Serie KWKPotenziale kombinierter Systeme
Mit dem European Green Deal und dem damit verbundenen europaweiten Bekenntnis zur Klimaneutralität des gesamten Kontinents bis 2050 ist das Ziel bereits klar definiert. Lediglich über den Weg dorthin und die dafür notwendigen Maßnahmen in den EU-Mitgliedstaaten wird – auch vor dem Hintergrund der jüngsten geopolitischen Entwicklungen – heftig diskutiert. Herrschte bei der Verkündung des Green Deals im Dezember 2019 vielerorts große Aufbruchstimmung, so haben der Krieg in der Ukraine und die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten für einen Hauch von Tristesse gesorgt.
In Verbindung mit dem Erstarken rechtsextremer Parteien in vielen Ländern der Europäischen Union und den gleichzeitig sichtbarer werdenden Folgen des Klimawandels wird die Debatte von allen Seiten immer hitziger geführt. Umso wichtiger ist es, dass das Regelwerk der EU in der Klima- und Energiepolitik eine Vielzahl fundamental wichtiger Bedürfnisse verbindet: globale Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität bei gleichzeitiger Wahrung des sozialen Friedens. Hier muss die EU mit Augenmaß agieren, damit jedes Mitgliedsland seine natürlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen individuell optimal nutzen kann. Ein Unterfangen, bei dem wie in Deutschland die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ein entscheidender Baustein sein kann.
Im Gegensatz zur Ausgestaltung der Gesetze in den einzelnen Mitgliedstaaten, wie etwa dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland, sind die EU-Regelungen als übergeordneter Rahmen zu verstehen. Hier werden Grundlagen definiert, auf deren Basis die Mitgliedstaaten ihre individuellen Gesetze gestalten können. Das heißt konkret: Es wird festgelegt, welche Transformations- und Technologieoptionen im Sinne des europäischen Rechts gerade nicht zulässig sind. Aus einer Vielzahl unterschiedlicher Projekte und Gesetzesvorhaben des Green Deal sind aus KWK-Sicht insbesondere die Energy Efficiency Directive (EED), die Renewable Energies Directive (RED) sowie die Gas Directive von entscheidender Bedeutung.
Ideologische Debatte
Insbesondere Art. 26 der EED gibt den KWK-Pfad detailliert in Fünfjahresschritten vor – vom erforderlichen Anteil an grünen Gasen (wie Biogas oder Wasserstoff) bis hin zu den maximal zulässigen Treibhausgasemissionen. Bei aller Komplexität des europäischen Strommarktdesigns und seiner Umsetzung in nationales Recht ist der Rahmen also vergleichsweise klar definiert. Schwierig erscheint derzeit eher die fast ideologisch geführte Debatte um den Umbau der Gasinfrastruktur, die auch Auswirkungen auf die politisch-mediale Wahrnehmung der KWK hat.
Mit der vollständigen Abkehr von fossilen Energieträgern in den kommenden Jahrzehnten verschieben sich auch die geopolitischen Machtverhältnisse in nicht unerheblichem Maße. Gleichzeitig führt die Energiewende zu einer zunehmenden Dezentralisierung des Stromsystems und damit zu veränderten Marktbedingungen in den einzelnen Ländern. An die Stelle von Großkraftwerken mit vergleichsweise stabilen Börsenstrompreisen treten vor allem dezentrale Anlagen auf Basis erneuerbarer Energien. Und mit der wachsenden Zahl von Prosumern nimmt die Volatilität am Strommarkt zu.
Wärmepumpe kein Allheilmittel
In Deutschland mehrten sich in den vergangenen Monaten die Stimmen, die eine zu starke Fokussierung auf die Wärmepumpe etwa bei der Ausgestaltung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) kritisierten. So sagt etwa Eva Hennig, die den Stadtwerkeverbund Thüga als Leiterin Energiepolitik EU in Brüssel vertritt: „Es ist unbestritten, dass die Wärmepumpe eine enorm wichtige Technologie zur Dekarbonisierung des europäischen Wärmesektors sein wird, insbesondere in energieeffizienten Gebäuden oder in der Fernwärme. Sie ist aber bei Weitem nicht die einzige Option und auch kein Allheilmittel.“ Insbesondere in Zeiten, in denen erneuerbare Energien witterungsbedingt nur begrenzt zur Verfügung stehen, müsse Strom in regelbaren Anlagen erzeugt werden. Zudem sinken die Wirkungsgrade bei kalten Temperaturen und insbesondere in unsanierten Gebäuden stark ab, was das Stromnetz belastet.
Henning weist darauf hin, dass gerade der Wärmesektor nicht einfach zu dekarbonisieren ist, da nicht nur der Zustand des Gebäudes berücksichtigt werden muss, sondern jeder Hausbesitzer unterschiedliche Wünsche und Budgets hat. Hier könne nicht einfach von oben etwas verordnet werden, sondern die Bürger forderten Alternativen und Wahlfreiheit. Die Kraft-Wärme-Kopplung sei in mehrfacher Hinsicht wichtig. Hennig sagt: „Sie erzeugt Wärme und Strom verbrauchsnah und wetterunabhängig und stellt dringend benötigte Flexibilitäten für das zukünftige Stromsystem zur Verfügung. Strom und Wärme aus KWK, die mit Biomethan oder erneuerbarem Wasserstoff betrieben wird, ist keine Energie zweiter Klasse, sondern ein weiterer wichtiger Lösungsbaustein auf dem Weg zur Klimaneutralität.“
Forderung nach Heating and Cooling Plans
Eine Forderung, die aus dem EED hervorgeht, ist die Erstellung von Heating and Cooling Plans für alle europäischen Städte mit mehr als 45.000 Einwohnern. Deutschland ist mit dem im November 2023 verabschiedeten Wärmeplanungsgesetz bereits einen Schritt weiter.
Klar ist, dass es hier keine Standardlösungen gibt. Eva Hennig verweist in diesem Zusammenhang auf die hohe Effizienz von kombinierten Systemen: „Statt eine Entweder-oder-Diskussion zwischen verschiedenen Technologien zu führen, sollten wir auf die Potenziale kombinierter Systeme schauen und Rahmenbedingungen schaffen, die diese Innovationen ermöglichen. Dazu gehört sicher nicht, bestehende Gasverteilnetze stillzulegen, bevor die Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung vorliegen, denn das schränkt den Lösungsraum voreilig ein.“
Mit Blick auf den bevorstehenden EU-Wahlkampf stehen derzeit die industrielle Wettbewerbsfähigkeit und bezahlbare Energiepreise ganz oben auf der Agenda der Parteien aller politischen Richtungen. Vor diesem Hintergrund wäre es zu begrüßen, wenn die politischen Entscheidungen auch in Zukunft die Grundsätze der europäischen Energiepolitik berücksichtigen: Efficiency First. Keine Technologie nutzt die grünen Moleküle effizienter – und damit wirtschaftlicher – als die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung.
Mehrwert erkennen
Zukünftig kann die Kombination von Wärmepumpe und KWK einen versorgungssicheren Weg zur Klimaneutralität ebnen, wie in verschiedenen kommunalen Projekten gezeigt wurde. Mit der bereits heute uneingeschränkten Nutzung von Wasserstoff und einer jährlichen H2-Produktionskapazität von sechs Gigawatt allein in Deutschland und Österreich kann die Branche einen wichtigen Beitrag zum Umbau des europäischen Energiesystems leisten. Es liegt nun an der Politik, diesen Mehrwert zu erkennen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar/Februar 2024 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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