Donnerstag, 21. November 2024

KWKMittelfristig gute Prognose

[10.02.2017] Solange Brennstoffe für die Strom- und Wärmeproduktion eingesetzt werden, spart die KWK als Effizienztechnologie Primärenergie ein, sagt Marco Wünsch von der Prognos AG gegenüber stadt+werk. Generell sieht der Wirtschaftsingenieur noch zusätzliches Potenzial bis 2030.
Marco Wünsch

Marco Wünsch

(Bildquelle: Prognos AG)

Herr Wünsch, welche Rolle wird und sollte die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im neuen Energiesystem spielen?

Die Kraft-Wärme-Kopplung besitzt Effizienzvorteile gegenüber einer getrennten Erzeugung von Strom und Wärme, das heißt, mithilfe der KWK lassen sich je nach Anlage im Vergleich zur ungekoppelten Erzeugung 15 bis 25 Prozent Primärenergie einsparen. Solange wir Brennstoffe für die Strom- und Wärmeerzeugung verwenden, solange ist auch der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sinnvoll. Wie lange das noch der Fall sein wird weiß man nicht, unter Umständen werden wir nie komplett ohne Brennstoffe auskommen können. Wenn wir den Weltklimavertrag von Paris ernst nehmen, dann müssen wir aber spätestens zwischen 2040 und 2050 komplett auf fossile Brennstoffe verzichten. Die Frage ist, welche erneuerbaren Brennstoffe uns dann alternativ zur Verfügung stehen. Das ist zum einen die Biomasse, deren Potenziale allerdings begrenzt sind, zum anderen sind das synthetische Brennstoffe wie Wasserstoff oder Methan, die via Power-to-Gas-Technologie aus Wind- und Sonnenstrom erzeugt werden. Zwar geht die Umwandlung von Ökostrom in Gas mit hohen Energieverlusten einher – weshalb man synthetische Gase auch sicherlich nicht flächendeckend verwenden würde – ein Vorteil ist jedoch die gute Lagerfähigkeit von synthetischem Gas. Es könnte also künftig durchaus Sinn machen, in bestimmten Wintersituationen – beispielsweise für einen begrenzten Zeitraum von zwei Wochen – synthetische Brennstoffe einzusetzen.

Welchen Anteil an der Stromerzeugung wird die KWK also in den Jahren 2020, 2030 oder 2050 haben?

Heute haben wir einen Anteil von 33 Prozent erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung und von zwölf Prozent erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Das heißt, der überwiegende Teil unseres Energiebedarfs wird immer noch durch fossile Brennstoffe gedeckt. Deshalb ist meines Erachtens nach die Rolle der KWK bis zum Jahr 2030 auch noch ausbaufähig, obwohl mit dem neuen Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz die Ziele nach unten geschraubt worden sind. Sie liegen jetzt bei 110 Terawattstunden (TWh) bis 2020 und bei 120 TWh bis 2025. 120 TWh entsprechen einer KWK-Nettostromerzeugung von etwa 20 Prozent, heute liegen wir bei etwa 16 Prozent. Das ursprüngliche Ausbauziel lautete 25 Prozent bis 2020.

Und danach?

Nach 2030 sehe ich eine rückgehende Bedeutung der KWK. Die Vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung nehmen dann im neuen Energiesystem ab, sodass die KWK-Erzeugung nur noch für bestimmte Wintersituationen geeignet ist und sich die CO2-Einsparung durch fossile KWK im Idealfall auf verringert. Langfristig gesehen hängt die Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung von der Verfügbarkeit erneuerbarer Brennstoffe ab. Solange auf jeden Fall Brennstoffe, fossile oder erneuerbare, für die Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden, spart die Kraft-Wärme-Kopplung als effizienteste Umwandlungsform Primärenergie ein.

„Nach 2030 verringert sich die CO2-Einsparung durch fossile KWK im Idealfall auf .”

Gibt es auch schon erste Prognosen zur künftigen Brennstoffsituation?

Es gibt hier ganz unterschiedliche Szenarien bis hin zu Strom- und Wärmemärkten, die ganz ohne Brennstoffe auskommen. In anderen Szenarien werden aber durchaus noch bestimmte Brennstoffarten und Mengen für die gekoppelte Erzeugung genutzt.
Die KWK ist dort rentabel, wo größere Wärmesenken/Wärmeabnehmer vorhanden sind.

Welche Potenziale erschließen sich für die Fernwärme-KWK und inwieweit bleibt diese trotz zunehmender Energieeffizienzmaßnahmen am Gebäudebestand oder in Neubaugebieten rentabel?

Die Hauptherausforderung ist es, Städte künftig CO2-arm zu versorgen, denn hier ist der Einsatz erneuerbarer Energien oftmals beschränkt. Biomasse will man in der Regel nicht in verdichteten Räumen verbrennen und die Dachflächen für Solarthermieanlagen sind begrenzt. Auch eignet sich nicht jedes Gebäude für den Einsatz von Wärmepumpen. Deshalb würde ich der Fernwärme eine sehr positive Zukunftsperspektive bescheinigen. Ein rückläufiger Bedarf infolge von vorgenommenen Energieeffizienzmaßnahmen kann dabei in der Regel durch eine erhöhte Anschlussrate wettgemacht werden. In Berlin stellt sich die Situation etwa so dar, dass in ein und demselben Straßenzug Häuser mit Einzelheizungen oder mit Gasetagenheizungen ausgestattet oder aber an die Fernwärme angeschlossen sind. Setzt hier ein mit Fernwärme versorgtes Haus Effizienzmaßnahmen um, dann versucht der Fernwärmebetreiber eben neue Abnehmer in der Nachbarschaft anzuschließen. Ein weiterer Punkt: Bislang bestand bei der Fernwärme grundsätzlich ein gleichzeitiger Bedarf. Aktuell helfen allerdings Wärmespeicher dabei, diesen zu entzerren. Hinzu kommt, dass die Fernwärme extrem flexibel ist. Sie kann also ohne jegliche Einschränkung mit anderen Erzeugungstechnologien wie Solarthermie, Geothermie, Müllverbrennung, synthetischen Brennstoffen oder Power to Heat gekoppelt werden. Der Grund ist, dass die Wärmenetze alle erneuerbaren Energien nutzen können. So kann die Kraft-Wärme-Kopplung also im Bereich Fernwärme durch niedrige Einsatzzeiten schrittweise ersetzt werden, beispielsweise indem man sie zunächst im Sommer abschaltet.

Wie sind die Perspektiven für industrielle Prozesswärme?

Zwar sollte der Anteil der KWK ab dem Jahr 2030 zurückgefahren werden, im industriellen Bereich mit hohen Temperaturen könnte es aber sogar sein, dass sich die Kraft-Wärme-Kopplung noch länger behauptet als in der Fernwärmeversorgung. Das liegt daran, dass sich die KWK in der Fernwärmeversorgung einfacher durch Solarthermie, Geothermie und Großwärmepumpen ersetzen lässt, da mittels alternativer Erzeugungstechnologien ein ähnliches Temperaturniveau erreicht werden kann. Die Erzeugung hoher Temperaturen, wie sie in der Industrie benötigt werden, sind hingegen schwerer zu ersetzen.

Welche Energieträger werden aktuell eingesetzt?

Erdgas vor Steinkohle und vor Biomasse. Die Biomasse hat derzeit einen Anteil von 20 Prozent.

Welche KWK-Geschäftsmodelle sind wirtschaftlich darstellbar und welche würden Sie Stadtwerken empfehlen?

Diese Frage kann ich nicht pauschal beantworten, das hängt immer von der individuellen Situation ab.

Wie wirkt das neue Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG)?

Die Förderhöhe von Anlagen mit einer Leistung zwischen einem und 50 Megawatt (MW) wird künftig über Ausschreibungen bestimmt. Es wird zwar dauern, bis sich die Marktteilnehmer an das neue Prozedere gewöhnt haben, auf lange Sicht wird sich dadurch aber nicht viel ändern. Dafür werden Anlagen im Eigenverbrauch, die bislang wesentlich wirtschaftlicher betrieben werden konnten als solche, die ins öffentliche Netz einspeisen, künftig weniger stark gefördert. Die übrigen Anlagen bekommen dafür künftig eine bessere Förderung. Ich halte es auf jeden Fall für eine gute Idee, die Förderung da zurückzunehmen, wo hohe Projektrenditen erzielt werden und dort zu erhöhen, wo es aktuell knirscht. Was ich ebenfalls für eine gute Sache halte, ist das neue Instrument der Innovativen Ausschreibung. Hier dürfen nur Anlagen mit einer Kombinationslösung aus KWK und erneuerbaren Energien für Wärme teilnehmen. Also etwa KWK-Anlagen, die mit einer Geothermiebohrung oder einem Solarthermiefeld gekoppelt werden.

Sie haben das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) im Zuge der Umsetzung der KWKG-Novelle beraten. Was konnten Sie hier konkret bewirken?

Die Prognos AG hat gemeinsam mit Forschern des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM und dem Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien IREES sowie der BHKW Consult ein Gutachten zu den künftigen Möglichkeiten der KWK verfasst. Der Titel lautet: Potenzial- und Kosten-Nutzen-Analyse zu den Einsatzmöglichkeiten von Kraft-Wärme-Kopplung (Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie) sowie Evaluierung des KWKG im Jahr 2014. Das BMWi ist den Empfehlungen des Gutachtens im Wesentlichen gefolgt.

Interview: Melanie Schulz

Wünsch, MarcoMarco Wünsch ist Wirtschaftsingenieur und arbeitet als Consultant bei der Prognos AG. Er war Projektleiter der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Auftrag gegebenen Studie zur Potenzial- und Kosten-Nutzen-Analyse der Kraft-Wärme-Kopplung sowie zur Evaluation des KWK-Gesetzes.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Kraft-Wärme-Kopplung

BEE: Grüne KWK stärken

[05.11.2024] Der BEE fordert eine Verlängerung des KWKG bis 2035 nach einer Reform ab 2026. Vorab soll das Fördersystem auf zukunftsfähige, grüne Anlagenkonzepte ausgerichtet werden. mehr...

BHKW-Kompaktmodul FG 95 und Gas­fackel auf der Deponie Reesberg.

Kirchlengern: Deponie liefert grüne Energie

[17.10.2024] Auf der Deponie Reesberg in Kirchlengern erzeugt seit Mai 2024 ein Blockheizkraftwerk (BHKW) des Unternehmens Sokratherm umweltfreundlich Strom und Wärme. Betrieben wird es ausschließlich mit Deponiegas, das beim Zerfall der deponierten Abfälle entsteht. mehr...

B.KWK-Kongress: Garant für Energiewende

[16.10.2024] Der B.KWK-Kongress findet am 11. und 12. November 2024 in Berlin statt. Motto ist „Kraft-Wärme-Kopplung – Garant der Energiewende“. mehr...

Das Bild zeigt Dr. Hansjörg Roll, Technikvorstand von MVV; Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender von MVV; Uwe Zickert, Geschäftsführer MVV Umwelt, vor dem Biomassekraftwerk.

MVV Energie: Biomassekraftwerk liefert grüne Wärme

[14.10.2024] MVV Energie hat ein Biomassekraftwerk zu einem Heizkraftwerk umgebaut. Rund die Hälfte der Mannheimer Haushalte kann nun mit grüner Wärme versorgt werden. mehr...

Hoher Wirkungsgrad

Serie Best Practice KWK: Mit Dampf Strom machen

[11.10.2024] Mikro-Dampfturbinen können auch kleine Dampfmengen energetisch nutzen. In der Müllverbrennungsanlage der GMVA Niederrhein sorgt eine solche Turbine dafür, dass der bereits zur Dampferzeugung eingesetzte Brennstoff-Abfall noch effizienter genutzt wird. mehr...

2G Energy: Preis für nachhaltige H2-Produktion

[27.09.2024] Das SoHyCal-Projekt in Kalifornien, das von der Firma H2B2 initiiert und von 2G Energy unterstützt wurde, ist von der Combined Heat and Power Alliance mit dem CHP Project of the Year Award 2024 ausgezeichnet worden. mehr...

Grubengasanlage am STEAG-Standort Völklingen-Fenne.

Iqony Energy: Grubengasmotoren modernisiert

[06.08.2024] Iqony Energies modernisiert acht Grubengasmotoren im Saarland und investiert dafür 26 Millionen Euro. Damit soll die Fernwärmeversorgung effizienter und umweltfreundlicher werden. mehr...

Zwei jeweils 1

Stadtwerke Duisburg: Wärmepumpen eingetroffen

[26.07.2024] In Duisburg sind die beiden Wärmepumpen für die neue innovative Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (iKWK) der Stadtwerke eingetroffen. Ende des Jahres soll der Probebetrieb starten. Der Elektrokessel hat letzteren bereits erfolgreich absolviert und durchläuft derzeit die Anmeldung für den Regelenergiemarkt. mehr...

Stadtwerke können das Rohbiogas ankaufen und damit in das Speicherkraftwerk investieren.
bericht

Bioenergie: Bedeutung von Biogas und Biomethan

[01.07.2024] Der Einsatz von Biogas und Biomethan bietet Stadtwerken eine Chance. Denn die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ist nicht nur schneller am Netz als große Kraftwerke, auch der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft wird deutlich früher gelingen. mehr...

Absichtserklärung unterzeichnet: Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden.

Energie SaarLorLux: Umstellung auf grünen Wasserstoff

[01.07.2024] Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR in Saarbrücken soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden. Dazu haben die INNIO-Gruppe und der Energieversorger Energie SaarLorLux eine Absichtserklärung unterzeichnet. mehr...

Podiumsdiskussion zur Zukunft der KWK in Duisburg.

KWK: Wichtige Säule im Klimaschutz

[25.06.2024] Die Branche diskutierte auf dem 22. Duisburger KWK-Symposium Potenziale und Herausforderungen. mehr...

Christian Grotholt
interview

Interview: KWK als grüner Teamplayer

[24.06.2024] In der Energiepolitik fehlt ein klares Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung, sagt Christian Grotholt. stadt+werk sprach mit dem Chef des Anlagenherstellers 2G Energy über die Rolle der KWK im künftigen Energiesystem. mehr...

Mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lässt sich Primärenergie effizienter verwerten.
bericht

Kraft-Wärme-Kopplung: Wird die Renaissance eingeläutet?

[18.06.2024] Gemäß einer Entscheidung des EuG stellt das im Jahr 2020 novellierte KWK-Gesetz als umlagebasiertes Förderinstrument keine Beihilfe dar. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, eröffnet das der Kraft-Wärme-Kopplung neue Perspektiven. Auch einige Bremsklötze ließen sich beseitigen. mehr...

Direkt an der Lahn errichten die SWG ein Gebäude
bericht

Stadtwerke Gießen: Heizenergie aus der Lahn

[27.05.2024] Die Stadtwerke Gießen (SWG) engagieren sich seit langem für die Reduzierung von CO2-Emissionen bei der Wärmeerzeugung. Ihr aktuelles Großprojekt, die innovative Kraft-Wärme-Kopplungsanlage PowerLahn, nutzt das Wasser der Lahn als Wärmequelle. mehr...