evm: Erdgasnetz auf H-Gas umgestellt

[20.12.2023] Alle Gasgeräte im Versorgungsgebiet der evm wurden von L- auf H-Gas umgestellt. Das bisher größte Infrastrukturprojekt des Unternehmens kostet rund 85 Millionen Euro. mehr...

Trianel Gaskraftwerk Hamm erhält jetzt nächstes Leistungsupgrade.

Hamm: Gaskraftwerk erhält Upgrade

[31.08.2023] Der zweite Block des Trianel Gaskraftwerks in Hamm geht jetzt in Revision. Danach soll es über mehr Leistung und einen höheren Wirkungsgrad verfügen. mehr...

BDEW: Neues Fundament für Erdgas

[31.08.2023] Ein Jahr nach dem russischen Gaslieferstopp zieht der BDEW ein positives Fazit: Die Gasversorgung sei erfolgreich auf ein neues Fundament gestellt worden. mehr...

Zukunft Gas: Stellungnahme des Verbands

[01.08.2023] Der Verband Zukunft Gas wehrt sich gegen Vorwürfe, Erdgas als klimafreundlichen Energieträger zu bewerben. Eine Stellungnahme. mehr...

Klima-Bündnis: Keine Zukunft für Gas

[31.07.2023] Mit dem Aufruf „Unsere Stadtwerke raus aus der Gaslobby!“ will das Klima-Bündnis Deutschland die kommunalen Mitgliedsunternehmen von Zukunft Gas zum Austritt aus dem Verband bewegen. mehr...

Gasmarkt-Studie: Bedeutung von LNG steigt

[06.03.2023] Das EWI hat untersucht, wie sich die globalen Gasmärkte bis 2035 entwickeln werden. Die Forscher gehen davon aus, dass die Gaspreise wieder sinken und Norwegen und die USA die wichtigsten Gaslieferanten für Europa werden. mehr...

Baden-Württemberg: Biogas statt Erdgas

[10.10.2022] Biogasanlagen im Südwesten könnten durch Leistungssteigerung dank flexibler Einsatzzeiten Erdgas in Teilen schnell ersetzen, so eine Berechnung der Plattform EE BW. mehr...

enervis: Atomkraft spart Gas

[30.09.2022] Nach einer enervis-Studie erhöht der AKW-Weiterbetrieb die Versorgungssicherheit und reduziert den Gasverbrauch. mehr...

LNG-Terminal (3D-Darstellung): Vor allem die USA werden Flüssiggas nach Europa liefern.

EWI-Studie: Erdgas aus den USA muss es richten

[23.09.2022] Eine EWI-Studie betrachtet die Folgen ausbleibender Gasmengen aus Russland auf die globalen Gasmärkte bis 2030. Flüssigerdgas aus den USA hat demnach das größte Potenzial für Lieferungen nach Europa. mehr...

Das Trianel Gaskraftwerk in Hamm wird jetzt einer Revision unterzogen.

Hamm: Gaskraftwerk erhält Leistungs-Upgrade

[02.09.2022] Das Trianel Gaskraftwerk in Hamm wird nach 15 Jahren Betrieb jetzt technisch überprüft. Im Zuge der Revision soll die Leistung des Kraftwerks gesteigert und am Einsatz von Wasserstoff gearbeitet werden. mehr...

Der Brunsbütteler Elbehafen wird zum Standort für ein schwimmendes Flüssiggasterminal.

Brunsbüttel: Zeitplan für Flüssiggasterminal steht

[25.07.2022] Im Elbehafen Brunsbüttel in Schleswig-Holstein wird künftig ein schwimmendes Flüssiggasterminal dazu beitragen, die Gasversorgung in Deutschland zu sichern. Bereits zum Jahreswechsel 2022/2023 soll es den Betrieb aufnehmen. 
  mehr...