StrategieKooperationen weisen die Zukunft
Im Rahmen der Studie Stadtwerke 2030 haben die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) 300 VKU-Mitglieder unter anderem zu ihrer Einschätzung mit Blick auf zukunftsfähige Geschäftsfelder für Energieversorgungsunternehmen (EVU) befragt.
Ergebnis: Geschäftsfelder und Kundensegmente lokaler EVU werden sich grundlegend verändern. Größter Verlierer wird die konventionelle Energieerzeugung, denn fast alle befragten Unternehmen erwarten einen Rückzug aus diesem Geschäftsbereich. Da eine Schließung oder Veräußerung entsprechender Anlagen aber kaum möglich ist, erwarten über 75 Prozent der Befragten eine staatlich regulierte Lösung für die Netz- und Kraftwerksreserve.
Der Vertrieb bleibt zwar strategisch relevant, als Folge der Digitalisierung wird die Anzahl direkter Kundenkontakte jedoch stetig abnehmen. Stromtarife können heute bequem über das Internet verglichen und Anbieter gewechselt werden. Um sich die Loyalität ihrer Bestandskunden zu sichern, müssen Energieversorger über neue Kommunikationswege versuchen, den persönlichen Kontakt zu erhalten. Daneben agieren die Kunden durch dezentrale Erzeugungsmöglichkeiten zunehmend als Energieproduzenten. Als so genannte Prosumer übernehmen sie faktisch Teile der Wertschöpfung der EVU. Trotz des drohenden Verlusts entsteht hier zugleich ein neues Geschäftsfeld, da die Nachfrage nach Komplettlösungen für Eigenproduktionsanlagen inklusive Energiespeicherung steigt.
Zusammenarbeit stärken
Energieversorger stehen also vor der Frage, wie ihre strategische Positionierung in Zukunft aussehen kann. Eine Alternative ist die Konzentration auf den Netzbetrieb als Kerngeschäft. Ebenso denkbar ist die Entwicklung neuer Kompetenzen im Bereich digitaler Servicedienstleistungen. Im Vordergrund sollte allerdings die Entwicklung neuer Geschäftsfelder durch brancheninterne und -externe Kooperationen stehen. Dabei stehen nicht nur Unternehmen der Versorgungswirtschaft im Fokus, sondern auch branchenfremde Unternehmen, wie Technologieunternehmen oder Unternehmen der Wohnungs-, Verkehrs- und Automobilwirtschaft.
Das Thema Kooperationen ist für Energieversorger nicht neu. So wurde im Jahr 1999 die Stadtwerke-Kooperation Trianel gegründet, der sich mittlerweile mehr als 50 kommunale Gesellschafter angeschlossen haben. Ziel war der gemeinsame Einstieg in den Kraftwerksmarkt, der bis dato nur den großen Erzeugern offen stand. Diese Geschäftsfeldvertiefung wäre einzelnen Stadtwerken nicht möglich gewesen – nicht nur aufgrund des fehlenden Kapitals, sondern auch aufgrund des Geschäftsrisikos, das durch die Kooperation verringert werden konnte. Allerdings sind in den vergangenen Jahren auch viele Kooperationsversuche gescheitert, was neben unüberwindbaren politischen Hürden unter anderem an unterschiedlichen Unternehmensstrukturen, gegenläufigen Erwartungshaltungen, mangelnder Kommunikation und zu Kooperationsbeginn unklar definierten Zielen gelegen hat. Dies gilt es nun besser zu machen.
Als aktuelle Kooperationsfelder nannten die Teilnehmer der Studie vor allem die Bereiche Energiehandel und -beschaffung, regenerative Energieerzeugung und Messwesen sowie den Dienstleistungsbereich. Kooperationen zielen hier hauptsächlich auf die Realisierung von Skaleneffekten ab. Sinnvoll ist zudem die Zusammenarbeit von Netzbetreibern, wenn hierdurch Konzessionsvergabeprozesse verschlankt und Kämpfe um Konzessionsgebiete vermieden werden können. Darüber hinaus bestehen in den Bereichen Netze und Vertrieb bislang nur wenige Kooperationen, denn sie sind die strategisch wichtigsten Wertschöpfungsbereiche von Energieversorgern. Mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft ist zu hinterfragen, ob die aktuell geringe Kooperationsneigung in diesen Geschäftsfeldern noch zukunftsgerichtet ist. Hier kann ein Blick über den Tellerrand in benachbarte Unternehmensbereiche helfen. So können die für einen Netzbetreiber vorgelagerten Tiefbauleistungen eine sinnvolle Ergänzung des eigenen Kerngeschäfts darstellen. Allein der regionale Bezug, der Energieversorgern und Baubranche gemein ist, bietet eine gute Ausgangsposition für Kooperationen.
Digitaler werden
Großen Einfluss auf alle Wertschöpfungsstufen der EVU hat die Digitalisierung. Es gilt daher, neue Technologien zu nutzen, um Kundenbeziehungen zu stärken und neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Dabei sollten insbesondere vier Hebel berücksichtigt werden:
– Digitalisierung der Kundenbeziehungen durch interaktive Kommunikation im Rahmen einer durchdachten und umfassenden Omni-Channel-Strategie mit integrierter Online-Kundenakquise und Cross Selling, Online-Kundenservice sowie Social Media Marketing.
– Digitale Produkte und Services, wie digitale Zähler, smarte Haushaltsgeräte, digitales Energie-Management, Smart Home und Smart-Grid-Services.
– Digitalisierung von Prozessen durch automatisiertes Auftragswesen und Abrechnungsprozesse, vorausschauende Wartung und Instandhaltung sowie intelligentes Workforce Management.
– Digitale Analysen, wie die Nutzung von strukturierten und unstrukturierten Markt-, Kunden-, Technik- und Unternehmensdaten.
Die Digitalisierung hilft den Energieversorgern in dreierlei Hinsicht. Erstens bei der Rationalisierung und damit effizienteren Ausgestaltung bestehender Geschäftsfelder. Zweitens im Kundenkontakt, denn der Kunde von heute kommt über Apps und andere digitale Kanäle auf seinen Versorger zu und möchte auf diesen Wegen angesprochen werden. Drittens ermöglicht die Digitalisierung die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, zum Beispiel bei der Unterstützung von Prosumern oder im Bereich Elektromobilität.
Um die digitalen Chancen zu erschließen, bedarf es der Zusammenführung vieler Puzzleteile. Dazu gehören digitale Technologie-Plattformen, ein passender Führungsstil, eine unternehmerische Kultur und natürlich entsprechende Fähigkeiten in Marketing, Vertrieb und IT. Diese Voraussetzungen und Fähigkeiten sind in EVU in der Regel nur bedingt vorhanden. Weiterbildungsmaßnahmen sind allerdings zeitaufwendig und nur selten vom erwünschten Erfolg gekrönt. Der Einsatz externer Berater kann eine Antwort sein, ist langfristig jedoch kaum finanzierbar. Eine mögliche Lösung sind Kooperationen und Beteiligungen an digitalen Spezialisten. E.ON zum Beispiel hält Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen, die alle in der IT-Branche verankert sind und etwa intelligente Beleuchtungskonzepte, Software für Energiespeicherlösungen oder Smart-Home-Anwendungen entwickeln.
Gesetzliche Hürden
Über Kooperationen untereinander und mit IT-Start-ups können Energieversorger von Innovationen profitieren und verhältnismäßig zügig in kerngeschäftsnahen Bereichen neue Umsätze erschließen. Hier erweisen sich allerdings gesetzliche Vorgaben als enorme Herausforderungen. Eine wesentliche Hürde stellt etwa das Gemeinderecht dar. So ist es Energieversorgern in kommunaler Hand aktuell nicht erlaubt, Kooperationen im IT-Bereich einzugehen, da dieses Geschäftsfeld nicht in das Feld der Daseinsvorsorge fällt. Darüber hinaus stellt die Regulierung Hemmnisse auf. So belohnt die Anreizregulierung mit ihrem derzeitigen System um Effizienzwertermittlung und Eigenkapitalverzinsung keine
Synergien durch Kooperationen. Im Gegenteil: Wirtschaftliche Vorteile werden durch die derzeitige Regulierungspraxis aufgezehrt.
Der Gesetzgeber ist daher dringend gefordert, diese politischen Hindernisse abzubauen, die eine notwendige Branchenevolution aktuell be- und verhindern. Nur so kann vermieden werden, dass Stadtwerke ihre Daseinsberechtigung im Markt verlieren oder auf Infrastrukturdienstleistungen reduziert werden.
Dieser Beitrag ist in der März/April-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
ZSW/BDEW: Rekordjahr für Erneuerbare
[16.12.2024] Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Nach vorläufigen Berechnungen von ZSW und BDEW lieferten Solar-, Wind-, Wasser- und Biomassekraftwerke mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Stroms. mehr...
Bayern: Grüne stellen Dringlichkeitsantrag
[13.12.2024] Die Grünen im Bayerischen Landtag haben gestern im Plenum einen Dringlichkeitsantrag für konsequenten Klimaschutz eingebracht. Ziel ist es, die bayerischen Klimaziele bis 2040 zu sichern und notwendige Maßnahmen, insbesondere in der Wärmepolitik, zügig umzusetzen. mehr...
Wien/Berlin: Gemeinsam für die urbane Energiewende
[09.12.2024] Bei den Vienna Science Days in Berlin trafen sich Ende November Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, um über die Herausforderungen der Energiewende und Dekarbonisierung in Großstädten zu diskutieren. Im Fokus standen die Zusammenarbeit zwischen Wien und Berlin. mehr...
Monitoringbericht: Energiemarkt in Bewegung
[09.12.2024] Der aktuelle Monitoringbericht von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zum Strom- und Gasmarkt zeigt: Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien steigt, konventionelle Kraftwerke bleiben aber unverzichtbar. Und: Sinkende Strom- und Gaspreise entlasten die Verbraucher. mehr...
KWKG: Bundestag berät über Verlängerung
[09.12.2024] Ein Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht vor, die Geltungsdauer des KWK-Gesetzes bis zum 31. Dezember 2030 zu verlängern. Der Bundestag hat jetzt erstmals darüber beraten. Unterstützung für die Initiative der Unionsfraktion kommt aus der Energiewirtschaft. mehr...
BMWK: Bioenergiepaket soll Anreize schaffen
[09.12.2024] Die Flexibilität und Planungssicherheit für Biogasanlagen sollen verbessert werden. Dazu hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Bioenergiepaket vorgelegt. Der Entwurf zur Änderung des EEG 2023 ist allerdings noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. mehr...
Interview: Volle Unterstützung für Holzenergie
[05.12.2024] Die energetische Holznutzung ist eine wichtige Säule für die Wertschöpfung im ländlichen Raum, sagt Hubert Aiwanger. stadt+werk sprach mit dem bayerischen Wirtschaftsminister über die Ziele des Pakts Holzenergie Bayern. mehr...
SAENA: Neues Umfragetool
[04.12.2024] Die SAENA bietet jetzt für die finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Umfragetools und Workshops an. mehr...
Saarland: Förderprogramm für Straßenbeleuchtung
[02.12.2024] Das saarländische Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie fördert jetzt mit dem neuen Programm ZEP-Kommunal die Umrüstung von Straßenbeleuchtungen in Kommunen auf LED-Technologie. mehr...
Kraftwerkssicherheitsgesetz: Die Politik ist gefordert
[25.11.2024] Ein Referentenentwurf für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz liegt vor, berichten Medien. Er sieht neben neuen Regelungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke auch eine Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vor. Der BDEW betont den dringenden Handlungsbedarf für die Energieversorgung. mehr...
Projekt PaDiSo: Tipps für die lokale Energiewende
[14.11.2024] Forscherinnen des Projekts PaDiSo haben Handlungsempfehlungen für deutsche Kommunen entwickelt, um sie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems zu unterstützen. Ziel ist es, kommunalen Akteuren praxisnahe Instrumente und Strategien an die Hand zu geben. mehr...
Energieministerkonferenz: Der Geist von Brunsbüttel
[11.11.2024] Die Energieministerkonferenz in Brunsbüttel hat mit der „Brunsbütteler Erklärung“ einen deutlichen Appell an die Bundesregierung verabschiedet: Die Ministerinnen und Minister fordern spürbare Entlastungen bei den Strompreisen, eine zügige Umsetzung der Gesetze und eine klare Strategie für erneuerbare Energien und Biomasse. mehr...
BDEW: Energiebranche besorgt über Ampel-Aus
[07.11.2024] Nach dem Bruch der Ampelkoalition warnt der BDEW vor den Folgen für die Energiepolitik. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt schnelles und einvernehmliches Handeln an. mehr...
Bundesregierung: KRITIS-Dachgesetz beschlossen
[07.11.2024] Die Bundesregierung hat den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit des Gesetzes, um Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Katastrophen zu machen. mehr...
Frankfurt am Main: Energiezukunft gemeinsam gestalten
[05.11.2024] Bei einer Veranstaltung der Mainova diskutierten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef und Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über den geplanten Ausbau der Strom- und Wärmenetze in Frankfurt. mehr...