GeothermieÖkowärme für München
Das Fernwärmenetz der Stadtwerke München (SWM) umfasst über 800 Kilometer und ist eines der größten in Europa. Der kommunale Energieversorger deckt damit den Wärmebedarf der Münchner Privathaushalte zu circa 30 Prozent aus Fernwärme. Doch der Wärmemarkt wird noch von konventionellen Energieträgern dominiert. Derzeit erzeugen die SWM Fernwärme hauptsächlich in sehr energieeffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) an zwei Standorten. Der Anteil der Nutzung erneuerbarer Energieträger im Wärmesektor kann vor dem Hintergrund von Kohleausstiegsszenarien noch als deutlich ausbaufähig betrachtet werden.
Das Jahr 2025 im Blick
Mit einem Anteil der Wärme am Gesamtenergieverbrauch von circa 40 Prozent – in Privathaushalten benötigen Heizung und Warmwasserbereitung sogar rund 90 Prozent – wird schnell klar, dass eine Energiewende sich nicht auf die Stromerzeugung fokussieren kann, sondern ganzheitlich auch die Wärmeversorgung mit einbeziehen muss. Mit der „Ausbauoffensive Erneuerbare Energien“ forcieren die Stadtwerke München die erneuerbare Energieerzeugung im Strom- wie auch im Wärmebereich: Bis 2025 will der Energieversorger so viel Ökostrom in eigenen Anlagen produzieren, wie die Stadt benötigt. München wird damit weltweit die erste Millionenstadt, die dieses Ziel erreicht. Ausgestattet mit einem Budget von neun Milliarden Euro wurde das ehrgeizige Ziel im Jahr 2008 verabschiedet. Inzwischen verfügen die Stadtwerke über eine Erzeugungskapazität, die mehr als der Hälfte des Münchner Strombedarfs entspricht. Hinzu kommt seit 2012 das ergänzende Ziel, bis 2040 den Münchner Bedarf an Fernwärme CO2-neutral zu decken.
KWK als Brückentechnologie
Zur Umsetzung dieser Vision sollen die fossilen Brennstoffe bis zum Jahr 2040 schrittweise von erneuerbarer Wärme abgelöst werden. Geothermie wird den wesentlichen Beitrag der Fernwärmeversorgung liefern. Für die Übergangszeit bleiben die Heizkraftwerke Nord und Süd mit ihrer klimaschonenden KWK als Brückentechnologie unverzichtbar für Münchens Versorgungssicherheit.
Durch die langfristige Umstellung der Fernwärme auf regenerative Energiequellen werden die SWM die ohnehin schon sehr gute Klima- und Ressourcenbilanz der Fernwärme noch einmal erheblich verbessern. In München und dem näheren Umland sind die geologischen Voraussetzungen für die Nutzung der Erdwärme sehr gut. In einer Tiefe von 2.000 bis über 4.000 Metern hat das Thermalwasser Temperaturen von 80 bis über 140 Grad Celsius, sodass es zur Wärmeversorgung oder kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden kann.
Widersprüchlichen Anforderungen an die Versorgung
Mit ihrem ersten Geothermieprojekt demonstrieren die SWM seit 2004 in Riem, wie das geothermische Potenzial langfristig genutzt werden kann. Das über 90 Grad heiße Wasser aus 3.000 Metern Tiefe dient dazu, den größten Teil des Wärmebedarfs der Wohnbebauung in der Messestadt, der Gewerbebetriebe und der Messe München zu decken. In ähnlicher Weise trägt seit Herbst 2016 die Geothermieanlage Freiham die Grundlast des Wärmebedarfs im neu entstehenden Stadtteil Freiham sowie in benachbarten Gebieten im Münchner Westen. Dieses Projekt kann als Vorzeigemodell dafür betrachtet werden, wie die SWM von Anfang an gemeinsam mit den zuständigen Referaten der Stadt und unabhängigen Forschungseinrichtungen die zum Teil widersprüchlichen Anforderungen der Versorgung, der Verwaltung, des Städtebaus und der künftigen Nutzer in ein umweltfreundliches Gesamt- und Energiekonzept integriert haben.
Geothermieprojekt Schäftlarnstraße
Schrittweise will der kommunale Versorger nun die CO2-neutrale Fernwärme für München realisieren. Ein aktueller Baustein hierfür ist das Geothermieprojekt Schäftlarnstraße auf dem Gelände des Heizkraftwerks Süd. Hier entsteht eine der derzeit europaweit ambitioniertesten geothermischen Wärmeanlagen: Es werden sechs Bohrungen mit einer planerischen Gesamtbohrstrecke von rund 24.000 Metern niedergebracht – und das mitten in einer Großstadt. Damit leisten die SWM Pionierarbeit in Deutschland. Bis Ende 2019 sollen die Bohrarbeiten abgeschlossen sein. Die Produktivität der Bohrungen wird nach jeder einzelnen Bohrung getestet, sodass die Planungen für die Heizzentrale aktualisiert werden können und eine Errichtung im Anschluss an die Bohrungen stattfinden kann. Im Jahr 2020 soll der vollständige Netzanschluss erfolgen. Die neue Geothermieanlage wird im Schnittpunkt dreier Fernwärmenetze liegen: Bis zu 50 Megawatt können hier in die Netze Innenstadt, Sendling und Perlach eingespeist werden, ausreichend für den Bedarf von rund 80.000 Münchnern.
Um geeignete Standorte für weitere Geothermieanlagen zu finden, wurde von November 2015 bis März 2016 eine umfangreiche 3D-Seismik-Messkampagne in weiten Teilen des Stadtgebiets durchgeführt. Außerdem wird aktuell geprüft, die außerstädtisch gelegenen SWM-Geothermieanlagen in Dürrnhaar, Kirchstockach und Sauerlach leistungsmäßig zu optimieren. Der Hauptzweck dieser Anlagen, die in den Jahren 2012 und 2013 in Betrieb gingen, ist bislang die Erzeugung von Ökostrom. In einem weiteren Schritt sollen sie mittelfristig an das Münchner Fernwärmenetz angebunden werden.
350 Megawatt Wärmeleistung
Nach aktuellen Planungen wird im Endausbau eine geothermische Wärmeleistung von mehr als 350 Megawatt erreicht. Mehr als 80 Prozent des Fernwärmebedarfs der bayerischen Landeshauptstadt könnten dann aus thermischer Abfallverwertung und Geothermie gedeckt werden. Zur Deckung der verbleibenden Spitzenlasten, untersucht der Energieversorger CO2-neutrale Optionen auf Basis von Biomasse, Power to Heat oder Power to Gas (Windgas) sowie die Machbarkeit von saisonalen Wärmespeichern. Parallel zur schrittweisen Erschließung der geothermischen Potenziale werden die SWM das Fernwärmenetz aus- und umbauen. Diese infrastrukturelle Notwendigkeit besteht, um die auf erneuerbaren Energien basierende Fernwärme optimal in das Netz einzubinden.
Für die Versorgung einer Millionenstadt ist die Fernwärmevision 2040 der Stadtwerke München mit Fokus auf der Ressource Geothermie weltweit einzigartig. Bei nationalen wie internationalen Veranstaltungen stößt die Anwendung neuester Forschungsergebnisse immer wieder auf großes Interesse. Diese resultieren aus den vom Bund geförderten Forschungsvorhaben GRAME und GEOmaRe sowie aus weiteren Forschungsprojekten im Zusammenwirken mit der Geothermie-Allianz Bayern. Gleichzeitig wird deutlich, dass für eine nachhaltige Nutzung von Geothermie weiterhin geologischer sowie technischer Forschungsbedarf besteht. Themen des Reservoirverständnisses und -Managements, der Thermalwasserbeschaffenheit sowie speziell für die Geothermie entwickelte Techniken sind nach wie vor nicht abschließend beleuchtet und gelöst.
Know-how weitergeben
Für andere Stadtwerke oder Energieversorger, die geothermische Ressourcen nutzen möchten, stellen diese Punkte oft eine erhebliche Hürde dar. Basierend auf dem Know-how aus Bohrung und Betrieb von nunmehr sechs Tiefengeothermie-Projekten können die SWM hier nicht nur Beratung in der Entwicklungsphase, sondern auch Unterstützung bei Planung, Realisierung und Betrieb sowie der Führung von Geothermieanlagen anbieten. Eine spezielle Dienstleistung ist der in Eigenregie durchgeführte Pumpenwechsel mit eigener, mobiler Workover-Anlage.
Dieser Beitrag ist in der Januar/Februar-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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