Donnerstag, 26. Dezember 2024

WärmeversorgungNiedrige Temperaturen entscheidend

[13.07.2022] Die Fernwärme spielt im Wärmemix der Zukunft eine wichtige Rolle. Dafür braucht sie regenerative Energiequellen, die jedoch nicht ausreichend und überall zur Verfügung stehen und deren Nutzen bezweifelt wird. Wärmequellen im Hochtemperaturbereich haben kaum eine Zukunft.
Diese Solarthermieanlage in Berlin dient der Anhebung der Rücklauf­temperatur einer Fernwärmetrasse.

Diese Solarthermieanlage in Berlin dient der Anhebung der Rücklauf­temperatur einer Fernwärmetrasse.

(Bildquelle: Frank Urbansky)

Für die Fernwärme gibt es einige Alternativen zu Gas und Kohle, aus der sie bisher erzeugt wird. Im Hochtemperaturbereich ist das vor allem Biomasse, aber auch Indus­trieabwärme, im Niedertemperaturbereich kommen großflächige Solarthermie und andere, schwächere Abwärmequellen zum Einsatz, etwa aus der Kanalisation.
Wärmequellen im Hochtemperaturbereich werden jedoch kaum eine Zukunft haben. Der Förderstopp des Bundeswirtschaftsministeriums für den KfW-55-Standard, so umstritten er auch war, zeigt, wohin die Reise geht. Zwar wird damit zunächst auch der KfW-40-Standard nicht gefördert, er wird aber in vier Jahren in Form des neuen Effizienzhaus-40-Standards Pflicht für den Neubau werden. Dafür werden etwa 50 bis 60 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr und Quadratmeter an Wärmeenergie verbraucht. Fernwärme mit hohen Temperaturen kann in solchen Häusern nicht effizient arbeiten. Die abgenommenen Wärmemengen wären zu gering, die Rücklauftemperaturen und damit weitere Netzverluste zu hoch. Hier reichen Wärmequellen mit Vorläufen von 35 oder 50 Grad Celsius aus, wie sie Niedertemperatur-Wärmenetze, etwa für Quartierslösungen, bieten. Diese lassen sich auch leichter ergrünen. Entweder nutzen sie direkt die Umgebungswärme des Erdreichs, etwa bei kalten Nahwärmenetzen oder bei Erdsondensystemen, oder Wärmequellen, die vor Ort etwa als Biogas für ein Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Verfügung stehen.

Zukunft des Heizens ist elektrisch

Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Zukunft des Heizens elektrisch sein und durch Wärmepumpen garantiert wird. Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles Gutachten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Das Projekt „Weiterentwicklung, modellhafte Anwendung und Verbreitung der Energieanalyse aus dem Verbrauch (EAV) für die Wohnungswirtschaft“ empfiehlt die Umstellung der Wärmeerzeugung primär auf Wärmepumpen, den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung mit Photovoltaik und Windkraft und die energetische Modernisierung von Gebäuden im üblichen Sanierungszyklus.
Grundlage dieser drastischen Einschätzung ist der niedrigste äquivalente CO2-Preis, also Investitionskosten oder jährliche Kapitalkosten je eingesparter Tonne CO2. Das bisherige Förderprogramm der KfW wurde vom Bundeswirtschaftsminister auch im Hinblick auf eine Umstellung einer neuen Förderung genau nach diesen Kriterien gestoppt.
Solarthermie und Fernwärme werden als wenig dienlich für die Erfüllung dieser Kriterien angesehen. Solarthermie auf dem Dach, in der großen Variante auch eine Option für grüne Fernwärme, steht in Flächenkonkurrenz insbesondere zu gebäudenah erzeugter Photovoltaik. Fernwärme passt aufgrund der hohen Temperaturniveaus nicht in diese Energiewelt mit hochgedämmten und deswegen energetisch hocheffizienten Häusern. Allenfalls Niedertemperaturnetze auf Quartiersebene könnten noch Akzeptanz finden. Dazu gehören etwa Erdreichflächen in Form von Flächenkollektoren oder Erdsonden als Anergiequellen, aber auch Windkraftanlagen und PV-Flächen als Exergie-Lieferant für die elektrische Energie zum Antrieb von Wärmepumpen und Pumpen für den Netztransport. Im Gutachten wird deswegen gefordert, konventionelle Nah- und Fernwärmesysteme auch in dicht besiedelten Gebieten nicht weiter auszubauen.

Ein weiter Weg

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Selbst die Ziele der Bundesregierung für 2030 lassen kaum Zeit. Und schon gar nicht, wenn 2025 nur noch neue Heizungen mit 65 Prozent erneuerbarer Energie zugelassen werden. Hier werden die Kunden von Fernwärme – Wohn- und Immobilienunternehmen – darauf drängen, dass die Netze grün werden. Dafür stehen einige Technologien zur Verfügung. Für den Hochtemperaturbereich, wie die in den klassischen Wärmenetzen vorherrschenden Vorlauftemperaturen von 105 Grad Celsius, eignet sich Biomasse, auch wenn ihr Einsatz vor Ort wegen der Feinstaub- und Stickoxidbelastung umstritten ist. Helfen können hier Kessel mit hohen Verbrennungstemperaturen und Filter. Biomasse kann in fester Form oder durch Biogas in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zum Einsatz kommen. In Form von Hackschnitzeln, Stück- oder Restholz ist sie deutlich günstiger als Kohle oder Gas. Da der Primärenergiefaktor bei 0,0 bei KWK und 0,1 bei direkter Nutzung liegt, kann diese Art von erzeugter Wärme auch die geplanten rechtlichen Vorgaben komplett abdecken.
Auch Holzvergaser sind denkbar. Sie wandeln bei 800 Grad Celsius Brennholz in ein Synthesegas um. Die Anlagen bestehen aus einem Reaktor mit zwei getrennten Modulen. In einem Reaktorhaus erfolgt die Pyrolyse zum so genannten Holzgas. Das wiederum kann entweder zum Betrieb von Heizkesseln mit einem Wirkungsgrad von gut 90 Prozent dienen oder aber zum Betrieb von Motoren, etwa in BHKW. Gerade letztere wären für die Industrie und die Energiewirtschaft interessant. Am Markt sind sie in Leistungsgrößen von 50 Kilowatt (kW) und vier Megawatt (MW) thermisch sowie fünf kW bis zwei MW elektrisch verfügbar. Üblicher ist der Einsatz in den hohen Leistungsbereichen. Als Brennstoff werden häufig Holzhackschnitzel genutzt. Eingesetzt werden klassische Schwachgasmotoren, die auch in Biogas-BHKW zum Einsatz kommen.

Solarthermie als unterstützende Wärmequelle

Eine zweite, wenn auch nur unterstützende Wärmequelle, ist die Solarthermie. Sie kann zumindest ortsnah in Netze eingespeist werden oder aber zum Anheben der Rücklauftemperatur direkt in den Fernwärmezentralen dienen. Ein solches Projekt hat Vattenfall in Berlin realisiert. Das Kollektorfeld mit einer Größe von 1.058 Quadratmetern steht direkt neben dem Heizkraftwerk. Es kann 440 Megawattstunden (MWh) im Jahr erzeugen. Der Betrieb startete 2018 und soll 25 Jahre laufen. Allerdings ist Deutschland kein Solarthermieland. 2021 wurde nur eine einzige Großanlage gebaut, und zwar die Kollektoranlage der Stadtwerke Mühlhausen mit 5.691 Quadratmetern Bruttokollektorfläche. Im Vorjahr wurden nach Angaben des Steinbeis Forschungsinstituts Solites von Fernwärmeversorgern noch mehr als 31.000 Quadratmeter in Betrieb genommen. Derzeit stünden mehrere große Anlagen mit etwa 38.000 Quadratmetern kurz vor der Fertigstellung. Aktuell speisen 45 solarthermische Großanlagen mit einer Bruttokollektorfläche von 112.325 Quadratmetern und 79 MW Leistung in deutschen Wärmenetze ein.

Geothermie und Abwärme

Eine weitere Quelle ist tiefe Geothermie, auch wenn deren Potenziale hierzulande vor allem auf Süddeutschland und die Norddeutsche Tiefebene beschränkt sind. Derzeit trägt diese Art der Energieversorgung nur zu 0,085 Prozent zum deutschen Primärenergieverbrauch bei. Die Bohrungen hierfür können bis zu 5.000 Meter tief sein und dort Wasserquellen nutzen, die weit über 100 Grad Celsius heiß sind. Damit können die Quellen auch zur Stromerzeugung verwendet werden.
Ein noch weitgehend unerschlossenes Potenzial ist die Abwärmenutzung. Die neue Bundesregierung will insbesondere die Abwärme aus Rechenzentren nutzen und hat dies im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Alle deutschen Rechenzentren zusammen produzieren jedes Jahr 13 Milliarden kWh Abwärme, das entspricht etwa zwei Prozent des gesamten Wärme-Energieverbrauchs aller Haushalte. Im Frankfurter Gallusviertel wird ein Wohnquartier mit über 1.300 Wohneinheiten errichtet. Der größte Teil der Wärme dafür stammt aus der Abwärme eines Rechenzentrums auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mainova wird als Contractor 15 Jahre lang die Wärme, die zu mindestens 60 Prozent aus der Abwärme des Rechenzentrums gewonnen wird, liefern. Der Rest kommt aus dem Fernwärmeangebot, unter anderem aus einem Müllheizkraftwerk.

Frank Urbansky




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