HanauNachhaltigkeitsziele im Blick
Der Magistrat der Stadt Hanau hat jetzt dem Bebauungsplanentwurf für die ehemalige Großauheim-Kaserne und der anschließenden Offenlage zugestimmt. Abschließend wird noch die Stadtverordnetenversammlung über die Vorlage entscheiden, teilt die hessische Kommune mit. „Ziel der Planung ist es, die brachliegende, ehemals von der US-Armee genutzte Großauheim-Kaserne als Gewerbegebiet, insbesondere zur Nutzung durch Rechenzentren, zu entwickeln“, erläutert Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). Ergänzend zum Bebauungsplan werde mit dem Projektträger, P3 Hanau S.a.r.l, ein städtebaulicher Vertrag abgeschlossen. „Dieser Vertrag ist etwas Besonderes: In hervorragender Partnerschaft – aber auch in schweren Verhandlungen mit dem Investor P3 – haben wir uns auf messbare Nachhaltigkeitsziele für den Betrieb der Rechenzentren verständigen können“, berichtet Kaminsky.
Erfahrungsaustausch mit anderen Städten
„Wir machen damit auch einen ersten Aufschlag, um mit benachbarten Kommunen und regionalen Institutionen über gemeinsam abgestimmte Leitlinien und Qualitätsanforderungen für zukünftige Ansiedlungen von Rechenzentren im Rhein-Main-Gebiet zu diskutieren“, fährt der Oberbürgermeister fort. Insbesondere die Frage der Stromversorgung, der Beanspruchung von Ressourcen wie Fläche und Trinkwasser sowie die Emissionen, die nicht vor Gemeindegrenzen haltmachen, zeigen, dass es sich bei der Standortnachfrage von Rechenzentren mindestens um ein Thema mit einer regionalen Dimension handelt. Ein Erfahrungsaustausch mit anderen Städten sei daher bereits angedacht und es seien diesbezüglich auf Arbeitsebene erste Kontakte mit Frankfurt, Offenbach, dem Regierungspräsidium Darmstadt und dem Regionalverband FrankfurtRheinMain geknüpft worden.
Klimafreundliche Fernwärme
Für den Standort Großauheim-Kaserne plant der Projektentwickler P3 Gebäude für die Ansiedlung von Rechenzentren mit einer Anschlussleistung im Endausbau von 180 MW, so der Bericht aus Hanau. Dies entspreche etwa der doppelten Jahresleistung der Stadt inklusive der Großindustrie der vergangenen Jahre. Diese Dimension sei in der bundesweiten Gesamtschau der Entwicklung von Rechenzentren als Großprojekt (Hyperscale Data Center) einzustufen, das auch im europäischen Vergleich beachtenswert sei.
Darüber hinaus seien die Ansiedlung von Blockheizkraftwerken zur modernen und klimafreundlichen Fernwärmeerzeugung und eine Freiluftschaltanlage (Umspannwerk) vorgesehen.
Vier Blockheizkraftwerke
Die Stadtwerke Hanau würden in Kooperation mit ihrer Muttergesellschaft Mainova auf einer Teilfläche vier Blockheizkraftwerke errichten, um nach Auslaufen der Lieferverträge Ende 2024 die Fernwärmeversorgung für die Stadt Hanau in eigener Verantwortung sicherzustellen. Bislang werde die Fernwärme durch das Kraftwerk Staudinger/Uniper geliefert. Hierfür soll das Gebiet an eine bestehende Ferngasleitung angeschlossen werden. Auf dem südlichen Teil der Großauheim-Kaserne werde eine Freiflächenphotovoltaikanlage mit einer Jahresleistung von rund sieben Megawatt entstehen. Hierfür werde derzeit ein eigenständiger vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt. Durch die ortsnahe Erzeugung von Wärme und Strom entstehe eine weitere Möglichkeit von Synergieeffekten, beispielsweise durch die Einspeisung des geernteten Solarstroms in die Energieversorgung der Rechenzentren.
Chancen für Kommunen
„Die Ansiedlung von Rechenzentren bietet große Chancen für Kommunen, denn es können Altstandorte einer Verwertung zugeführt werden, die ansonsten eventuell dauerhaft brachliegen würden, weil die Aufbereitung nicht finanzierbar wäre“, erläutert Oberbürgermeister Kaminsky. Die Nutzung erzeuge keine nennenswerte (Schwer-)Verkehrsbelastung. Gerade bei größeren Flächen, die sonst vor allem von Logistikern nachgefragt würden, bietet sich so eine Nutzungsalternative mit sehr geringer Verkehrsbelastung. Kaminsky betont: „Auch für den Standort Großauheim-Kaserne ist dies ein wichtiges Kriterium.“ Im Umfeld von Rechenzentren erhöhe sich zudem die Chance von weiteren attraktiven Unternehmensansiedlungen aus der IT-Branche und auch das Gewerbesteueraufkommen sei attraktiv und nicht exportabhängig.
Großprojekt im Kontext der Klimaziele
Trotzdem dürfe nicht aus dem Blick verloren werden, dass es sich um ein Großprojekt handelt, das auch im Kontext der Klimaziele der Stadt Hanau zu betrachten ist. „In der Gesamtschau aller Argumente und nach ernsthafter Würdigung der Gutachten und Auswirkungsanalysen wollen wir uns dem Projekt nicht entgegenstellen“, so Kaminsky. Das Bebauungsplanverfahren für die Großauheim-Kaserne biete die besondere Möglichkeit für die Stadt Hanau, die Entwicklung aktiv und gestaltend zu begleiten und alle Spielräume auszuschöpfen, um für die Stadt, aber auch auf regionaler Ebene im Austausch mit den anderen Kommunen auf eine ressourcenschonende und klimaverträgliche Steuerung der Gesamtentwicklung der Branche in der Region hinzuwirken.
Strom aus Erneuerbaren
Wie Kaminsky weiter erläutert, werden im städtebaulichen Vertrag – neben den üblichen Regelungen zur Erschließungsplanung, zu Artenschutzmaßnahmen oder zu Kostenübernahmen – die Vereinbarungen zum Thema Nachhaltigkeit in einer eigenen Vertragsanlage geregelt. Diese Vertragsanlage ist in den nachgelagerten Verträgen zwischen dem Investor P3 und den zukünftigen Nutzern des Rechenzentrumscampus zu berücksichtigen, sodass die Zielsetzungen verbindlich an Rechtsnachfolger des Projektentwicklers weitergegeben werden, informiert Hanau.
Es werde vereinbart, dass der genutzte Stromanteil bei Inbetriebnahme zu 80 Prozent und nach fünf Jahren zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen muss. Auch soll vorzugsweise regional erzeugte Energie genutzt und in einen zertifizierten lokalen Klimafonds der Stadt Hanau eingezahlt werden.
Nutzung von Abwärme
Die Energieeffizienz der Rechenzentrumsinfrastruktur und der Kühlung müsse sich an den Kriterien des Zertifikats „Blauer Engel für Colocations-Rechenzentren“ orientieren. Ebenfalls würden Möglichkeiten der Nutzung von Abwärme geprüft. Weitere Anforderungen seien die Bilanzierung und Reduzierung des CO2-Ausstoßes und die Vermeidung des Einsatzes von klimaschädlichen Substanzen (Treibhausgase, Kältemittel, Emissionen der Notstromaggregate). Regelmäßig soll eine Dokumentation und Überprüfung durch unabhängige Sachverständige stattfinden.
„Ein wesentliches Ziel der Stadt ist es, dass die vereinbarten Ziele im Zeitverlauf dynamisch an den technischen Fortschritt angepasst werden. Es werden nicht nur einmalig Vorgaben für die Anlagentechnik definiert, sondern im Sinne eines Monitorings kontinuierlich die tatsächlichen laufenden Verbrauchswerte gemessen und bewertet“, erklärt der Oberbürgermeister.
Besondere Standortgunst
„Die Stadt Hanau ist Teil einer Region, in der aufgrund der Nähe zum in Frankfurt beheimateten Internet-Knoten DE-CIX eine besondere Standortgunst für die räumliche Konzentration von Rechenzentren besteht. Wenn die Stadt auf ihrer eigenen Gemarkung sich gegen ein solches Großprojekt wenden würde, so entstünden in Kommunen im näheren Umfeld zahlreiche Anlagen, deren Auswirkungen auf Hanau ausstrahlen“, erläutert der Oberbürgermeister. Die Stadt wäre von Wirkungen betroffen und könnten keinerlei Einfluss darauf nehmen und das auch noch, ohne an den oben dargestellten Chancen zu partizipieren. „Da die Digitalisierung ein globaler Trend ist, werden hierfür neue Infrastrukturen benötigt. Dies ist ein neuer Aspekt der Daseinsvorsorge, für die die öffentliche Hand auf allen Ebenen die Verantwortung trägt. In Hanau haben wir uns dieser Aufgabe angenommen“, so Kaminsky.
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