VDEMehr Autonomie für Stromnetzbetrieb
Der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere von Wind- und Solarenergie, führt bei weiterhin verzögertem Netzausbau die Stromnetze zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Hinzu kommt der zu erwartende Zuwachs bei neuen Abnehmern wie der Elektromobilität. Wie bis zum Jahr 2030 mithilfe von Automatisierungstechnik die reibungslose Stromversorgung bei höheren Anforderungen sichergestellt werden kann, zeigt ein neues Impulspapier des Verbands der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE). In einer Analyse definieren darin die Experten der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG) in Anlehnung an die Autonomiestufen beim hochautomatisierten Fahren fünf Autonomiestufen für den Netzbetrieb. Gleichzeitig zeigen sie auf, welche Teilautomatisierungsfunktionen bereits Stand der Technik sind und identifizieren Prozesse, deren Automatisierungsgrad schrittweise bis zu einem Umsetzungshorizont 2030 erhöht werden soll, um die zunehmende Komplexität des Netzbetriebs beherrschbar zu machen. „Der Betrieb unserer Stromnetze hat inzwischen einen Komplexitätsgrad erreicht, der umfangreiche Assistenzsysteme und Automatisierungsfunktionen erfordert. Speziell in den Mittel- und Niederspannungsnetzen wird zur Umsetzung der aktiven Netzführung und Koordination flexibler Einspeiser und Lasten ein deutlich höherer Automatisierungsgrad notwendig“, erklärt VDE ETG-Experte Martin Braun vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik in Kassel.
Die schnelle Regelbarkeit insbesondere von leistungselektronischen Netzkomponenten bis hin zu Anlagen für die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) erfordern für den sicheren Netzbetrieb schnelle und automatisierte Mechanismen. Auch neue Anforderungen, wie beispielsweise der mittlerweile sehr umfangreiche Redispatch und die Netz-Markt-Koordination, machen eine automatisierte Vorgehensweise zwingend erforderlich. Eine Gesamtsystemautomatisierung (Autonomiestufen 4 und 5) erwarten die Experten in den nächsten zehn Jahren allerdings nicht. „Es sind aber über entsprechende Teilautomatisierungsstufen bereits zahlreiche Schritte in diese Richtung möglich, um die zunehmende Komplexität zu beherrschen und die Netzführung sicherer und effizienter auszugestalten“, erläutert Braun. So ist in den Leitstellen des Übertragungsnetzes bereits jetzt die Autonomiestufe 1 (Decision Support) für zahlreiche Funktionen wie etwa das Engpass-Management als Entscheidungsunterstützung für das Systemführungspersonal möglich. Um die Reaktionsfähigkeit durch Teilautomatisierung (Autonomiestufe 2) zu erhöhen, wird dies bereits unter anderem für Schaltprogramme eingesetzt. Perspektivisch empfehlen die Experten, die Teilstörungsbeseitigung und den Lastabwurf teilautomatisiert (Autonomiestufe 2) auszuführen. Für das Engpass-Management und die Spannungs- und Blindleistungskoordination empfehlen die Experten die Autonomiestufe 3.
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