BreitbandausbauLebensadern für die Digitalisierung
Highspeed-Infrastrukturen sind die Lebensadern für die Digitalisierung Deutschlands und damit enorm wichtig für den Wirtschaftsstandort und die Gesellschaft. Immer wieder diskutieren Politik, Wirtschaft und Bürger intensiv über den Stand und die Herausforderungen der Gigabitversorgung. In den Jahren 2022 und 2023 haben die Telekommunikationsunternehmen laut Jahresbericht der Bundesnetzagentur (BNetzA) jährlich über 13 Milliarden Euro investiert – mehr als je zuvor. Drei Viertel aller Haushalte haben die Möglichkeit, einen gigabitfähigen Anschluss zu buchen. Bei dem größten Teil handelt es sich aktuell um Kabelnetzanschlüsse. Beim Glasfaserausbau ist die Lage besser als häufig beschrieben. Er ist in vollem Gange. Die Politik könnte aber entscheidend dazu beitragen, dass er schneller und effizienter vorankommt. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Ende 2023 gab es laut BNetzA 18 Millionen so genannte Homes-Passed-Glasfaseranschlüsse, bei denen ein Kabel oder Rohrverband zumindest in unmittelbarer Nähe – maximal jedoch 20 Meter entfernt – am Grundstück vorbeiführt. Das bedeutet eine Verdopplung in den vergangenen zwei Jahren.
Take-up-Rate steigern
Die Zahl der Glasfaseranschlüsse bis zum Gebäude (FTTB) oder in die Wohnung (FTTH) ist im vergangenen Jahr auf 7,3 Millionen gestiegen. Die wirklich relevante Größe ist aus Sicht des Breitbandverbands ANGA jedoch die Anzahl der FTTH-Anschlüsse bis zum Endkunden. Eine der Schlüsselfragen beim Glasfaserausbau bleibt daher, wie sich die Take-up-Rate und damit die Auslastung der Netze steigern lässt. Im Moment wird nur rund ein Viertel der verfügbaren Glasfaseranschlüsse auch tatsächlich gebucht. Viele Endkunden wissen nicht, wie sinnvoll ein Glasfaseranschluss ist und welche Vorteile er bringt, obwohl die Einsatzmöglichkeiten bereits existieren, beispielsweise in den Bereichen E-Health, E-Mobility und Smart City. Eine wichtige Rolle spielt die Digitalisierung der Verwaltung – das zeigt auch ein Blick über den Tellerrand in andere Länder wie zum Beispiel Estland. Hier sind Politik und Behörden in Deutschland gefordert.
Rückenwind aus der Politik ist beim Glasfaserausbau wichtiger denn je, damit die von Investoren und Unternehmen angekündigten insgesamt 50 Milliarden Euro auch in den Glasfaserausbau fließen können. Die aktuelle wirtschaftliche und politische Lage bringt einige Herausforderungen für die Investoren, Unternehmen und den Ausbau mit sich. Dazu zählen Inflation, steigende Kosten, Fachkräftemangel und fehlende Baukapazitäten sowie viel zu viel Bürokratie.
Hürden abbauen
Es müssen daher dringend Hürden beim Glasfaserausbau abgebaut werden. Nur Ziele wie die Versorgung aller Haushalte mit Glasfaser bis 2030 auszugeben, reicht nicht aus. Es kann nicht funktionieren, wenn die Politik Gas geben will und zugleich auf der Bremse steht. Seit vielen Monaten wartet die Branche auf das TK-Netzausbau-Beschleunigungsgesetz. Ein Entwurf liegt bereits vor. Doch eine Einigung innerhalb der Regierung ist nicht in Sicht. Die Branche sieht es als elementar an, dass der Ausbau der Telekommunikationsnetze als von „überragendem öffentlichen Interesse“ eingestuft wird.
Deutschland hat kein Ausbau-, sondern ein Bürokratieproblem. Bis ein Bauantrag genehmigt ist, kann es Monate bis Jahre dauern. ANGA fordert weiterhin deutlich schnellere Genehmigungsverfahren. Dabei kommt es aber insbesondere auf die Bundesländer an. Die Verfahren lassen sich nur weiter beschleunigen, wenn diese ihre Regelungen straffen und modernisieren. Der beschlossene Bund-Länder-Pakt für Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung muss zügig umgesetzt werden.
Deutlich zu viel
Ein weiterer wichtiger Punkt beim Ausbau ist ein vernünftiger und zielführender Einsatz der Fördermittel. Der ANGA Breitbandverband setzt sich für den Vorrang des eigenwirtschaftlichen Ausbaus und den Schutz privater Investitionen in der Förderpolitik ein. Der ganz überwiegende Teil der Gebiete kann privatwirtschaftlich ausgebaut werden. Förderung muss noch stärker dorthin gelenkt werden, wo sie wirklich gebraucht wird. Eine effiziente Priorisierung der Fördermittel muss sicherstellen, dass nicht mehr Anträge gestellt werden, als Fördermittel zur Verfügung stehen. Dadurch und durch eine Begrenzung des Fördervolumens ließen sich erhebliche Einsparungen realisieren, ohne den Ausbau zu verlangsamen. Wir halten drei Milliarden Euro – insbesondere angesichts der aktuellen Haushaltslage – für deutlich zu viel.
Gefahr der Remonopolisierung
Insgesamt sehen wir, dass die aktuellen politischen und regulatorischen Weichenstellungen eine Remonopolisierung durch marktmächtige Unternehmen befördern statt verhindern können. Dazu gehören der strategische Doppelausbau und die möglichen Risiken bei der Migration von Kupfer- auf Glasfasernetze. Immer wichtiger wird für die Telekommunikationsbranche und den Netzausbau, was die EU entscheidet. Wenn die derzeitigen Zeichen aus Brüssel tatsächlich zu einer Deregulierung führen, wird das fatale Auswirkungen auf den Glasfaserausbau in Deutschland haben.
Wie enorm das Interesse an den Themen des Breitbandausbaus in Deutschland und im Ausland ist, zeigen die Zahlen der diesjährigen ANGA COM, Europas führender Kongressmesse für Breitband, Fernsehen & Online. Die Veranstaltung im Mai verzeichnete über 480 Aussteller und einen Besucherrekord von mehr als 23.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Aussteller kamen aus 35 Ländern, die Besucher waren aus mehr als 80 Nationen nach Köln gereist. Die Präsenz in den Kongressräumen ist bei den insgesamt 60 Vortrags- und Diskussionsrunden gegenüber dem Vorjahr nochmals deutlich gewachsen: Bei vielen Panels betrug das Plus gegenüber 2023 mehr als 20 Prozent. Dabei bot die Veranstaltung auch besonders viel Input und Informationen für Kommunen und Stadtwerke. Im kommenden Jahr findet die ANGA COM vom 3. bis 5. Juni statt. Ausstellungsflächen können bereits gebucht werden.
Weitere Informationen zur Kongressmesse
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2024 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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