Freitag, 15. November 2024

Bündnis 90 / Die GrünenÖkologische Bremser bei der Partei?

[10.11.2015] Eine Gruppe führender Parteimitglieder von Bündnis 90/Die Grünen haben einen Änderungsantrag für den nächsten Bundesparteitag vorbereitet. Darin wollen Sie das 100 Prozent Erneuerbare-Energien-Ziel von 2030 auf 2050 verschieben.

Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Autor des EEG 2000, teilt auf seiner Homepage mit, dass sich auf der kommenden Bundesdelegierten-Konferenz von Bündnis 90/Die Grünen ein Machtkampf zwischen den ökologischen Bremsern und den Befürwortern einer schnellen Transformation des Energiesystems auf 100% Erneuerbare Energien anbahne. Auf dem Parteitag der Grünen im Jahr 2007 konnte sich laut Fell die kommunale Basis gegen die Berliner Grünen-Spitze durchsetzen und einen Antrag durchbringen, worin sich die Grünen klar zu einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien bekennen. Seitdem streben die Grünen bis zum Jahr 2030 im Stromsektor und bis 2040 in allen anderen Energiesektoren eine hundertprozentige Vollversorgung mit erneuerbaren Energien an. Fell weist darauf hin, dass der Anteil des Ökostroms in Deutschland dank des EEG von 12 Prozent im Jahr 2006 auf 32 Prozent Mitte 2015 gesteigert werden konnte. Schriebe man diese exponentielle Wachstumskurve fort, ergäbe sich tatsächlich circa 100 Prozent Ökostrom bis 2030.

Grüne Politiker haben Kurs von Merkel mitgetragen

Doch in den letzten Jahren habe es auch in der Grünen Partei nicht nur Freunde des schnellen Ausbaus der erneuerbaren Energien gegeben. Insbesondere die bürgerliche Energiewende sei von den Bundesregierungen Merkel/Rösler und Merkel/Gabriel massiv unter Druck gesetzt worden, grüne Entscheidungsträger hätten eine Verschlechterung der Förderbedingungen gegen den Protest eigener Parteimitglieder zum Teil mitgetragen. So sei etwa die Erhebung der EEG-Umlage auf die Ökostromerzeugung ein Vorschlag des Wissenschaftsinstituts Agora Energiewende gewesen. Agora habe unter dem damaligen Chef und grünem Parteimitglied Rainer Baake, ehemals Staatssekretär bei Jürgen Trittin, von Anfang an das Ausbremsen der starken Ausbaudynamik erneuerbarer Energien zum Ziel gehabt. Als Prämisse für die Energiewendearbeit habe Agora angegeben: „Wir arbeiten auf der Basis der gesetzlich formulierten Energiewende-Ziele: Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 und Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung auf mindestens 80 Prozent bis spätestens zum Jahr 2050.“ Damit sei von Anfang an klar gewesen, dass Agora offensichtlich die Ziele der Bundesregierung zum Ausbremsen der Erneuerbaren wissenschaftlich begleitet, folgert Fell. Und ergänzt, dass die Auswirkungen schon jetzt gravierend sind: Die Dynamik der Neugründungen von Bürgerenergiegenossenschaften sei längst eingebrochen, der Ausbau der Solarenergie dümpele auf niedrigem Niveau dahin, der Zubau von Bioenergie, Wasserkraft und Erdwärme sei fast völlig zum Erliegen gekommen. Mit den angekündigten Ausschreibungen bei Windkraft drohe nun das Gleiche der Windbranche. Fell macht deutlich, dass die Bundesregierung ausgerechnet mit einem grünen Staatssekretär die weiteren Verschlechterungen der politischen Rahmenbedingungen für Erneuerbare erbarmungslos durchsetze.

Antragssteller halten es mit Bundeskanzlerin Angela Merkel

Dennoch strebe der Bundesvorstand der Grünen auch auf dem kommenden Parteitag das Ziel der hundertprozentigen Vollversorgung mit Ökostrom bis 2030 an. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume in Schleswig-Holstein, habe jedoch zusammen mit einer Gruppe führender Parteimitglieder nun einen Änderungsantrag eingereicht. Demzufolge solle das Ziel 100 Prozent Erneuerbare Energien auf 2050 verschoben werden. So heißt es in dem Antrag GW-KS-02-210: „Nur so schaffen wir es, bis Mitte dieses Jahrhunderts Deutschland weitgehend CO2-neutral zu entwickeln und binnen zwei Jahrzehnten aus der Kohle auszusteigen.“ Laut Fell will diese Gruppe Kohle- und Erdgaskraftwerke länger als nötig am Netz halten und die Umstellung auf Bürgerenergie verlangsamen. Begründet werde dies vor allem mit der Behauptung, die Umstellung scheine nicht mehr bis 2030 zu schaffen. Fell wirft den Antragstellern vor, es mit der Kanzlerin Angela Merkel zu halten, die auf dem Jahrestag 2015 des Bundesverbands Erneuerbarer Energien (BEE) sinngemäß gesagt haben soll, sie habe sich auch gewundert, wie schnell der Ausbau der Erneuerbaren Energien möglich war – aber in Zukunft könne das nicht mehr so gehen. Sollte dieser Änderungsantrag eine Mehrheit bekommen, dann verabschiedet sich Bündnis 90/Die Grünen vom Selbstverständnis einer offensiven fortschrittlichen ökologischen Partei, sagt Fell. Man würde zurückfallen in das ökologische Mittelmaß und an Glaubwürdigkeit verlieren. Die Parteiführung brauche nun alle Unterstützung von der Basis, um den Frontalangriff dieses Antrags auf die Ökopartei abzuwehren. Die hunderttausende Akteure der Bürgerenergiewende würden nie verstehen, warum ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen eine Verlangsamung des Umbaus der Energieversorgung befürwortet.





Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Projekt PaDiSo: Tipps für die lokale Energiewende

[14.11.2024] Forscherinnen des Projekts PaDiSo haben Handlungsempfehlungen für deutsche Kommunen entwickelt, um sie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems zu unterstützen. Ziel ist es, kommunalen Akteuren praxisnahe Instrumente und Strategien an die Hand zu geben. mehr...

Das Bild ist ein Porträtfoto des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt

Energieministerkonferenz: Der Geist von Brunsbüttel

[11.11.2024] Die Energieministerkonferenz in Brunsbüttel hat mit der „Brunsbütteler Erklärung“ einen deutlichen Appell an die Bundesregierung verabschiedet: Die Ministerinnen und Minister fordern spürbare Entlastungen bei den Strompreisen, eine zügige Umsetzung der Gesetze und eine klare Strategie für erneuerbare Energien und Biomasse. mehr...

Das Bild ist ein Portätfoto von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

BDEW: Energiebranche besorgt über Ampel-Aus

[07.11.2024] Nach dem Bruch der Ampelkoalition warnt der BDEW vor den Folgen für die Energiepolitik. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt schnelles und einvernehmliches Handeln an. mehr...

Auf dem Bild ist ein Umspannwerk zu sehen, im Vordergrund zwei Personen, die sich über einen Plan beugen.

Bundesregierung: KRITIS-Dachgesetz beschlossen

[07.11.2024] Die Bundesregierung hat den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit des Gesetzes, um Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Katastrophen zu machen. mehr...

Auf dem Bild sind Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG, Hessens Energie- und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori und Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef zu sehen. Sie halten ein Plakat in Händen, das das Konzept der Energiewendeviertel illustriert.

Frankfurt am Main: Energiezukunft gemeinsam gestalten

[05.11.2024] Bei einer Veranstaltung der Mainova diskutierten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef und Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über den geplanten Ausbau der Strom- und Wärmenetze in Frankfurt. mehr...

Barcamp 2023 in der SMA Solar Academy. Foto: Heiko Meyer

Energieblogger: Energiewende in Krisenzeiten

[05.11.2024] Wie kann man Menschen trotz globaler Krisen und Konflikte für die Energiewende gewinnen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das 12. Barcamp Renewables Mitte November in Kassel. mehr...

Stuttgart: Status zur Wärmeplanung

[30.10.2024] Die Landeshauptstadt Stuttgart plant bis 2035 eine klimaneutrale Wärmeversorgung und erhält Unterstützung durch das Regierungspräsidium. In einer Ausschusssitzung berichteten Verantwortliche über den Status und die Herausforderungen dieser nachhaltigen Wärmeplanung. mehr...

Die Säulen-Grafik zeigt die Entwicklung der installierten Leistung Erneuerbarer-Energien-Anlagen von 2023 bis 2029.

EWI-Gutachten: Milliardenanstieg bei EEG-Förderungen

[28.10.2024] Die EEG-Förderung für erneuerbare Energien könnte bis 2025 auf über 18 Milliarden Euro steigen – fast eine Milliarde mehr als 2023. Bis 2029 wird eine Verdoppelung der Erzeugungskapazitäten in Deutschland prognostiziert, die Förderzahlungen könnten auf über 23 Milliarden Euro steigen. mehr...

Das Bild zeigt Module einer Freiflächen-Photovoltaikanlage, imHintergrund sind Windräder zu sehen.

Bund-Länder-Kooperationsausschuss: Erneuerbare nehmen Fahrt auf

[28.10.2024] Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland hat im vergangenen Jahr kräftig zugelegt und das Vorjahresniveau deutlich übertroffen. Allerdings bleibt der Ausbau der Windenergie hinter den Erwartungen zurück. mehr...

AEE: Hintergrundpapier zu regelbaren Kraftwerken

[28.10.2024] Um die Stromversorgung in Deutschland auch künftig stabil zu halten, sind ergänzend zu erneuerbaren Energien regelbare Kraftwerke notwendig. Dies zeigt ein neues Hintergrundpapier der AEE. mehr...

Sachsen-Anhalt: Ressortplan Klima beschlossen

[25.10.2024] Das Kabinett von Sachsen-Anhalt hat jetzt einen neuen Ressortplan Klima verabschiedet, der 75 Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes umfasst. Umweltminister Willingmann betonte, dass trotz sinkender Treibhausgasemissionen zusätzliche Anstrengungen notwendig seien, um die Klimaziele zu erreichen. mehr...

Eine Freiflächensolaranlage.

Bremen: Stadtteile sollen direkt profitieren

[17.10.2024] In Bremen soll künftig ein Teil der Erträge von Windkraft- und Freiflächensolaranlagen direkt an die naheliegenden Quartiere fließen können. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Abgabe der Anlagenbetreiber, mit denen die Bremer Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft entsprechende Verträge abschließen kann. mehr...

Die Grafik symbolisiert Zukunftsszenarien für die Energiewende, die sowohl technische als auch soziale Aspekte einbeziehen. Die in blau gehaltene Grafik zeigt Gebäude, Windräder und Strommasten.

Studie: Elektrifizierung im Fokus

[14.10.2024] Wie Deutschland bis 2045 ein klimaneutrales Energiesystem erreichen kann, haben Forscher des KIT, des DLR und des Forschungszentrums Jülich in einem neuen Bericht vorgestellt. Sie betonen die Bedeutung der Elektrifizierung und des Ausbaus der erneuerbaren Energien als zentrale Bausteine der Energiewende. mehr...

Zu sehen ist das historische Rathaus der Stadt Braunschweig.

Braunschweig: Erfolge bei Energieeinsparungen

[11.10.2024] Die Stadt Braunschweig hat einen Energiebericht für ihre städtischen Gebäude vorgelegt. Er dokumentiert, wie die Stadt in den vergangenen Jahren ihren Energieverbrauch und CO2-Ausstoß senken konnte. mehr...

Das Bild zeigt Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack.

Schleswig-Holstein: Solar-Erlass erleichtert Planung

[11.10.2024] Der Solar-Erlass soll den Kommunen in Schleswig-Holstein als Leitfaden bei der Planung und Genehmigung von Freiflächen-Solaranlagen dienen. Die Landesregierung hat den Erlass nun grundlegend überarbeitet. mehr...