Serie Best Practice KWKMit Dampf Strom machen
Ob beim Brühen, Trocknen, Dämpfen oder in Kraftwerksprozessen – in vielen Betrieben des produzierenden Gewerbes oder der Energieversorgung fällt Dampf an. Dampf, der häufig noch mit mechanischen Ventilen geregelt wird, wodurch große Energiepotenziale ungenutzt bleiben. Speziell für die Regelung von Prozessdampf hat das Hertener Technologieunternehmen Turbonik eine Mikro-Dampfturbine (MDT) entwickelt, mit der Unternehmen ihre Energieeffizienz steigern und sogar ganze Siedlungen mit Strom versorgen können.
Turbonik produziert und vertreibt die Turbine seit 2017. „Die Geschichte reicht aber noch weiter zurück“, erklärt Geschäftsführer Martin Daft. Viele Jahre Forschung im Rahmen eines Fraunhofer-Projekts zur Verstromung von Abwärme legten den Grundstein für die Entwicklung der neuen Mikro-Wasserdampfturbine. Bereits Anfang der 2010er-Jahre forschte das Fraunhofer-Institut UMSICHT in Oberhausen an der Optimierung so genannter ORC-Anlagen und Turbinen und setzte Projekte zur Abwärmeverstromung um.
Funktionsprinzip nicht neu
Im Anschluss an diese Forschungsarbeiten stellte sich die Frage: Was kann man mit all dem gesammelten Wissen über Turbinen noch anfangen? Das Funktionsprinzip an sich, auch die Nutzung von Wasserdampf, ist nicht neu: Große Industrieturbinen gibt es bereits seit über 100 Jahren für zahlreiche Anwendungen. Doch bei kleinen Dampfmengen war es bisher mit konventionellen Turbinen nicht möglich, die im Dampf enthaltene Energie wirtschaftlich zusätzlich zur Stromerzeugung zu nutzen. Es fehlten kleine Dampfturbinen mit hohem Wirkungsgrad.
Die Mikro-Dampfturbinen von Turbonik richten sich nun an Unternehmen, in deren Prozessen die Dampfmengen und der Platzbedarf für herkömmliche Turbinen nicht ausreichen, und punkten hier vor allem mit ihrer Leistung. „Unsere Turbinen laufen mit bis zu 50.000 Umdrehungen pro Minute, während herkömmliche Dampfturbinen bei maximal 15.000 Umdrehungen liegen“, erklärt Daft. „Damit sind wir in unserem Leistungsbereich extrem effizient. Das heißt, wir holen aus der gleichen Brennstoffenergie bis zu 40 Prozent mehr Strom heraus als herkömmliche Maschinen.“ Läuft eine Turbonik-Mikro-Dampfturbine dauerhaft mit einer maximalen Leistung von 600 Kilowatt, kann sie bis zu fünf Gigawattstunden Strom pro Jahr erzeugen.
Mikro-Dampfturbine seit 2017 im Einsatz
Die erste Mikro-Dampfturbine ist seit 2017 bei der Energieversorgung Oberhausen installiert, wo sie zur Dampfentspannung zwischen Kessel und Fernwärmewasserentgasung eingesetzt wird. Ein Standardprozess in Kraftwerken mit sehr kleinen Dampfmengen, bei dem ein hoher Wirkungsgrad und eine kleine Baugröße entscheidend sind. Durch ein optimiertes Schaufeldesign und die direkte Kopplung von Turbine und Generator ist die MDT deutlich kompakter als eine herkömmliche Dampfturbine. „Die Maschinen passen auf eine Europalette“, erklärt Daft. „Das Laufrad bei Turbonik wiegt etwa 1,5 Kilogramm. Bisherige Maschinen in diesem Leistungsbereich haben Laufräder von rund 40 Kilogramm, sind aber nicht so effizient.“
Ein aktuelles Beispiel: die Müllverbrennungsanlage der GMVA Niederrhein in Oberhausen. Bei der Müllverbrennung geht es heiß her: In den vier Kesseln der Anlage herrschen Temperaturen von bis zu 1.200 Grad. Der größte Teil dieses Dampfes wird in großen Turbinen zur Stromerzeugung und Fernwärmeversorgung genutzt. Im Gesamtsystem dieser Anlage gab es jedoch bis 2023 Teilprozesse, bei denen der Dampfdruck zwischen einer Mittel- und einer Niederdruckseite nicht über Turbinen, sondern über konventionelle Ventile geregelt wurde. Das enorme Potenzial dieser Druckdifferenz blieb ungenutzt.
Einsatz konsequent und sinnvoll
„In der GMVA arbeiten wir ständig daran, uns durch den Einsatz neuer Technologien und Verfahren zu verbessern und die Energieeffizienz zu steigern“, sagt Frank Nachtsheim, Geschäftsführer der GMVA. „Der Einsatz einer Mikro-Dampfturbine, mit der wir aus bestehenden Prozessen zusätzlichen Strom erzeugen können, war für uns daher nur konsequent und sinnvoll.“ Seit 2023 erzeugt die GMVA hier Strom in effizienter Kraft-Wärme-Kopplung und trägt so dazu bei, dass der bereits zur Dampferzeugung eingesetzte Brennstoff-Abfall im Sinne der Kreislaufwirtschaft noch effizienter genutzt wird. „Wir gehen davon aus, dass der Strombedarf in Deutschland weiter steigen wird“, so Daft. „Das bedeutet, dass für Kommunen und Unternehmen die kontinuierliche Bereitstellung von bezahlbarer und sicherer Energie ein wichtiges Thema ist.“
Zielgruppe für die MDT sind Energieversorger und dampfnutzende Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, die ihre Strom- und Wärmeversorgung gestalten und optimieren wollen: Neben der öffentlichen Versorgung, also zum Beispiel in Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen wie der GMVA, kann die Turbine auch in Prozessdampfanlagen zum Einsatz kommen, etwa in der Lebensmittel-, Futtermittel- und Pharmaindustrie sowie in Papierfabriken, Recyclingbetrieben, Stahlwerken oder der chemischen Industrie. Auch in der Holzverarbeitung wird viel Energie in Form von Dampf benötigt, unter anderem für Trocknungsprozesse.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Die Einsatzmöglichkeiten der MDT sind also vielfältig. Dennoch ist die Müllverbrennung in der GMVA Niederrhein für das Hertener Unternehmen ein besonderes Projekt. Gerade mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung schlummert hier ein enormes Potenzial. Martin Daft sagt: „Viele Kommunen sind an Müllverbrennungsanlagen beteiligt. Sie brauchen eine sichere, saubere und bezahlbare Stromversorgung für ihre Bürgerinnen und Bürger. Und da sind die Turbinen ein wichtiges Puzzleteil.“
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