EnergiewendeLandkreise sind Zukunftstreiber
Die 294 deutschen Landkreise gehen bei Klimaschutz und Energiewende aktiv voran. So haben sie in den vergangenen Jahren beispielsweise überörtliche Klimaschutzkonzepte erarbeitet, den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort unterstützt, ihre Kreisliegenschaften energetisch saniert und verstärkt auf eine nachhaltige Beschaffung gesetzt. Darüber hinaus nehmen die Kreisverwaltungen oftmals eine unterstützende Rolle hinsichtlich der Klimaschutzbemühungen von kleineren kreisangehörigen Städten und Gemeinden ein.
Dass es sich beim Klimaschutz nicht um einen beliebigen von zahlreichen kommunalen Aufgabenbereichen, sondern um das zentrale Zukunftsthema der kommenden Jahre und Jahrzehnte handelt, hat in verfassungsrechtlicher Hinsicht der wegweisende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 zum Bundes-Klimaschutzgesetz deutlich gemacht. Welche verheerenden Auswirkungen ein ungebremster Klimawandel auf die Landkreise und ihre Bevölkerung haben kann, hat auf besonders tragische Weise die Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 gezeigt. Und darüber, dass der Umbau der Energieversorgung hin zur Nutzung der erneuerbaren Energien eine Notwendigkeit ist, gibt es spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der daraus folgenden Unsicherheit der Versorgung mit fossilen Energieträgern einen breiten (kommunal-)politischen Konsens.
Koordinierende Rolle der Kreisverwaltungen
Verschwiegen werden darf dabei allerdings nicht, dass der Weg zur Klimaneutralität bis 2045 mit erheblichen organisatorischen und finanziellen Herausforderungen für die kommunale Ebene verbunden ist. Eine Finanzierung in den Kommunen allein über projektgebundene Fördermittel ist keinesfalls ausreichend, sondern es bedarf einer grundständigen personellen und finanziellen Ausstattung, um Verwaltungen und Betriebe, Liegenschaften und Fuhrparke zukunftsfähig zu machen.
Bislang werden noch zu viele Maßnahmen über befristete Projektmittel umgesetzt, was nicht nachhaltig ist. Im Kern geht es um eine grundlegende Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung durch die verantwortlichen Länder. Zudem müssen in den Landkreisen die erforderlichen Ressourcen für strategische Planung, Koordination, Vernetzung und Beratung sichergestellt sein. So können die Kreisverwaltungen insbesondere in den ländlichen Räumen eine koordinierende Rolle bei der kommunalen Wärmeplanung übernehmen, wofür sie allerdings über die Mittel und das nötige Know-how verfügen müssen.
Eine Verringerung des Treibhausgasausstoßes allein genügt für eine langfristige Zukunftsfestigkeit aber nicht. Angesichts der bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels bedarf es umfangreicher Anpassungsmaßnahmen. Die Landkreise sind aufgrund ihrer Zuständigkeiten etwa in den Bereichen Wasserwirtschaft, Bauaufsicht, Naturschutz und Gesundheitsvorsorge die geeignete Ebene, um hier regional angepasste Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Bevölkerung mitnehmen
Über der Frage, was die Landkreise als Verwaltungsebene zu leisten imstande sind, dürfen jedoch keinesfalls die rund 56 Millionen Menschen vergessen werden, die dort leben. Sie müssen auf dem Weg zur Klimaneutralität mitgenommen werden, damit ambitionierte Vorhaben wie die Energiewende oder der Umbau des Verkehrs- und des Gebäudesektors nicht an fehlender Akzeptanz in der Bevölkerung scheitern. Daher muss bei allen Maßnahmen stets darauf geachtet werden, dass sie mit wirtschaftlichem und sozialem Augenmaß sowie unter Berücksichtigung des Ziels der gleichwertigen Lebensverhältnisse in ländlichen und verdichteten Räumen erfolgen.
Den Lasten, die insbesondere für die ländlichen Räume mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der erforderlichen Übertragungsleitungen verbunden sind, müssen spürbare Vorteile gegenüberstehen. Die Wertschöpfung aus der Energiewende muss daher vor Ort realisiert werden und es müssen bundesweit wirksame Vorschriften zur finanziellen Teilhabe von Kommunen und Bürgern vorgesehen werden.
Unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz in der Bevölkerung insbesondere in den ländlichen Räumen muss aus Sicht der Landkreise der kürzlich veröffentlichte Entwurf der Bundesregierung für ein Wind-an-Land-Gesetz noch einmal kritisch hinterfragt werden. Er sieht vor, dass bis zum Jahr 2032 mindestens zwei Prozent des Bundesgebiets für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung stehen müssen. Hierzu sollen den Ländern jeweils am Potenzial orientierte Flächenziele für das Landesgebiet vorgegeben werden. Durch Änderungen im Baugesetzbuch sollen die planerischen Grundlagen für die Umsetzung dieser Flächenvorgaben geschaffen werden. Derzeit sind laut der Bundesregierung bundesweit nur 0,8 Prozent der Fläche für Windkraft ausgewiesen.
Konfliktpotenzial entschärfen
Schon an diesen Zahlen wird deutlich, dass, wenn das Gesetz verabschiedet wird, in den Ländern und Kommunen erhebliche Anstrengungen nötig sein werden, um die geforderten Flächen auszuweisen. Wer die vielerorts heftig geführten Debatten und juristischen Auseinandersetzungen über den Windkraftausbau verfolgt hat, erkennt schnell, dass das geplante Wind-an-Land-Gesetz erhebliches Konfliktpotenzial in sich trägt.
Der Deutsche Landkreistag hatte sich daher im Vorfeld gegen eine einseitige Fokussierung auf die Windenergie ausgesprochen und stattdessen für eine technologieoffene Nutzung der Potenziale der verschiedenen Arten von erneuerbaren Energien – Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und Geothermie – geworben. Statt verbindliche Flächenziele vorzugeben, sollten sich Bund und Länder besser auf verbindliche Mengenvorgaben für den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt verständigen. Damit blieben den Ländern hinreichende Freiräume, um unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort und unter Einbeziehung der betroffenen Bürger technologieoffen über die Ausgestaltung des Ausbaus zu entscheiden. Auch drohen die mit einem verbindlichen Flächenziel verbundenen planungsrechtlichen Herausforderungen die angestrebte Beschleunigung der Planungsverfahren zu behindern. Bei einem Verfehlen der Flächenziele in den Ländern wäre einem ungesteuerten Ausbau der Windenergie Tür und Tor geöffnet. Das wiederum riskiert die notwendige Akzeptanz und gefährdet das Zusammenspiel mit dem ebenso erforderlichen Netzausbau.
Verfahren beschleunigen
Um die Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter zu beschleunigen, braucht es eine Vereinfachung durch den Gesetzgeber. Es geht um Fristverkürzungen und die Straffung der Rechtsschutzmöglichkeiten. Klageverfahren sollten auf die tatsächlichen Betroffenen und eine Instanz beschränkt werden, deren Entscheidung dann abschließend wäre und gegen die nicht weiter monate- und jahrelang vorgegangen werden könnte. Auch sollten die Landkreise dauerhaft die Möglichkeit erhalten, im Rahmen von Planungsverfahren digitaler zu werden, vor allem mit Blick auf Beteiligungsprozesse.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2022 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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