Sonntag, 22. Dezember 2024

EinsatzplanungMit kurzem Anlauf flexibel fahren

[05.07.2022] Um die Wärme- und Stromversorgung in Frankfurt (Oder) umweltfreundlich auszurichten, haben die Stadtwerke ihr Heizkraftwerk umfassend modernisiert. Eine KI-gestützte Einsatzplanung sorgt für einen optimalen wirtschaftlichen Betrieb der neuen Anlagen.
Eine KI-gestützte Einsatzplanung sorgt im Heizkraftwerk der Stadtwerke Frankfurt (Oder) für einen optimalen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen.

Eine KI-gestützte Einsatzplanung sorgt im Heizkraftwerk der Stadtwerke Frankfurt (Oder) für einen optimalen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen.

(Bildquelle: Stadtwerke Frankfurt (Oder))

Die Stadtwerke Frankfurt (Oder) versorgen die Stadt seit drei Jahrzehnten zuverlässig mit Strom, Fernwärme und Erdgas und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge. Seit 2015 wurden weitreichende technische und energiepolitische Entscheidungen getroffen, die dazu beitragen, Frankfurt (Oder) spätestens im Jahr 2045 klimaneutral zu beliefern.
Die Modernisierung des Heizkraftwerks Frankfurt (Oder) sichert in den kommenden Jahrzehnten die umweltfreundliche und wirtschaftliche Wärme- und Stromversorgung der Stadt. Planungsprämissen des Vorhabens sind die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, die Flexibilisierung der Stromerzeugung und die zukunftsfähige sowie bedarfsgerechte Bereitstellung von Wärme. Technologisch erreicht wird das über das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zur maximalen Ausnutzung der eingesetzten Energieträger.
Zusätzlich trägt ein Wärmespeicher zur Maximierung des KWK-Anteils an der Wärmenutzung bei. Der drucklose Wärmespeicher mit einem Volumen von 10.000 Kubikmetern kann die im Fernwärmenetz von Frankfurt (Oder) benötigte Wärme für einen Zeitraum von drei bis vier Tagen aufnehmen. Das ermöglicht einen flexiblen Betrieb der Anlage, um auf Entwicklungen an den Strommärkten schnell reagieren zu können. Aber auch, um den steigenden Anforderungen einer dezentraler werdenden Energiewelt gerecht zu werden. Fast 20.000 Haushalte und zahlreiche gewerbliche Kunden beziehen über das 102 Kilometer lange Frankfurter Trassennetz Fernwärme. Insgesamt investieren die Stadtwerke Frankfurt (Oder) fast 60 Millionen Euro in dieses Projekt.

Optimierter Betrieb

Im Rahmen des Forschungsprojekts WindNODE wurde von 2017 bis 2020 eine innovative Lösung für die Einsatzplanung des Kraftwerks entwickelt. Der Betrieb der Erzeugungsanlagen und der Verteilnetze für Strom und Fernwärme erfolgte zu Projektbeginn mit einem hohen manuellen und administrativen Aufwand. Mit einem effektiven und flexiblen Betrieb des Heizkraftwerks, des Heizwerks sowie des Blockheizkraftwerks Süd und unter Einbeziehung der polnischen Partner bei der gegenseitigen Belieferung mit Wärme wollen die Stadtwerke einen optimalen wirtschaftlichen Einsatz und Betrieb der Anlagen erreichen und gleichzeitig steuerbare Lasten der KWK-Anlagen zur Verfügung stellen.
Alle Erzeugerstätten, die Verteilnetze und die Speicher, sowie die Liefer- und Bezugsverträge wurden daher mit einer neu entwickelten Software-Lösung miteinander verknüpft und werden über diese gesteuert. So werden eine optimale Fahrweise der Anlagen, ein flexibles Last-Management und die Einsparung von Brennstoff sowie die Minimierung des Kohlendioxidausstosses erreicht.
Als Grundlage für lang- und kurzfristige Optimierungsszenarien sind drei Modelle entstanden. Durch den Einsatz der Software-Lösung wurden für die Erzeugeranlagen im Fernwärmenetz der Brennstoffeinsatz reduziert, der Jahreswirkungsgrad erhöht, der Primärenergiefaktor verbessert und die Gesamtkosten gesenkt. Auf Grundlage der erstellten Optimierungsmodelle können die Stadtwerke Frankfurt (Oder) geplante Änderungen am Bestand der Erzeugeranlagen simulieren und deren positiven Einfluss im Vorfeld bestimmen. Durch die Pflege des Modells ist auch zukünftig eine optimale Einsatzplanung gewährleistet.

KI erstellt Prognosen

Am besten nutzen lassen sich Flexibilitäten, wenn die Erzeugeranlagen kurze Start-, Stopp- und Stillstandszeiten haben. Daher werden in Frankfurt (Oder) auf Basis von künstlicher Intelligenz (KI) Energieprognosen erstellt. Auf deren Grundlage erfolgt dann eine softwaregestützte Planung der Erzeugereinheiten. Das Optimierungstool setzt die Erzeugereinheiten automatisch nach Brennstoff, Wirtschaftlichkeit und Technik ein. Daraus ergeben sich automatisierte Einzelfahrpläne für die Erzeuger­einheiten des Portfolios entlang der Merit-Order der eingesetzten Brennstoffe. In Störungsfällen wird den Dispatchern automatisiert die wirtschaftlich beste Ersatzversorgung für den Störungszeitraum vorgeschlagen. Gleichzeitig verringert die technische Optimierungslösung den täglichen zeitlichen Aufwand der Mitarbeiter für die Einsatzplanung.
Der neu errichtete Wärmespeicher entkoppelt Verbrauch und Erzeugung und erhöht den Gesamtwirkungsgrad. Dabei handelt es sich um einen Stahlbehälter mit einem Durchmesser von 24 Metern und einer zylindrischen Höhe von 25 Metern. Der Speicher fasst ein Nutzvolumen von 9.700 Kubikmetern und ist für eine drucklose Betriebsweise ausgelegt. Die in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Wärmemenge kann in Zeiten niedrigen Verbrauchs zwischengespeichert und bei Bedarf wieder eingespeist werden. Der Wärmespeicher wird massenäquivalent gefahren. Beim Einspeichern von Fernwärme-Vorlaufwasser wird die gleiche Menge Speicherwasser aus dem kalten Teil des Speichers in den Rücklauf gepumpt. Zum Be- oder Entladen aus dem Fernwärmenetz dienen eine Speicherpumpengruppe, eine separate Beimischpumpengruppe (für den Betriebsfall Beladen) sowie Stell- und Regelarmaturen. Der Beladungsgrad ist über 25, gleichmäßig über die Höhe verteilte Temperaturmessungen ersichtlich.

Schritt in die CO2-neutrale Zukunft

Beide Projekte bilden eine ideale Kombination zur Einsparung von Brennstoffen und zur CO2-Reduzierung. Der Einsatz der Technologien unter Nutzung von künstlicher Intelligenz ist nachhaltig für die Umwelt und ein wichtiger Schritt zum Übergang in die CO2-neutrale Zukunft.
Basierend auf der bisherigen Betriebserfahrung erwarten die Stadtwerke Frankfurt (Oder), dass innerhalb eines Jahres 18.000 Mega­­wattstunden Wärmeenergie zwischengespeichert und optimiert eingesetzt werden. Unter der Annahme, dass davon ohne Speicher 50 Prozent über Luftkondensator gefahren würden, entspricht das einer Einsparung von 9.000 Megawattstunden.

Harald Wolf

Der Autor, Harald Wolfden Stadtwerken Frankfurt (Oder) und den mit ihnen verbundenen Unternehmen für zahlreiche innovative Projekte verantwortlich. Als Stabsstellenleiter Smart Infrastructure hat er die vorgestellten Maßnahmen federführend begleitet.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Informationstechnik

Somentec/Stadtwerke Schwäbisch Hall: Lösung für 24-h-Lieferantenwechsel

[18.12.2024] Somentec Software und die Stadtwerke Schwäbisch Hall realisieren gemeinsam mit der Firma essendi it eine Komplettlösung für die Abwicklung von API-Webdiensten im Rahmen des 24-Stunden-Lieferantenwechsels, die offen für die Nutzung durch unterschiedliche ERP-Systeme ist. mehr...

bericht

Schutz Kritischer Infrastrukturen: Rückenwind durch KRITIS-Dachgesetz?

[16.12.2024] Das KRITIS-Dachgesetz (KRITIS-DachG) stellt neue Anforderungen an den Schutz Kritischer Infrastrukturen. Das Unternehmen EnBW begegnet den Herausforderungen unter anderem durch ein Risikofrüherkennungssystem und die Erstellung von Resilienzplänen. mehr...

Saarlouis/Völklingen/Neunkirchen: Einführung einer neuen ERP-Plattform

[16.12.2024] Drei saarländische Stadtwerke bündeln jetzt ihre Kräfte, um eine gemeinsame ERP-Plattform einzuführen. Die digitale Kooperation soll Prozesse modernisieren, Synergien schaffen und die Anforderungen der Energiewende besser bewältigen. mehr...

bericht

Stadtwerke Ratingen: Vom Versorger zum Umsorger

[11.12.2024] Als Pilotkunde nutzen die Stadtwerke Ratingen die Wilken-Software für die Heiz- und Nebenkostenabrechnung. Sie deckt alle Prozesse von der Heizkostenverteilung bis zum Inkasso und verschiedene Abrechnungsmodelle ab und ist die Basis für ein neues Geschäftsfeld. mehr...

bericht

Lieferantenwechsel: Stichtag ist zu kurzfristig

[09.12.2024] Energieversorger stehen vor der Herausforderung, die Anforderungen des Lieferantenwechsels innerhalb von 24 Stunden pünktlich zum April 2025 umzusetzen. Der SAP-Spezialist cortility ist mit seinem Produkt zwar im Zeitplan, sieht aber eine Initiative zur Verschiebung des Termins positiv. mehr...

edna: Bereit für 24-Stunden-Wechsel

[05.12.2024] Die edna-Mitglieder sehen sich für 24-Stunden-Lieferantenwechsel gerüstet, fordern aber eine Testphase und einen späteren Starttermin. mehr...

Völklingen: Stadtwerke stellen Geo-Informationssystem bereit

[02.12.2024] Die Stadtwerke Völklingen Netz haben der Freiwilligen Feuerwehr jetzt ein speziell aufgerüstetes Tablet überreicht, das den Zugriff auf das firmeneigene Geo-Informationssystem ermöglicht. Einsätze sollen so effizienter koordiniert werden. mehr...

Vattenfall: Prosumer-App gestartet

[29.11.2024] Mit einer neuen Energiemanagement-App bietet Vattenfall Stadtwerken und Energieversorgern jetzt eine digitale Lösung zur Optimierung von Energieflüssen. mehr...

Stadtwerke Ahrensburg: Abrechnung mit Cloud-Lösung

[26.11.2024] Die Stadtwerke Ahrensburg haben ihre Abrechnung auf eine cloudbasierte Lösung von PwC und powercloud umgestellt. Das Projekt soll die Digitalisierung und Effizienz des Unternehmens deutlich verbessern. mehr...

Der Chatbot Eva 2.0 liefert künftig individuelle Antworten auf die Fragen und Anliegen der Nutzer. Foto: Shutterstock/evm

evm: Künstlich-intelligente Eva 2.0

[26.11.2024] Die evm stellt ihren neuen KI-gestützten Chatbot Eva 2.0 vor. Mit ihm sollen Kunden schnell Hilfe auf häufige Fragen finden können. mehr...

Vivavis/Zenner: Gemeinsam für Digitalisierung

[26.11.2024] Auf den Metering Days 2024 haben Vivavis, Zenner International und aktive EMT eine Kooperation in den Bereichen Steuerung, Schaltung und Smart Metering bekanntgegeben. mehr...

Metering as a Service bietet Wasserversorgern eine Komplettlösung zur digitalen Messwerterfassung. Foto: iStock

Zenner / EMT: Praxisnähe auf Metering Days

[13.11.2024] Die Unternehmen Zenner International und aktiver EMT werden auch in diesem Jahr an den Metering Days in Fulda teilnehmen. mehr...

Der IT-Anbieter KISTERS belegt Effizienz seiner Maßnahmen für IT-Security mit Zertifizierung nach SOC 2 Typ II und BSI C5 Typ II. Bild: KISTERS

Kisters: IT-Security zertifiziert

[12.11.2024] Kisters belegt Effizienz der Maßnahmen für IT-Security mit Zertifizierung nach SOC 2 Typ 2 und BSI C5 Typ 2. mehr...

Das Bild zeigt das Titelblatt des Leitfadens Künstliche Intelligenz (KI) in Fernwärme.

dena: KI in Fernwärmenetzen

[11.11.2024] Konkrete Handlungsempfehlungen und Praxisbeispiele für eine effizientere und klimafreundlichere Fernwärmeversorgung mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) hat die dena veröffentlicht. mehr...

Das Bild zeigt ein blau hinterleuchtetes SAP-Logo in einer schwarzen Wabe.
bericht

cortility: IT-Ausblick für 2025

[04.11.2024] Ab 2025 müssen sich die Energieversorger der Herausforderung des Lieferantenwechsels innerhalb von 24 Stunden stellen. Zudem werden dynamische Tarife und zeitvariable Netzentgelte eingeführt – und die Migration auf SAP S/4 HANA steht an. Was bedeutet das für die Prozesse im Stadtwerk? Ein Ausblick des IT-Dienstleisters cortility. mehr...