Freitag, 22. November 2024

EEG-Novelle 2016Kritik der Länder und Verbände

[19.04.2016] Die grünen Energieminister der Länder und zahlreiche Verbände rügen den Gesetzentwurf zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2016.
Verbände und die Energieminister der Länder warnen davor

Verbände und die Energieminister der Länder warnen davor, die Energiewende mit der EEG-Novelle 2016 endgültig auszubremsen.

(Bildquelle: Manfred Mazi  / pixelio.de)

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat jetzt die Länder- und Verbändeanhörung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2016 eingeleitet. Im novellierten EEG soll die Höhe der EEG-Vergütung nicht mehr staatlich festgelegt, sondern durch Ausschreibungen wettbewerblich am Markt bestimmt werden. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagt: „Das EEG 2016 behandelt die Erneuerbaren erstmals als etablierte, erwachsene Technologien und schafft die Basis dafür, die Kosten zu stabilisieren und so die Akzeptanz für die Energiewende zu stärken. Mit dem EEG 2016 werden wir die Erneuerbaren besser in den Markt integrieren und sie planvoll ausbauen.“ Das überarbeitete EEG schaffe Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz bei gleichzeitiger hoher Akteursvielfalt. Das sehen Länder und Verbände anders.

Zeichen der Mutlosigkeit

So warnen etwa die Energieminister der grün regierten Länder vor einem Stopp des Windenergie-Ausbaus. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es: „Die Klimaschutzkonferenz von Paris hat einen klaren Handlungsauftrag formuliert: Alle Länder müssen ihre Anstrengungen für den Klimaschutz erheblich verstärken, um den weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Diesem Signal müssen gerade im Energiewendeland Deutschland nun Taten folgen, denn der CO2-Ausstoß in Deutschland ist im Jahr 2015 gegenüber den Vorjahren sogar gestiegen.“ Die Bundesregierung tue jedoch Gegenteiliges, indem sie den Ausbau aller erneuerbaren Energien auf maximal 45 Prozent am Strommix bis zum Jahr 2025 deckeln will. Die Energieminister werten dies als ein Zeichen der Mutlosigkeit, da die Erneuerbaren bis dahin einen deutlich höheren Beitrag leisten könnten. Harsche Kritik erntet auch das Ansinnen der Bundesregierung, das im April 2014 vereinbarte Ausbauziel von 2,5 Gigawatt netto aufzukündigen. Die Minister teilen mit: „Wir teilen das Argument der Bundesregierung ausdrücklich nicht, dass diese Kürzung aus Gründen der Kostenbegrenzung oder des zu langsamen Netzausbaus notwendig oder gar sinnvoll sei: Seit dem Jahr 2014 wurden in Deutschland circa vier Gigawatt Onshore-Windenergie brutto pro Jahr zugebaut, ohne dass dies eine nennenswerte Steigerung der EEG-Umlage zur Folge gehabt hätte.“ Des Weiteren fordern die grünen Minister einen deutschlandweiten Ausbau, wobei die Akteursvielfalt dringend gewahrt werden müsse. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Sonderregelungen reichten hier bei Weitem nicht aus.

Spielball rückwärts gewandter Politik

Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) spricht in Anbetracht des vorgelegten Gesetzentwurfs von einem Rollback in der Klimaschutzpolitik. Gleichzeitig werde Deutschlands Technologieführerschaft und Exportkraft zum Spielball rückwärts gewandter Politiker. BEE-Präsident Fritz Brickwedde: „Zementiert werden die ineffizienten fossilen Großkraftwerke. Innovation, Flexibilität und Dynamik der neuen Branchen im Zusammenspiel von sauberer Stromerzeugung, bürgernaher Lieferung und cleveren Speicher- und Systemlösungen sind nicht mehr gewünscht.“ Nachdem bereits die letzten EEG-Novellen aus den Jahren 2012 und 2014 den Ausbau der Solar- und Bioenergie stark beschnitten haben, drohe jetzt eine Vollbremsung der Windenergie an Land. Der BEE spricht von verheerenden Folgen. Obwohl bei der Photovoltaik zwei Jahre in Folge die Ausbauziele verfehlt worden seien, sehe der Gesetzentwurf keine wirksamen Maßnahmen zur Wiederbelebung der Solarnachfrage vor. Ohne verbindliche Ausschreibungsregeln stünden außerdem selbst bestehende Biogasanlagen vor dem Aus. Der Energiewende fehle damit eine zentrale Flexibilitätsoption. Die von der Bundesregierung geplante Sonderregelung zur Bürgerenergie könne hingegen nur unter der Rubrik Symbolpolitik verbucht werden, so der BEE. Brickwedde erklärt abschließend: „Der weitaus größte Teil der Bevölkerung steht hinter einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, wie es erst jüngst wieder eine Umfrage des Bundespresseamtes belegte. Die Regierungsparteien sollten sich nicht weiter gegen den Willen der Bevölkerung stellen.“

Auf der Bremse stehen

Auch der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) bescheinigt der Bundesregierung, bei der Energiewende weiter auf der Bremse zu stehen. Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig rügt: „Dieser Gesetzentwurf steht in eklatantem Widerspruch zu den Klimaschutzzielen und muss dringend nachgebessert werden. Großverbraucher klimaschädlicher Energie werden weiter subventioniert. Energiebewussten Verbrauchern und Gewerbebetrieben werden hingegen bei der Investition in Solartechnik immer mehr Steine in den Weg gelegt.“ Da Solarstrom inzwischen günstiger ist als Strom aus neuen Atom- oder Kohlekraftwerken, dürfe dem Solarstrom nicht länger der Stecker gezogen werden. Der BSW Solar fordert unter anderem eine Abschaffung oder zumindest deutliche Verringerung der finanziellen Belastung solarer Eigen- oder Direktversorgung mit der EEG-Umlage. Energieversorger und Stadtwerke würden längst Mieter mit preisgünstigen Solartarifen bedienen, wenn Solarstrom vom Dach des Vermieters nicht weiterhin künstlich verteuert werde, heißt es in einer Pressemitteilung. Um eine breite Akteursstruktur zu bewahren, müssten außerdem Ausschreibungen auf große Solarparks begrenzt bleiben, so Körnig. Förderauktionen von Solarstromanlagen auf Dächern würden ohnehin an den deutlich komplexeren, heterogeneren und kleinteiligeren Projekt- und Investorenstrukturen, Finanzierungs- und Planungsprozessen scheitern.

Stillstand und Abbau

Der Fachverband Biogas, der Bundesverband Bioenergie, der Deutsche Bauernverband und der Fachverband Holzenergie sprechen von Stillstand und Abbau anstatt einer sinnvollen Weiterentwicklung der Bioenergie in Anbetracht des zur Diskussion gestellten Gesetzentwurfs. Sie fordern in erster Linie klare Anschlussregeln für alle Bioenergien im neuen EEG, um die energiewirtschaftlich wichtige Ausgleichsfunktion zu sichern. Die vom BMWi vorgeschlagene Verordnungsermächtigung und die Deckelung der Ausschreibungen seien völlig unzureichend, so die Verbände. Die im Gesetz vorgesehenen 100 Megawatt (MW) an jährlicher neuer Leistung bedeuteten de facto einen massiven Rückbau, weil in den kommenden Jahren bestehende Anlagen nach Ende ihrer Förderung aus der Produktion rutschten. Wegen des hohen Nutzens der Bioenergie für den Strommarkt der Zukunft fordern die Verbände einen moderaten Zubau an Bioenergieanlagen. So befürworteten beispielsweise die Länder Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz einen realen Zubau von 100 MW netto, ebenso wie eine Staffelung von Bioenergie-Ausschreibungen nach Größen- und Einsatzstoffklassen. Besonders für Altholzanlagen brauche es adäquate Anschlussregelungen, da diese bereits in wenigen Jahren aus dem ersten EEG-Vergütungszeitraum hinausfielen. Das BMWi gehe hier widersinniger Weise davon aus, dass diese außerhalb der EEG-Förderung betrieben werden könnten.

Reagieren und Nachbessern

Laut dem Bundesverband Geothermie (BVG) gefährdet der Gesetzentwurf dagegen die Markteinführung der Tiefen Geothermie. Der Branchenverband fordert vor allem eine stabile Einspeisevergütung und nachhaltigen Vertrauensschutz. So hätten Geothermie-Projekte einen Realisierungszeitraum von fünf bis sieben Jahren. Aktuell seien Projektentwickler aufgrund der hohen Degression bei der Einspeisevergütung jedoch sehr zurückhaltend. BVG-Präsident Erwin Knapek: „Bei langen Realisierungszeiträumen müssen Investoren darauf vertrauen können, dass die heute geregelte Vergütung auch bei der Inbetriebnahme der Anlage noch gilt. Das ist derzeit nicht der Fall. Der Bundestag muss im aktuellen EEG-Entwurf nun darauf reagieren und nachbessern.“

Pläne einer Minderheitenposition

Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup kommentierte den vorgelegten Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums ebenfalls scharf: „Dieser EEG-Entwurf ist ein peinlicher Kotau vor der Unionsfraktion, die die Energiewende abwürgen will. Gabriel lässt alle entscheidenden Fragen offen: Wie schnell die erneuerbaren Energien ausgebaut werden sollen und wie sich Bürger auch in Zukunft an der Energiewende beteiligen können.“ Da Studien belegen, dass eine große Mehrheit der Bürger die Energiewende unterstützen, warf Austrup der Bundesregierung vor, die energiepolitischen Pläne einer Minderheitenposition zu vertreten. Die Sonderregelungen für die Bürgerenergie schadeten den Betroffenen eher, als dass sie nutzen, erklärte Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy. Keiffenheim: „Die Rezepte aus dem Hause Gabriel für den Schutz von Bürgergesellschaften und Energiegenossenschaften grenzen an unterlassene Hilfeleistung.“ Für sinnvoll erachtet Keiffenheim allein eine klare Ausnahmeregelung für bedrohte Akteure.





Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Projekt PaDiSo: Tipps für die lokale Energiewende

[14.11.2024] Forscherinnen des Projekts PaDiSo haben Handlungsempfehlungen für deutsche Kommunen entwickelt, um sie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems zu unterstützen. Ziel ist es, kommunalen Akteuren praxisnahe Instrumente und Strategien an die Hand zu geben. mehr...

Das Bild ist ein Porträtfoto des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt

Energieministerkonferenz: Der Geist von Brunsbüttel

[11.11.2024] Die Energieministerkonferenz in Brunsbüttel hat mit der „Brunsbütteler Erklärung“ einen deutlichen Appell an die Bundesregierung verabschiedet: Die Ministerinnen und Minister fordern spürbare Entlastungen bei den Strompreisen, eine zügige Umsetzung der Gesetze und eine klare Strategie für erneuerbare Energien und Biomasse. mehr...

Das Bild ist ein Portätfoto von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

BDEW: Energiebranche besorgt über Ampel-Aus

[07.11.2024] Nach dem Bruch der Ampelkoalition warnt der BDEW vor den Folgen für die Energiepolitik. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt schnelles und einvernehmliches Handeln an. mehr...

Auf dem Bild ist ein Umspannwerk zu sehen, im Vordergrund zwei Personen, die sich über einen Plan beugen.

Bundesregierung: KRITIS-Dachgesetz beschlossen

[07.11.2024] Die Bundesregierung hat den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit des Gesetzes, um Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Katastrophen zu machen. mehr...

Auf dem Bild sind Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG, Hessens Energie- und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori und Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef zu sehen. Sie halten ein Plakat in Händen, das das Konzept der Energiewendeviertel illustriert.

Frankfurt am Main: Energiezukunft gemeinsam gestalten

[05.11.2024] Bei einer Veranstaltung der Mainova diskutierten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef und Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über den geplanten Ausbau der Strom- und Wärmenetze in Frankfurt. mehr...

Barcamp 2023 in der SMA Solar Academy. Foto: Heiko Meyer

Energieblogger: Energiewende in Krisenzeiten

[05.11.2024] Wie kann man Menschen trotz globaler Krisen und Konflikte für die Energiewende gewinnen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das 12. Barcamp Renewables Mitte November in Kassel. mehr...

Stuttgart: Status zur Wärmeplanung

[30.10.2024] Die Landeshauptstadt Stuttgart plant bis 2035 eine klimaneutrale Wärmeversorgung und erhält Unterstützung durch das Regierungspräsidium. In einer Ausschusssitzung berichteten Verantwortliche über den Status und die Herausforderungen dieser nachhaltigen Wärmeplanung. mehr...

Die Säulen-Grafik zeigt die Entwicklung der installierten Leistung Erneuerbarer-Energien-Anlagen von 2023 bis 2029.

EWI-Gutachten: Milliardenanstieg bei EEG-Förderungen

[28.10.2024] Die EEG-Förderung für erneuerbare Energien könnte bis 2025 auf über 18 Milliarden Euro steigen – fast eine Milliarde mehr als 2023. Bis 2029 wird eine Verdoppelung der Erzeugungskapazitäten in Deutschland prognostiziert, die Förderzahlungen könnten auf über 23 Milliarden Euro steigen. mehr...

Das Bild zeigt Module einer Freiflächen-Photovoltaikanlage, imHintergrund sind Windräder zu sehen.

Bund-Länder-Kooperationsausschuss: Erneuerbare nehmen Fahrt auf

[28.10.2024] Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland hat im vergangenen Jahr kräftig zugelegt und das Vorjahresniveau deutlich übertroffen. Allerdings bleibt der Ausbau der Windenergie hinter den Erwartungen zurück. mehr...

AEE: Hintergrundpapier zu regelbaren Kraftwerken

[28.10.2024] Um die Stromversorgung in Deutschland auch künftig stabil zu halten, sind ergänzend zu erneuerbaren Energien regelbare Kraftwerke notwendig. Dies zeigt ein neues Hintergrundpapier der AEE. mehr...

Sachsen-Anhalt: Ressortplan Klima beschlossen

[25.10.2024] Das Kabinett von Sachsen-Anhalt hat jetzt einen neuen Ressortplan Klima verabschiedet, der 75 Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes umfasst. Umweltminister Willingmann betonte, dass trotz sinkender Treibhausgasemissionen zusätzliche Anstrengungen notwendig seien, um die Klimaziele zu erreichen. mehr...

Eine Freiflächensolaranlage.

Bremen: Stadtteile sollen direkt profitieren

[17.10.2024] In Bremen soll künftig ein Teil der Erträge von Windkraft- und Freiflächensolaranlagen direkt an die naheliegenden Quartiere fließen können. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Abgabe der Anlagenbetreiber, mit denen die Bremer Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft entsprechende Verträge abschließen kann. mehr...

Die Grafik symbolisiert Zukunftsszenarien für die Energiewende, die sowohl technische als auch soziale Aspekte einbeziehen. Die in blau gehaltene Grafik zeigt Gebäude, Windräder und Strommasten.

Studie: Elektrifizierung im Fokus

[14.10.2024] Wie Deutschland bis 2045 ein klimaneutrales Energiesystem erreichen kann, haben Forscher des KIT, des DLR und des Forschungszentrums Jülich in einem neuen Bericht vorgestellt. Sie betonen die Bedeutung der Elektrifizierung und des Ausbaus der erneuerbaren Energien als zentrale Bausteine der Energiewende. mehr...

Zu sehen ist das historische Rathaus der Stadt Braunschweig.

Braunschweig: Erfolge bei Energieeinsparungen

[11.10.2024] Die Stadt Braunschweig hat einen Energiebericht für ihre städtischen Gebäude vorgelegt. Er dokumentiert, wie die Stadt in den vergangenen Jahren ihren Energieverbrauch und CO2-Ausstoß senken konnte. mehr...

Das Bild zeigt Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack.

Schleswig-Holstein: Solar-Erlass erleichtert Planung

[11.10.2024] Der Solar-Erlass soll den Kommunen in Schleswig-Holstein als Leitfaden bei der Planung und Genehmigung von Freiflächen-Solaranlagen dienen. Die Landesregierung hat den Erlass nun grundlegend überarbeitet. mehr...