Donnerstag, 26. Dezember 2024

OstmünsterlandNetzzustand genau im Blick

[09.02.2021] Die Auslastung ihrer Verteilnetze analysieren die Stadtwerke Ostmünsterland mithilfe der Lösung GridEye. Maßnahmen für die Netzplanung und -instandhaltung können so gezielt und auf Basis tatsächlicher Messwerte geplant werden.
Stadtwerke Ostmünsterland messen mit GridEye-Feldgeräten die Auslastung ihrer Verteilnetze.

Stadtwerke Ostmünsterland messen mit GridEye-Feldgeräten die Auslastung ihrer Verteilnetze.

(Bildquelle: Stadtwerke Ostmünsterland)

Mit der Energiewende gewinnt Strom als Energieträger an Bedeutung: Immer mehr Öl- und Gasheizungen werden von elektrischen Wärmepumpen abgelöst, die wachsende Zahl an Elektrofahrzeugen verlangt eine entsprechende Ladeleistung und parallel steigt die dezentrale Stromeinspeisung, beispielsweise durch Photovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerke. Diese und weitere Effekte bringen für Betreiber von Verteilnetzen neue Rahmenbedingungen mit sich: Der Stromverbrauch steigt, die Flussrichtung im Netz ist bidirektional, die Netzauslastung wird volatiler und dadurch schwieriger zu prognostizieren.
Während in dicht bebauten Großstadtzentren die Zunahme an Ladestationen zu einem der Haupteinflussfaktoren gehört, sind es im Netzgebiet der Stadtwerke Ostmünsterland vor allem neue dezentrale Stromerzeuger oder Hausanschlüsse, die eine höhere Netzauslastung verursachen. Die damit verbundenen Leistungsspitzen bedeuten, dass manche Bestandskabelstrecke bald ans Limit kommen könnte. Um nicht auf Verdacht Netzverstärkungen vorzunehmen, sondern Investitionen in die Infrastruktur gezielt zu steuern, wollten die Netzplaner der Stadtwerke Ostmünsterland Gewissheit.
Genau diese bietet ihnen seit zwei Jahren die Smart-Grid-Lösung GridEye des Essener Unternehmens depsys. Dabei handelt es sich um eine digitale Toolbox zur Optimierung von Verteilnetzen. Die aus Hard- und Software bestehende Lösung unterstützt die Planung, den Betrieb, das Überwachen und Analysieren. Darüber hinaus ermöglicht GridEye die Automatisierung und Optimierung des Netzes.

Daten schaffen Wissen

Die Hardware – die im Netz installierten Feldgeräte – liefert präzise Messwerte in Echtzeit. Diese Daten stehen sowohl für das Netz-Management bereit als auch für Analysen, die etwa bei Netzplanung und -instandhaltung helfen. Außerdem kann die Hardware den Netzbetrieb vereinfachen, indem sie regelbare Netzkomponenten automatisch ansteuert und so die Netzstabilität und -qualität verbessert. Die GridEye-Software besteht aus verschiedenen Modulen, mit denen das Beobachten des Netzes, das Bewerten der Spannungsqualität, die Analyse von Vergangenheitsdaten und vieles mehr möglich sind.
Bei den Stadtwerken Ostmünsterland stehen die Analysen und ihr Nutzen für die Netzplanung und -instandhaltung im Vordergrund. Die Kernfrage lautet: Weist das Verteilnetz bei einer künftig steigenden Last oder bei der Anbindung neuer Hausanschlüsse oder Einspeiser Flaschenhälse auf? „Natürlich kann eine Netzplanung auf Basis von Simulationen und Standardlastprofilen erfolgen“, sagt Daniel Recker, bei den Stadtwerken Ostmünsterland verantwortlich für den Stromnetzbezirk Ennigerloh/Oelde. „Aber das ist eine Schätzung – mit dem Restrisiko einer Fehleinschätzung.“ Er möchte es genau wissen.
Die GridEye-Geräte liefern die passenden Daten; sie messen Strom und Spannung exakt und in Echtzeit. Die Werte stehen in verdichteter Form auf den GridEye-Servern auch rückwirkend zur Verfügung und können mit der zugehörigen Software ausgewertet oder zur Analyse in Fremd-Software exportiert werden. Auf diese Weise lässt sich die Netzsituation perfekt auswerten, denn die Daten zeigen den Tagesverlauf auf und machen zum Beispiel Effekte wie die Auswirkung sonnenreicher Tage auf die Photovoltaikeinspeisung transparent.

Lösung wächst mit

Bei den Stadtwerken Ostmünsterland wird nicht das ganze Netzgebiet auf einmal untersucht, sondern einzelne Abschnitte. Gemessen wird zum Beispiel dort, wo eine Instandhaltungs- oder Ausbaumaßnahme auf ihre Wirkung überprüft werden soll. Oder vor Neuanschlüssen, wie Recker berichtet: „Bevor neue Einspeiser oder Lasten angeschlossen werden, platzieren wir die GridEye-Geräte über einige Wochen oder Monate im jeweiligen Netzabschnitt und erhalten so ein gutes Bild von der Auslastung. So können wir zuverlässig vorhersagen, ob der Zweig für die kommenden Anforderungen ausreichend dimensioniert ist.“ Dadurch kann manche Netzverstärkung vermieden oder zumindest verschoben werden.
Weitere interessante Analysemöglichkeiten sieht Recker beispielsweise in der Power-Quality-Bewertung. Zwar sei Spannungsqualität noch kein Thema im Netz der Stadtwerke Ostmünsterland, das könne sich durch den Zubau weiterer Energieanlagen und Verbraucher aber noch ändern – sie alle sind potenzielle Netzverschmutzer, die Oberwellen oder eine Phasenverschiebung verursachen können.
Recker ist sich sicher: Der Bedarf an Messwerten wird steigen. „Die Investition in die Digitalisierung des Verteilnetzes ist eine Investition in die Zukunft. Denn die Kenntnis über den Netzzustand wird durch die Anforderungen der Energiewende immer wichtiger.“ Die Skalierbarkeit der depsys-Lösung kommt den Stadtwerken Ostmünsterland, in deren Gebiet etwa 110.000 Menschen wohnen, entgegen. „Das war ein wichtiges Kriterium. So konnten wir vor zwei Jahren mit einem Set von drei Geräten beginnen und wussten, dass wir das System bei steigendem Transparenzbedarf erweitern können“, meint Daniel Recker.

Netzbetrieb vereinfachen

Neben der beschriebenen Transparenz bietet GridEye auch die Möglichkeit, den Netzbetrieb zu vereinfachen, indem regelbare Komponenten direkt von den GridEye-Geräten angesteuert werden. Ein Beispiel ist die Einspeisebegrenzung und das optimale Managen von Wechselrichtern wie am Schweizer Flugplatz Birrfeld. Dort drohte eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 200 Kilowatt Peak (kWp) auf dem Hangar die Spannungsqualität für die an derselben Trafostation angeschlossenen Kunden zu gefährden.
Eine Lösung wäre gewesen, das Netz gezielt zu verstärken, doch der Versorger IBB Energie entschloss sich stattdessen, GridEye zu installieren. Hier genügten zwei Feldgeräte. Eins misst die Spannung am Transformator, das andere ist nahe der zehn Wechselrichter des Photovoltaikkraftwerks platziert. Dieses Gerät greift bei Bedarf ein. Im Gegensatz zur einfachen Wirkleistungsreduktion bei drohender Netzüberlastung steuert es die Blindleistung. Nur bei maximalem Blindleistungsbezug verringert der GridEye-Algorithmus die Wirkleistung. So wird zum einen das Spannungsband eingehalten, zum anderen eine maximale Leistungseinspeisung ermöglicht.

Ralf Dunker ist freier Autor in München.




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