MoosburgMehr Kapazität im Wärmenetz 4.0
Moosburg an der Isar zählt etwa 19.000 Einwohner und ist Teil des Landkreises Freising nördlich von München. Wie in vielen deutschen Städten beschäftigen sich hier Kommune und Energieversorger mit den Herausforderungen der Energiewende (wir berichteten). Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem Gebäudewärmesektor zu, der in Moosburg – exemplarisch für Deutschland – noch mehrheitlich aus Öl- und Gasheizungen bedient wird. Eine klimaneutrale Alternative stellt das Nahwärmenetz des regionalen Energieversorgers Bader Energie dar. Denn die dafür erzeugte Wärme stammt ausschließlich aus Biomasse, basierend auf Holzhackschnitzeln und Abwärme einer Kläranlage. Im Rahmen des Förderprogramms Wärmenetze 4.0 wird es über die nächsten vier Jahre umfassend erweitert.
Ein hohes Engagement für den Klimaschutz hat in Moosburg Tradition. Mit ambitionierten Maßnahmen und einer starken Bürgerbeteiligung fördert das Klimaschutzprogramm der Stadt die Energiewende schon seit Jahren. Umfassende Beratungs- und Bildungsangebote zur Solarenergie und zur energetischen Sanierung sowie der Ausbau von Fahrradstraßen und Ladestationen für E-Autos ermöglichen den Einwohnern ein Mitwirken am Klimaschutz in allen Bereichen. Im Jahr 2007 hat außerdem der Stadtrat den Beschluss gefasst, die Energieversorgung Moosburgs bis 2035 vollständig auf Erneuerbare umzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist beispielsweise in einem Neubaugebiet die Unterlassung fossiler Energieträger vertraglich festgeschrieben und es wird die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude forciert. Der Ausbau des regenerativ ausgerichteten Nahwärmenetzes stellt einen weiteren großen Schritt im Klimaschutzplan der Stadt dar. Aufgrund dieses Projekts wurde sie von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) als Energiekommune des Monats März 2021 ausgezeichnet.
Innovatives Versorgungskonzept
Zunächst sollen noch mehr regenerative Wärmequellen in das Moosburger Wärmenetz eingebunden werden. Das umfasst insbesondere zwei große Solarthermieanlagen an verschiedenen Standorten sowie die Einspeisung von Abwärme aus Produktionsprozessen der chemischen Industrie. Die Abwärme, die bei der Verbrennung von Klärgas im Blockheizkraftwerk (BHKW) der örtlichen Kläranlage entsteht, ist schon jetzt Teil der Nahwärmeversorgung. Da die bereits bestehenden Biomasse-Heizkessel in ihrer Kapazität erweitert werden, können sie auch die künftigen Spitzenlasten decken.
Um die volatilen Wärmequellen Solarthermie und Abwärme effizient nutzen zu können, braucht es eine intelligente Regelung sowie Speicherung der Wärme. Ein Speicher mit einem Volumen von 1.000 Kubikmetern schafft die hierfür nötige Flexibilität. Im Sommer und in den Übergangsmonaten soll er die Effizienz der Wärmegewinne aus Solarthermie und industrieller Abwärme steigern. Im Winter soll er die Spitzenlastdeckung unterstützen und die Versorgungssicherheit erhöhen. Eine Absenkung der Netz-Vorlauftemperatur auf 70 bis 80 Grad Celsius sorgt für geringere Wärmeverluste sowie eine optimale Integration von Solarthermie und Niedertemperatur-Abwärme. Dem gegenüber beträgt die Rücklauftemperatur höchstens 55 Grad Celsius. Ein Neubau-Quartier mit niedrigen Temperaturanforderungen soll über den Rücklauf angebunden werden, um diesen weiter auszukühlen und somit die Kapazität im Netz zu erhöhen.
Das innovative Versorgungskonzept wird im Rahmen des Förderprogramms Wärmenetzsysteme 4.0 des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) umgesetzt. Die anfallenden Planungs- und Investitionskosten für die Erweiterung und Transformation des Wärmenetzes werden mit bis zu 50 Prozent gefördert, sofern bestimmte technische und wirtschaftliche Kriterien erfüllt sind. Neben Anforderungen an Temperaturniveau, Effizienz und Wärmespeicherung wird insbesondere ein Anteil erneuerbarer Energien von mindestens 50 Prozent des Jahreswärmeertrags verlangt. Darüber hinaus muss der Anteil brennstofffreier, erneuerbarer Energieträger mindestens ein Viertel der jährlich eingesetzten Wärme betragen. Nahwärmenetze, die allein auf Biomasse beruhen, sind somit nicht förderfähig.
Entwickelt wurde das Moosburger Versorgungskonzept von einem Experten-Team als Teil einer ebenfalls geförderten Machbarkeitsstudie. Mit einem regenerativen Wärmeanteil von bis zu 100 Prozent und weiteren Innovationen im Bereich der Flexibilisierung und Betriebsführung geht das geplante Netz sogar weit über die Mindestanforderungen der Förderung hinaus.Gegenüber einer konventionellen Wärmeversorgung durch dezentrale Erdgas- oder Heizölkessel werden durch die Erweiterung des Netzes zusätzlich bis zu 1.600 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Der Wärmeumsatz wird verdreifacht.
Moosburg als Vorbild
Klimaneutrale Wärmenetze lassen sich nur umsetzen, wenn die Wirtschaftlichkeit sowohl für Verbraucher als auch für das Versorgungsunternehmen gegeben ist. Das Wärmenetz in Moosburg profitiert in dieser Hinsicht von den geringen Grenzkosten der Solarthermie und der industriellen Abwärme sowie von der Förderung der Investitionskosten. Gegenüber einer fossilen Wärmeversorgung unterliegt der Wärmepreis keinen marktbedingten Schwankungen oder regulatorischen Einflüssen, wie beispielsweise der CO2-Bepreisung. Den Kunden können also langfristig günstige Wärmepreise angeboten werden. Wegen seiner klimaneutralen Wärmeversorgung bei zugleich hoher Wirtschaftlichkeit dient das Moosburger Konzept als Vorbild für die Transformation der Nah- und Fernwärme.
Der geplante Netzausbau soll in Moosburg über die nächsten vier Jahre in mehreren Bauabschnitten erfolgen. Zunächst werden über eine neue Trasse ein Schulzentrum und später ein Neubauquartier mit 19 Mehrfamilienhäusern erschlossen. Basierend auf der gesicherten Wärmeabnahme dieser vergleichsweise großen Verbraucher werden sukzessive weitere Quartiere in das Versorgungsgebiet integriert.
https://www.moosburg.de
Dieser Beitrag ist im Titel der Ausgabe Juli/August 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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