WärmenetzeNeue Entwicklungen senken Kosten
Wärmenetze bieten allen Beteiligten viele Vorteile: Angeschlossene Hauseigentümer müssen sich nicht mehr um ihre Heizungsanlage kümmern. Sie sind weniger abhängig von Preissteigerungen bei fossilen Energieträgern und profitieren in vielen Fällen von günstigeren Wärmekosten als bei dezentralen Versorgungsalternativen. Kommunen erhöhen durch Wärmenetze ihre Versorgungssicherheit und halten die Wertschöpfung im Ort; für Energieversorger ist vor allem die langfristige Kundenbindung interessant. Eine höhere Energieeffizienz durch die zusätzliche Nutzung von Abwärme und erneuerbaren Energien neben der effizienten Kraft-Wärme-Kopplung schont außerdem das Klima. Kurzum: Wärmenetze sind besonders geeignet, um die Energiewende im Wärmesektor voranzutreiben.
Dreifach gedämmte Stahlrohre
Jüngste technische Fortschritte können die leitungsgebundene Wärmeversorgung jetzt weiter voranbringen. Seit Kurzem bieten Hersteller beispielsweise dreifach gedämmte Stahl-Doppelrohre an. Sie reduzieren die Wärmeverluste gegenüber konventionellen Rohren auf die Hälfte und sparen so Betriebskosten. Da Wärmenetze aus Stahlrohren eine Lebensdauer von 40 oder sogar 50 Jahren aufweisen, können über einen langen Zeitraum hinweg Kosten gespart werden.
Bessere Steuerungs- und Regelungstechniken sowie eine große Temperaturspreizung minimieren die Netzverluste zusätzlich. So lässt sich der hydraulisch bislang als schwierig eingeschätzte Betrieb von Wärmenetzen mit mehreren Einspeisepunkten oder mit dezentralen Pufferspeichern durch eine moderne Regelung mittlerweile gut beherrschen. Dadurch ist es teilweise möglich, die Rohrleitungsquerschnitte zu reduzieren. Das spart Material, senkt die Netzverluste und verringert die Kosten, was wiederum den angeschlossenen Haushalten und den Betreibern neuer Wärmenetze zugutekommt. Eine bessere Förderung senkt seit diesem Jahr zudem die Kostenbelastung im Südwesten.
Praktisches Beispiel dieser Effekte liefert ein Forschungsprojekt zur Optimierung von Anlagen zur Trinkwarmwasserbereitung in Mehrfamilienhäusern. Die Rücklauftemperatur der Hausstationen ließ sich hier deutlich reduzieren. Die von der Hochschule München in Kooperation mit den Stadtwerken München entwickelten Anlagen schaffen es trotz Warmwasserzirkulation, Rücklauftemperaturen im Bereich zwischen 16 und 30 Grad Celsius zu erreichen. Bislang waren oft 50 bis 60 Grad üblich. Ist die Differenz zwischen Vorlauf- und Rücklauftemperatur größer, kann mit weniger Pumpstrom mehr Energie transportiert werden. Durch diese so genannte Temperaturspreizung sinken sowohl die Netzverluste als auch die Kosten.
Förderung für Wärmenetze
Staatliche Förderung erleichtert die Finanzierung von Wärmenetzen enorm: Der Bund beispielsweise bietet zinsgünstige Darlehen der KfW Bankengruppe sowie Tilgungszuschüsse an. Baden-Württemberg wiederum stellt für den Ausbau der Wärmenetzinfrastruktur seit diesem Jahr insgesamt 8,8 Millionen Euro an Fördergeldern zur Verfügung. Mit bis zu 400.000 Euro unterstützt das Land Investitionen von Landkreisen, Städten und Gemeinden. Hinzu kommen Gelder für regionale Netzwerkinitiativen und Klimaschutzteilkonzepte mit dem Schwerpunkt Wärmenetze. Das Förderprogramm soll dazu beitragen, den Anteil erneuerbarer Wärme von heute 14 Prozent auf 21 Prozent im Jahr 2020 anzuheben.
#bild2 Die Nachfrage ist groß. In den ersten beiden Antragsrunden bewilligte das Land von 22 Anträgen insgesamt die Hälfte. Unter anderem werden mit dem Förderbetrag von insgesamt 1,72 Millionen Euro sieben Bioenergiedörfer unterstützt. Sie wollen überschüssige Wärme aus bestehenden Biogasanlagen in neu errichtete Nahwärmenetze einspeisen. Viele der Anlagen nutzen bislang nur den Strom. Damit ist ein weiterer Schritt getan, die Effizienz vieler Biogasanlagen zu verbessern.
Nicht zuletzt bringen engagierte regionale Initiativen den Ausbau der Wärmenetze in Städten und Gemeinden voran. In Baden-Württemberg gibt es inzwischen etwa acht solcher Initiativen, drei weitere stehen vor ihrer Gründung. Sie erhalten vom Land eine finanzielle Förderung über einen Zeitraum von drei Jahren. Das Kompetenzzentrum Wärmenetze unter dem Dach der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg führt die Arbeit der regionalen Initiativen in einem landesweiten Netzwerk zusammen. Damit lassen sich Personalkapazität und Ressourcen bündeln und die Wirksamkeit insgesamt erhöhen.
Die jüngsten technischen und finanziellen Fortschritte werden die klimafreundliche Wärmeversorgung ein gutes Stück voranbringen. Wärmenetze könnten künftig in den Kommunen so selbstverständlich werden wie Abwasserleitungen: Es besteht ja auch niemand auf einer eigenen Kläranlage im Keller.
Forschung in Dänemark
Die jüngsten technischen Fortschritte in Deutschland stellen aber bei Weitem noch nicht das Ende der Entwicklungsmöglichkeiten dar. Wenn es um Wärmenetze geht, lohnt sich ein Blick nach Dänemark. Der nördliche Nachbar schreibt derzeit Erfolgsgeschichte bei der Fernwärme. Energieträger sind dabei erneuerbare Energien, wie zum Beispiel die Solarthermie. In den Jahren 2013 bis 2016 errichteten die Dänen zahlreiche Anlagen mit einer Gesamtnennleistung von 700 Megawatt (MW) thermisch. Die gesamte Kollektorfläche hat sich dadurch von knapp 300.000 Quadratmetern auf 1,3 Millionen Quadratmeter erhöht. Einige dieser Anlagen werden in Kombination mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen betrieben. Insgesamt sind in Dänemark 911 MW an solarthermischen Großanlagen installiert; Anlagen mit einer Gesamtkapazität von mehreren 100 MW befinden sich derzeit in der Planung.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Entwicklung in Dänemark sind flexible Gesamtsysteme zur Strom- und Wärmeerzeugung. Mit ihnen nehmen die lokalen, meist genossenschaftlich organisierten Energieversorger an einem sich stark wandelnden Stromhandelsmarkt teil. Ein Beispiel ist das Demonstrationsprojekt Sunstore 4 auf der Insel Aero. Es umfasst eine Solarkollektorfläche von 33.300 Quadratmetern und einen 85.000 Kubikmeter fassenden Erdbeckenspeicher. Der dänische Verband strebt bis zum Jahr 2030 eine Solarkollektorfläche von acht Millionen Quadratmetern in Fernwärmesystemen an.
Um das gesamte System Wärmenetz mit allem was dazugehört weiter zu optimieren, startete in Dänemark bereits im Jahr 2012 der Forschungsschwerpunkt Wärmenetze der vierten Generation (4th Generation District Heating; 4DH) mit internationaler Beteiligung. Involviert sind acht Universitäten und 22 Hersteller, die sich auf die Länder Dänemark, Schweden, Kroatien und China verteilen.
Flexible Temperaturen im Netz
Das wesentliche Ziel besteht darin, Wärmenetze effizient und flexibel zu machen. Eine Maßnahme ist die im Vergleich zu heute nochmals deutliche Absenkung der Temperaturen – auch dann, wenn ältere Bestandsgebäude angeschlossen sind. Angestrebt werden im Vorlauf Werte von 50 Grad Celsius und im Rücklauf von 20 Grad Celsius. Nur an sehr kalten Tagen sind höhere Netztemperaturen erforderlich, um die notwendigen Wärmeleistungen bereitzustellen. Im Rahmen der Forschungsarbeiten werden deshalb für unsanierte und sanierte Bestandsgebäude umfangreiche Gebäudesimulationen sowie Fallstudien in bestehenden Wärmenetzen durchgeführt. Damit lassen sich die Möglichkeiten und die Grenzen der Niedertemperaturwärmeversorgung ermitteln. Um auch bei niedrigen Temperaturen die Vorschriften zur Trinkwasserhygiene einzuhalten, sind außerdem Lösungsansätze für die Warmwasserversorgung gefragt.
Integration von Wärmespeichern
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Steigerung der Systemflexibilität durch die Integration von Wärmespeichern und die Entwicklung von Einsatzstrategien für deren optimale Betriebsweise. Versuche, die an bestehenden Großspeichern in Dänemark durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass die Verluste saisonaler Erdbeckenspeicher nicht nur von der Bauart, sondern auch von der Betriebsweise abhängen. Darüber hinaus untersuchen die Projektpartner, wo die optimale Grenze zwischen Wärmelieferung und Durchführung von Gebäude-Energiesparmaßnahmen liegt. Ebenso wird der Frage nachgegangen, wie hoch der Anteil von Wärmenetzen und Einzelheizungen in einer zukünftigen, CO2-neutralen Wärmeversorgung sein soll.
Für eine vollständig CO2-neutrale Wärmeversorgung müssen in Zukunft auch Niedertemperatur-Wärmeströme mithilfe von großen und leistungsfähigen Wärmepumpen genutzt werden. Dazu zählen die Geothermie, die industrielle Abwärme, die Abwärme von Kühlanlagen und sogar von Lüftungsanlagen. Die Beteiligten des Forschungsprojekts entwickeln Lösungsansätze, wie sich derartige Wärmequellen und die Wärmepumpen am besten in das System der Wärmenetze der vierten Generation einbinden lassen.
Um die Grundlage für eine umfassende Wärmewende zu bereiten, sollten in Deutschland vergleichbare Entwicklungsschritte vollzogen werden, wie sie der Forschungsschwerpunkt 4DH aufzeigt.
Dieser Beitrag ist in stadt+werk, Ausgabe 7/8 2017, erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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