KWKMittelfristig gute Prognose
Herr Wünsch, welche Rolle wird und sollte die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im neuen Energiesystem spielen?
Die Kraft-Wärme-Kopplung besitzt Effizienzvorteile gegenüber einer getrennten Erzeugung von Strom und Wärme, das heißt, mithilfe der KWK lassen sich je nach Anlage im Vergleich zur ungekoppelten Erzeugung 15 bis 25 Prozent Primärenergie einsparen. Solange wir Brennstoffe für die Strom- und Wärmeerzeugung verwenden, solange ist auch der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sinnvoll. Wie lange das noch der Fall sein wird weiß man nicht, unter Umständen werden wir nie komplett ohne Brennstoffe auskommen können. Wenn wir den Weltklimavertrag von Paris ernst nehmen, dann müssen wir aber spätestens zwischen 2040 und 2050 komplett auf fossile Brennstoffe verzichten. Die Frage ist, welche erneuerbaren Brennstoffe uns dann alternativ zur Verfügung stehen. Das ist zum einen die Biomasse, deren Potenziale allerdings begrenzt sind, zum anderen sind das synthetische Brennstoffe wie Wasserstoff oder Methan, die via Power-to-Gas-Technologie aus Wind- und Sonnenstrom erzeugt werden. Zwar geht die Umwandlung von Ökostrom in Gas mit hohen Energieverlusten einher – weshalb man synthetische Gase auch sicherlich nicht flächendeckend verwenden würde – ein Vorteil ist jedoch die gute Lagerfähigkeit von synthetischem Gas. Es könnte also künftig durchaus Sinn machen, in bestimmten Wintersituationen – beispielsweise für einen begrenzten Zeitraum von zwei Wochen – synthetische Brennstoffe einzusetzen.
Welchen Anteil an der Stromerzeugung wird die KWK also in den Jahren 2020, 2030 oder 2050 haben?
Heute haben wir einen Anteil von 33 Prozent erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung und von zwölf Prozent erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Das heißt, der überwiegende Teil unseres Energiebedarfs wird immer noch durch fossile Brennstoffe gedeckt. Deshalb ist meines Erachtens nach die Rolle der KWK bis zum Jahr 2030 auch noch ausbaufähig, obwohl mit dem neuen Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz die Ziele nach unten geschraubt worden sind. Sie liegen jetzt bei 110 Terawattstunden (TWh) bis 2020 und bei 120 TWh bis 2025. 120 TWh entsprechen einer KWK-Nettostromerzeugung von etwa 20 Prozent, heute liegen wir bei etwa 16 Prozent. Das ursprüngliche Ausbauziel lautete 25 Prozent bis 2020.
Und danach?
Nach 2030 sehe ich eine rückgehende Bedeutung der KWK. Die Vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung nehmen dann im neuen Energiesystem ab, sodass die KWK-Erzeugung nur noch für bestimmte Wintersituationen geeignet ist und sich die CO2-Einsparung durch fossile KWK im Idealfall auf verringert. Langfristig gesehen hängt die Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung von der Verfügbarkeit erneuerbarer Brennstoffe ab. Solange auf jeden Fall Brennstoffe, fossile oder erneuerbare, für die Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden, spart die Kraft-Wärme-Kopplung als effizienteste Umwandlungsform Primärenergie ein.
„Nach 2030 verringert sich die CO2-Einsparung durch fossile KWK im Idealfall auf .”
Gibt es auch schon erste Prognosen zur künftigen Brennstoffsituation?
Es gibt hier ganz unterschiedliche Szenarien bis hin zu Strom- und Wärmemärkten, die ganz ohne Brennstoffe auskommen. In anderen Szenarien werden aber durchaus noch bestimmte Brennstoffarten und Mengen für die gekoppelte Erzeugung genutzt.
Die KWK ist dort rentabel, wo größere Wärmesenken/Wärmeabnehmer vorhanden sind.
Welche Potenziale erschließen sich für die Fernwärme-KWK und inwieweit bleibt diese trotz zunehmender Energieeffizienzmaßnahmen am Gebäudebestand oder in Neubaugebieten rentabel?
Die Hauptherausforderung ist es, Städte künftig CO2-arm zu versorgen, denn hier ist der Einsatz erneuerbarer Energien oftmals beschränkt. Biomasse will man in der Regel nicht in verdichteten Räumen verbrennen und die Dachflächen für Solarthermieanlagen sind begrenzt. Auch eignet sich nicht jedes Gebäude für den Einsatz von Wärmepumpen. Deshalb würde ich der Fernwärme eine sehr positive Zukunftsperspektive bescheinigen. Ein rückläufiger Bedarf infolge von vorgenommenen Energieeffizienzmaßnahmen kann dabei in der Regel durch eine erhöhte Anschlussrate wettgemacht werden. In Berlin stellt sich die Situation etwa so dar, dass in ein und demselben Straßenzug Häuser mit Einzelheizungen oder mit Gasetagenheizungen ausgestattet oder aber an die Fernwärme angeschlossen sind. Setzt hier ein mit Fernwärme versorgtes Haus Effizienzmaßnahmen um, dann versucht der Fernwärmebetreiber eben neue Abnehmer in der Nachbarschaft anzuschließen. Ein weiterer Punkt: Bislang bestand bei der Fernwärme grundsätzlich ein gleichzeitiger Bedarf. Aktuell helfen allerdings Wärmespeicher dabei, diesen zu entzerren. Hinzu kommt, dass die Fernwärme extrem flexibel ist. Sie kann also ohne jegliche Einschränkung mit anderen Erzeugungstechnologien wie Solarthermie, Geothermie, Müllverbrennung, synthetischen Brennstoffen oder Power to Heat gekoppelt werden. Der Grund ist, dass die Wärmenetze alle erneuerbaren Energien nutzen können. So kann die Kraft-Wärme-Kopplung also im Bereich Fernwärme durch niedrige Einsatzzeiten schrittweise ersetzt werden, beispielsweise indem man sie zunächst im Sommer abschaltet.
Wie sind die Perspektiven für industrielle Prozesswärme?
Zwar sollte der Anteil der KWK ab dem Jahr 2030 zurückgefahren werden, im industriellen Bereich mit hohen Temperaturen könnte es aber sogar sein, dass sich die Kraft-Wärme-Kopplung noch länger behauptet als in der Fernwärmeversorgung. Das liegt daran, dass sich die KWK in der Fernwärmeversorgung einfacher durch Solarthermie, Geothermie und Großwärmepumpen ersetzen lässt, da mittels alternativer Erzeugungstechnologien ein ähnliches Temperaturniveau erreicht werden kann. Die Erzeugung hoher Temperaturen, wie sie in der Industrie benötigt werden, sind hingegen schwerer zu ersetzen.
Welche Energieträger werden aktuell eingesetzt?
Erdgas vor Steinkohle und vor Biomasse. Die Biomasse hat derzeit einen Anteil von 20 Prozent.
Welche KWK-Geschäftsmodelle sind wirtschaftlich darstellbar und welche würden Sie Stadtwerken empfehlen?
Diese Frage kann ich nicht pauschal beantworten, das hängt immer von der individuellen Situation ab.
Wie wirkt das neue Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG)?
Die Förderhöhe von Anlagen mit einer Leistung zwischen einem und 50 Megawatt (MW) wird künftig über Ausschreibungen bestimmt. Es wird zwar dauern, bis sich die Marktteilnehmer an das neue Prozedere gewöhnt haben, auf lange Sicht wird sich dadurch aber nicht viel ändern. Dafür werden Anlagen im Eigenverbrauch, die bislang wesentlich wirtschaftlicher betrieben werden konnten als solche, die ins öffentliche Netz einspeisen, künftig weniger stark gefördert. Die übrigen Anlagen bekommen dafür künftig eine bessere Förderung. Ich halte es auf jeden Fall für eine gute Idee, die Förderung da zurückzunehmen, wo hohe Projektrenditen erzielt werden und dort zu erhöhen, wo es aktuell knirscht. Was ich ebenfalls für eine gute Sache halte, ist das neue Instrument der Innovativen Ausschreibung. Hier dürfen nur Anlagen mit einer Kombinationslösung aus KWK und erneuerbaren Energien für Wärme teilnehmen. Also etwa KWK-Anlagen, die mit einer Geothermiebohrung oder einem Solarthermiefeld gekoppelt werden.
Sie haben das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) im Zuge der Umsetzung der KWKG-Novelle beraten. Was konnten Sie hier konkret bewirken?
Die Prognos AG hat gemeinsam mit Forschern des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM und dem Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien IREES sowie der BHKW Consult ein Gutachten zu den künftigen Möglichkeiten der KWK verfasst. Der Titel lautet: Potenzial- und Kosten-Nutzen-Analyse zu den Einsatzmöglichkeiten von Kraft-Wärme-Kopplung (Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie) sowie Evaluierung des KWKG im Jahr 2014. Das BMWi ist den Empfehlungen des Gutachtens im Wesentlichen gefolgt.
Studie zu den Potenzialen der KWK (PDF; 5 MB)
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