Freitag, 22. November 2024

InterviewNach vorne denken

[02.04.2013] Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig erklärt im Interview mit stadt+werk, warum es so wichtig ist, die Solarindustrie auf feste Pfeiler zu stellen und welche Maßnahmen hierfür ergriffen werden sollten.
Matthias Machnig: Die Solarwirtschaft ist eine der Zukunftsindustrien in Thüringen.

Matthias Machnig: Die Solarwirtschaft ist eine der Zukunftsindustrien in Thüringen.

(Bildquelle: Thüringer Wirtschaftsministerium)

Herr Minister, das Thüringer Wirtschaftsministerium hat im Herbst vergangenen Jahres ein Strategiepapier zur Zukunft der Solarbranche vorgelegt. Was waren die Gründe dafür, ein solches Dokument gemeinsam mit dem Kompetenznetzwerk SolarInput zu verfassen?

Vor dem Hintergrund von Dumping-Preisen aus China und Insolvenzen deutscher Unternehmen brauchen wir eine Strategie für die Solarbranche. Mit unserem Strategiepapier soll industriepolitisch nach vorne gedacht werden. Wir brauchen keine schwarz-gelben Abbruchkonzepte, sondern Ideen, die Deutschland als Standort der Erneuerbaren-Energien-Branche weltmarkttauglich machen und die Solarindustrie auf feste Pfeiler stellen. Dazu zählen zum Beispiel die Etablierung einer eigenen Marke für Photovoltaikprodukte, eine Neuausrichtung der Installationskostenförderung durch die KfW sowie ein neues Marktdesign, das geeignete Rahmenbedingungen für das Wachstum der erneuerbaren Energien schafft, sowie eine Überarbeitung und Aktualisierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Welche Handlungsfelder werden in dem Strategiepapier angesprochen?

Wir haben ein breites Spektrum an Handlungsfeldern definiert: von industriepolitischen Maßnahmen über Marktinstrumente bis hin zu Innovationen und Marktstrategien. Darunter fallen die Erweiterung von Kriterien bei der KfW-Förderung, die grundlegende Überarbeitung des EEG, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben und der Ausbau lokaler Vorhaben. Außerdem plädieren wir für die Gründung einer Thüringer Solargesellschaft, welche die hiesigen Unternehmen beim Sprung aufs internationale Parkett unterstützen soll. Und wir wollen den Ausbau von Forschung und Entwicklung stärken.

Wie kann die Politik die Solarbranche stärken?

Da gibt es viele Möglichkeiten: Wir haben in Thüringen spezielle Förderprogramme wie das 1.000-Dächer-Programm, mit dem wir Kommunen beim Photovoltaikausbau unterstützen, wir fördern Unternehmen, die Solarparks errichten, und wir haben kürzlich eine Studie durchgeführt, die Brachflächen benennt, auf denen potenzielle Investoren Solarfelder bauen können. Außerdem haben wir eine Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur, deren Mitarbeiter Unternehmen, Privatleute und öffentliche Einrichtungen beraten, vernetzen und informieren: sei es bei der Gründung einer Energiegenossenschaft, bei einer Investition oder der Errichtung einer Photovoltaikanlage.

Was muss darüber hinaus getan werden, um die Solarkrise zu überwinden?

Die deutsche Solarbranche muss mit vielfältigen Maßnahmen in ihrem Wachstum unterstützt werden. Wer die Energiewende will, muss in die Erneuerbaren investieren. Gleichzeitig brauchen wir Schutzmechanismen gegen den unfairen Dumping-Wettbewerb aus China. Daher habe ich die Anti-Dumping-Klage der europäischen Solarunternehmen unterstützt. Auf ein unterstützendes Signal vom Bundesumweltminister kann man da lange warten.

„Die einzelnen Energieproduzenten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“

Welche Rolle spielen Solarbranche und Solarenergie für den Wirtschaftsstandort Thüringen?

Die Solarwirtschaft ist eine der Zukunftsindustrien in Thüringen mit mehreren tausend Beschäftigten und einem hohen Anteil an lokaler Wertschöpfung. Die rund 50 in Thüringen ansässigen Firmen decken die gesamte solare Wertschöpfungskette ab: von der Kristallisation und der Produktion von Wafern, Solarzellen und -modulen über die Produktion von Wechselrichtern und Steuerungselektronik bis hin zur Installation und Wartung von Photovoltaikanlagen. Der Anteil von Solarstrom an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien lag 2010 bei rund 6,5 Prozent, die installierte Leistung von Photovoltaik 2011 bei 549 MWp. Hier ist also noch kräftig Luft nach oben.

Welche Bedeutung kommt der Solarenergie im Freistaat im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energiequellen zu?

Jedes Unternehmen aus der Erneuerbaren-Energien-Branche hat seinen Wert und seine Bedeutung. Die einzelnen Branchen und Energieproduzenten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ganz im Gegenteil: Sie müssen in ihrer Gesamtheit gestärkt werden. Das Gute an den Erneuerbaren ist, dass sie vielfältig eingesetzt werden können: die Windkraft auf offener See, an der Küste und im Flachland, die Photovoltaik in Solarparks, auf den Dächern und sogar in Handyladegeräten, dazu kommen Erdwärme, Wasserkraft und Biomasse. Die Erneuerbaren können im großen Stil ganze Städte mit Energie versorgen oder kleine Einheiten wie ein Dorf, das sich in einer Energiegenossenschaft zusammengeschlossen hat. Sie stärken die Dezentralität und damit den Wettbewerb bei der Energieversorgung. Die Bürger können selbst Energie erzeugen und von der Wertschöpfung profitieren. Neben der Nachhaltigkeit ist eben dies eine Stärke der erneuerbaren Energien.

Interview: Alexandra Reiter

Machnig, MatthiasMatthias Machnig (SPD), Jahrgang 1960, ist seit 2009 Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie des Freistaates Thüringen. Zuvor war er unter anderem Staatssekretär im Bundesverkehrs- sowie -umweltministerium, Unternehmensberater und Bundesgeschäftsführer der SPD.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Photovoltaik | Solarthermie
Das Forschungsprojekt „PV2Float" wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Foto: Ecotec Deutschland GmbH

RWE: PV schwimmt auf Mortkasee

[18.11.2024] RWE, Fraunhofer ISE und BTU Cottbus-Senftenberg haben das Forschungsprojekt PV2Float vorgestellt. Dabei wurden drei verschiedene Anlagensysteme mit jeweils 30 Kilowatt Leistung getestet. mehr...

Frankfurt am Main: Stadion als Kraftwerk

[13.11.2024] Das Stadion von Eintracht Frankfurt erhält eine neue Photovoltaikanlage, die jährlich mehr als 500.000 Kilowattstunden sauberen Strom liefern wird. Die Kooperation zwischen Mainova, der Stadt Frankfurt und dem Verein soll ein Zeichen für den Klimaschutz setzen. mehr...

Das Bild zeigt enercity-Vorstand Marc Hansmann; Finanzminister Gerald Heere; Justizstaatssekretär Thomas Smollich, auf dem Dach der Justizvollzugsanstalt Sehnde. Im Hintergrund sind PV-Module zu sehen.

Niedersachsen: Energiewende auf den Dächern

[31.10.2024] Mit der Installation einer großflächigen Photovoltaikanlage auf den Dächern der Justizvollzugsanstalt Sehnde setzen das Land Niedersachsen und der Energiedienstleister enercity ihre Kooperation für die Energiewende um. mehr...

Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm: Ausbau der Photovoltaik auf kommunalen Dächern

[30.10.2024] Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) weiten in Zusammenarbeit mit den Städten Ulm und Neu-Ulm den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf kommunalen Gebäuden deutlich aus. Die ersten Anlagen sollen noch 2024 in Betrieb gehen und so über 250 Haushalte mit sauberem Solarstrom versorgen. mehr...

Auf dem Bid ist eine Solaranlage der Berliner Stadtwerke auf dem Dach der HOWOGE-Wohnanlage in der Ernst-Barlach-Straße zu sehen. Das Foto stammt von Matthias Schult und den Berliner Stadtwerken.

Berlin: Großer PV-Wurf auf Wohnhausdächern

[29.10.2024] HOWOGE und die Berliner Stadtwerke bauen bis zu 50 MW Solarleistung für Berlin. mehr...

München: Neue Solarbörse soll PV-Ausbau erleichtern

[25.10.2024] Mit der neuen Solarbörse hat die Stadt München jetzt eine kostenfreie Onlineplattform gestartet, die sowohl Eigentümerinnen und Eigentümer geeigneter Flächen als auch Dienstleisterinnen und Dienstleister aus der Photovoltaik-Branche zusammenbringt. Ziel ist es, den Ausbau von Solarenergie im Stadtgebiet weiter zu beschleunigen. mehr...

Heidelberg: Bericht zum PV-Ausbau vorgestellt

[24.10.2024] Aus einem jetzt vorgestellten Sachstandsbericht geht hervor, dass die Stadt Heidelberg den Ausbau von Photovoltaikanlagen weiter vorantreibt. Demnach erzeugt die Stadt bereits genug Solarstrom, um fast 18.000 Haushalte zu versorgen. mehr...

Frankfurt am Main: PV-Anlage auf denkmalgeschütztem Gebäude

[23.10.2024] In Frankfurt am Main wurde jetzt eine Photovoltaikanlage auf einem denkmalgeschützten Gebäude installiert. Die Mieter profitieren von lokal erzeugtem Solarstrom, der direkt vom eigenen Dach geliefert wird. Die Installation erfolgte im Rahmen einer Kooperation zwischen Mainova und ABG Frankfurt Holding. mehr...

Leipzig: Neue Solarcarports an der Messe

[23.10.2024] An der Leipziger Messe werden ab 2025 Solarcarports errichtet, die zur Erhöhung des Grünstromanteils in der Stadt beitragen. Das Pilotprojekt mit 16 Carports soll 352 Parkplätze überspannen und jährlich 915.000 Kilowattstunden Strom erzeugen. mehr...

LTZ: Forschungsanlage für Agri-Photovoltaik eröffnet

[23.10.2024] Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg bei Karlsruhe hat eine neue Agri-Photovoltaik-Forschungsanlage in Betrieb genommen. Im Rahmen des zweiten Bauabschnitts wurden mehr als 1.400 PV-Module installiert, die künftig einen Großteil des Energiebedarfs des Zentrums decken sollen. mehr...

Bad Schönborn: Schwimmende PV-Anlage eingeweiht

[23.10.2024] In Bad Schönborn wurde jetzt die derzeit größte schwimmende Photovoltaikanlage Deutschlands auf dem Philippsee eingeweiht. Die Anlage mit über 27.000 Solarmodulen und einer Leistung von 15 Megawatt wird Strom für ein angrenzendes Kieswerk erzeugen. mehr...

Die Grafil zeigt die Ergebnisse des SolarChecks von LichtBlick.

SolarCheck: Essen ist neue Solarhauptstadt

[22.10.2024] Erstmals haben vier deutsche Städte die 100-Prozent-Marke beim Ausbau der Photovoltaik überschritten. Spitzenreiter ist Essen mit einem Solarfaktor von fast 138 Prozent, gefolgt von Köln, Hannover und Leipzig. mehr...

Bernhard Wollscheid, Martin Grünen, Dr. Christian Sprenger, Dr. Peter Späth, Thomas Speckter, Philipp Rass und OB Wolfram Leibe bei der offiziellen Inbetriebnahme des Solarparks Biewer-Pfalzel

Photovoltaik: Triers größter Solarpark ist in Betrieb

[21.10.2024] Zwischen den Stadtteilen Biewer und Pfalzel haben die Stadtwerke Trier ihren aktuell größten Solarpark in Betrieb genommen. Auf einer Fläche von 8,6 Hektar decken mehr als 11.500 Solarmodule den Bedarf von rund 1.800 Haushalten. mehr...

Luftansicht eines Solarparks mit Batteriespeicher

ABO Energy: Zuschlag für Hybridprojekt

[18.10.2024] Das Unternehmen ABO Energy hat von der Bundesnetzagentur den Zuschlag für ein Hybridprojekt im baden-württembergischen Großrinderfeld erhalten, das eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einem Batteriespeicher kombiniert. mehr...

Blick auf die Grundschule Birkstraße in Aachen, ein zweigeschossiges Gebäude aus hellen Backsteinen, grauem Dach und einem eingeschossigen Längsgebäude mit Vordach.

PV-Strategie: Regionale Direktvermarktung in Aachen

[18.10.2024] Aachen installiert nun sukzessive auf allen geeigneten stadteigenen Dächern Photovoltaikanlagen. Damit der hier erzeugte Strom auch komplett in Aachen verbraucht werden kann, wird er über ein innovatives System genau dort hin geleitet, wo er aktuell benötigt wird. mehr...