Dienstag, 24. Dezember 2024

Energieeffizientes BauenPassivhaus zahlt sich aus

[15.11.2012] Über die Erfahrungen der fränkischen Stadt Nürnberg mit dem Passivhausstandard spricht Wolfgang Müller, Leiter des Kommunalen Energiemanagements, im Interview mit stadt+werk.

Herr Müller, Ende 2009 hat die Stadt Nürnberg den Weg zur Passivhausbauweise bei kommunalen Gebäuden eingeschlagen. Welche Vorgaben wurden gemacht?

Der Nürnberger Bau- und Vergabeausschuss hat im November 2009 auf Vorschlag des Baureferates die Energetischen Standards zum energieeffizienten, wirtschaftlichen und nachhaltigen Bauen und Sanieren bei städtischen Hochbaumaßnahmen einstimmig beschlossen. Zielsetzung war es, die Summe der Investitions- und Betriebskosten über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes oder einer Anlage zu minimieren, konsequent in einer definierten Qualität zu bauen, Kostensicherheit für die Planung zu gewährleisten und den klimapolitischen Zielen der Stadt Nürnberg gerecht zu werden. Dabei wurden mehrere Vorgaben gemacht. Neubauten sind im Passivhausstandard zu errichten; werden Anbauten vorgenommen, die an die vorhandene Heizungsanlage angeschlossen werden, soll die Ausführung des Wärmeschutzes etwa 30 Prozent über der Zielsetzung der Energieeinsparungsverordnung (EnEV 2009) liegen. Bei umfassenden Sanierungsmaßnahmen an einem Gebäude ist der Neubaustandard nach der EnEV 2009 zu erreichen. Bei Bauteilsanierungen wird verlangt, dass der Standard 20 Prozent über dem liegt, was die EnEV 2009 vorschreibt. Zudem wurden detaillierte Planungsvorgaben für einzelne Bereiche, etwa den Hochbau oder die Heizungs- und Lüftungstechnik formuliert.

Sind seither Projekte in Passivhausbauweise umgesetzt worden?

Bereits vor der Verabschiedung der Energetischen Leitlinien hatte das Hochbauamt der Stadt zwei Passivhausobjekte errichtet, nämlich das Stadtteilzentrum für Bildung, Kultur und Freizeit südpunkt und die Ganztagesbetreuung für das Neue Gymnasium. Aktuell errichtet Nürnberg eine Dreifachturnhalle für ein Gymnasium sowie mehrere Kindertagesstätten und Kinderkrippen. In Planung befinden sich ein Schwimmbad und ein Schulneubau. Auch bei laufenden Public-Private-Partnership-Projekten ist der Passivhausstandard vorgegeben.

„Es ist wichtig, dass wir als Stadt beim kommunalen Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen.“
Im Rahmen der energetischen Sanierungsmaßnahmen spielen nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Ziele eine Rolle. Wie sind die ersten Erfahrungen in dieser Hinsicht?

Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Umsetzung der Standards. So werden bei Projekten ab 250.000 Euro immer Gesamtkostenbetrachtungen mit Variantenvergleichen durchgeführt. Das heißt, ein besserer energetischer Standard wird nur umgesetzt, wenn er auch über die Lebensdauer des Gebäudes und der Anlagentechnik wirtschaftlich ist. Neben den Investitions- sowie allen Energie- und Wasserkosten werden auch Kapital-, Wartungs- und Instandhaltungskosten sowie die jeweiligen Preissteigerungsraten und die so genannten Umweltfolge- beziehungsweise CO2-Vermeidungskosten einbezogen. Lediglich bei zwei kommunalen Projekten hat sich herausgestellt, dass der Passivhausstandard wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Hier wurde dann das energetische und wirtschaftliche Optimum ermittelt, welches besser ist, als es gemäß der EnEV 2009 und dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG 2011) nötig wäre.

Wie verhält es sich bislang mit den Mehrkosten und gibt es erste sichtbare Einsparergebnisse?

Die Mehrkosten bei den bereits realisierten Passivhausprojekten hängen im Wesentlichen von der Gebäudegröße und der Komplexität der Gebäudetechnik, aber auch vom eingesetzten Energieträger ab. So lagen die Mehrkosten beim Neubau des Stadtteilzentrums südpunkt mit einer Nettogrundfläche von rund 3.000 Quadratmetern bei circa drei Prozent gegenüber der EnEV-Variante, beim kleineren Neubau der Ganztagesbetreuung für das Neue Gymnasium lagen sie bei etwa zehn Prozent. Im Mittel werden sich wohl etwa drei bis sechs Prozent Mehrkosten für den Passivhausstandard gegenüber der gesetzlichen Mindestvariante ermitteln lassen. Bei beiden Objekten werden die erwarteten Verbrauchswerte inzwischen nahezu erreicht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Werte im ersten Betriebsjahr stets höher liegen als prognostiziert. Durch eine systematische Monitoring-Phase nach Inbetriebnahme mit energetischer Optimierung der Betriebs- und Regelparameter konnten die Verbräuche dann spürbar reduziert werden.

Welche Vorschriften gelten in Nürnberg bei privaten Neubauten?

Für private Neubauten gelten bislang lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen nach der EnEV 2009 und dem EEWärmeG 2011. Um so wichtiger ist es, dass wir als Stadt beim kommunalen Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen.

Wie wirken sich das neue Energiekonzept der Bundesregierung und die EU-Gebäuderichtlinie auf den kommunalen Bereich aus?

Auf den kommunalen Gebäudebestand wird sich die EU-Gebäuderichtlinie in Form der nationalen Umsetzungsverordnung auswirken. Hier warten wir auf die neue EnEV 2012. Auch beim Energiekonzept der Bundesregierung ist die Frage, wie stark die Ziele des Energiekonzeptes im Gebäude-
bereich bei der Gesetzgebung Einzug erhalten.

Interview: Verena Barth

Müller, WolfgangSeit 2004 leitet Wolfgang Müller das Kommunale Energiemanagement der Stadt Nürnberg. In dieser Funktion ist er auch Vertreter der Stadt Nürnberg im Arbeitskreis Energieeinsparung des Deutschen Städtetages sowie im Arbeitskreis Energieeffizientes Bauen bei der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern.



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