Mittwoch, 25. Dezember 2024

Stadtwerkestudie 2019Kooperation ist die Zukunft

[24.09.2019] Sektorkonvergenz spielt auch in der Energiewirtschaft eine immer größere Rolle, wie sich an der EY-Stadtwerkestudie 2019 zeigt. Um diese Veränderungen als Chance zu nutzen, sollten die Versorgungsunternehmen neue Geschäftsfelder jenseits der Energieversorgung in den Blick nehmen.
Die Stadtwerkestudie 2019 zeigt

Die Stadtwerkestudie 2019 zeigt, dass Energieversorger zunehmend auf Kooperationen und Partnerschaften setzen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

(Bildquelle: yingyaipumi/stock.adobe.com)

Das Zusammenwachsen und die Vernetzung von Branchen stellen ganze Industriezweige auf den Kopf. Plötzlich verweben sich Wertschöpfungsketten von Industrien, die bislang ungestört nebeneinanderher gelebt haben. Kooperation ist die neue Konkurrenz. Diese Entwicklung hat einen Namen: Sektorkonvergenz. Zunehmend ergreift dieser Trend auch die Energiewirtschaft. Messdaten und Steuerungsmöglichkeiten fürs eigene Heim fließen immer mehr zusammen, sei es über Amazons Alexa, Googles Nest oder eines der vielen Smart-Home-Komplettsysteme: Die Elektronik, die uns umgibt, will gesteuert werden – über das Netz, das Internet of Things. Das passiert auch in größerem Maßstab, wenn Städte beginnen, Verkehrsflüsse und Energieverbräuche zu lenken. Ein Beispiel findet sich im Ruhrgebiet, wo ein Mobilitätsdienstleister mit Kommunen, Energieversorgern, Stadtwerken und Wohnungswirtschaft im E-Carsharing kooperiert. Im westfälischen Münster hingegen tun sich die Stadtwerke mit einer Energiegenossenschaft beim Bau von Windenergieanlagen zusammen.
Die unterschiedlichen Marktteilnehmer bringen in den Projekten ihr jeweiliges Wissen zum Vorteil des Endkunden zusammen. Oft werden dabei digitale Plattformen genutzt, über die der Endkunde dank gemeinsamer Schnittstelle Zugang zu einer Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen erhält. Dabei könnte das Smart Meter Gateway zum Türöffner dieser neuen Plattformwirtschaft avancieren.

Vertrauen ist Kapital

Ein Beispiel für eine äußerst erfolgreiche Plattformwirtschaft ist Amazon. Einst konnte man dort lediglich Bücher beziehen, später alle möglichen anderen Waren, inzwischen Filme, Musik, Hörbücher und sogar Radioreportagen. Ebenfalls angedockt sind zahllose Fremdverkäufer, die ihre Waren über die marktbeherrschende Plattform anbieten. Ähnlich gedachte Ökosysteme könnten auch Stadtwerke aufbauen. Denn gerade die regionale Verwurzelung bietet den Versorgern einen Wettbewerbsvorteil. Sie können Angebote verschiedener Partner zu einem Produkt mit Mehrwert kombinieren und dabei die Rolle des Dirigenten in der Region übernehmen.
Die für die EY-Stadtwerkestudie 2019 befragten Energie-Manager erwarten ein Zusammenwachsen über Sektorgrenzen hinweg vor allem in der dezentralen Stromerzeugung und -speicherung, bei Smart Metering und Elektromobilität. Diese Geschäftsfelder sind nah am Kerngeschäft und technologisch weit entwickelt. Noch bestehen allerdings viele regulatorische Hemmnisse. Über ein Drittel der Befragten sieht außerdem Potenzial für Geschäftsfelder, die das klassische Leistungsangebot eines Energieversorgers deutlich erweitern würden. Dies sind vor allem Smart-City- und Smart-Home-Ansätze.

Umdenken notwendig

Das Umdenken in Richtung Plattformbetreiber ist notwendig, um evolutionär neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Plattform, die als erstes Angebot und Nachfrage intelligent und komfortabel zusammenbringt, beherrscht bald das Marktsegment. Im digitalen Zeitalter geht es dabei mehr denn je um Daten. Erfolgreiche Online-Plattformen bieten Kunden ihre Leistungen sehr günstig oder sogar gratis an, erhalten dafür aber wertvolle Daten. Diese Daten sind interessant für Gerätehersteller, Wohnungswirtschaft, Effizienzberater, Versicherungen und die Endkunden selbst. Wie die EY-Studie zeigt, stehen die Daten keineswegs zum freien Verkauf. Keines der befragten 172 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz plant eine Datenvermarktung an Dritte, vielmehr geht es um kombinierte Lieferung und Messung, Energieautarkie, Bündelablesungen und variable Tarife.

Verweben der Sektoren als Chance

Das Verweben der Sektoren begreifen die befragten Geschäftsführer und Vorstände vor allem als Chance. Das größte Synergiepotenzial sehen die Energieversorger demnach in Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft, die häufig regional verankert ist; Kooperationen mit dem Technologie- und dem Telekommunikationssektor sind ebenfalls vielversprechend. Chancen bieten insbesondere die dezentrale Stromerzeugung, Smart Metering und Elektromobilität, so ein weiteres Umfrageergebnis. Darüber hinaus sehen sich Stadtwerke und Energieversorger zukünftig als umfassende Plattformbetreiber im Betrieb von Smart Meter Gateways, der Lade-Infrastruktur oder im Gebäude-Management. Weitere Entwicklungspotenziale bestehen in Bereichen wie Telekommunikation, Quartierskonzepte sowie in Smart-Home- und Smart-Metering-Ansätzen. Insgesamt ist die Stimmung in der Energiewirtschaft gut, sie wird immer mehr zur Wachstumsbranche, was sich in zahlreichen neuen Geschäftsmodellen widerspiegelt.

Wer stillhält, verliert

Digitalisierung und Sektorkonvergenz bergen aber auch Risiken. Die Umbrüche erfolgen in einzelnen Wertschöpfungsstufen sehr schnell. Daher gehen rund drei Viertel der Befragten davon aus, dass Smart-City-Ansätze nur in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern erfolgreich umgesetzt werden können; gleichzeitig scheut die Mehrheit der Befragten aber noch den Schritt in neue Geschäftsfelder jenseits der Energieversorgung. Das könnte sich als großer Fehler erweisen. Denn es ist zu erwarten, dass sich künftig noch mehr Akteure aus anderen Branchen in der Energiewirtschaft engagieren. So baut etwa die Deutsche Telekom eine eigene Lade-Infrastruktur für Elektroautos auf, Produktions- und Einzelhandelsunternehmen erzeugen den Strom für ihre Standorte und Filialen selbst und zahlreiche Player aus anderen Branchen bieten Endkunden Strom an.
Der Druck auf die Etablierten wächst. Die erhoffte Chance kann schnell zum Risiko werden. Und zwar dann, wenn die Energieversorger selbst das Risiko scheuen. Wenn ihre Unternehmenskultur nicht agiler und innovationsfreundlicher wird, Fehler erlaubt und das ganze Potenzial ihrer Mitarbeiter abruft, verpassen sie die Chancen, die ihnen der immer schnellere Wandel bieten kann.

Metin Fidan

Fidan, MetinMetin Fidan leitet bei EY die Beratungs- und Prüfungstätigkeiten für die Energiewirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er berät Unternehmen aus der Energiewirtschaft zur Entwicklung und Umsetzung strategischer Vorhaben, zur Optimierung bestehender Geschäftsmodelle und zur Performance-Steigerung.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Auf dem Bild sind Photovoltaikanlagen und im Hintergrund Windräder zu sehen.

ZSW/BDEW: Rekordjahr für Erneuerbare

[16.12.2024] Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Nach vorläufigen Berechnungen von ZSW und BDEW lieferten Solar-, Wind-, Wasser- und Biomassekraftwerke mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Stroms. mehr...

Bayern: Grüne stellen Dringlichkeitsantrag

[13.12.2024] Die Grünen im Bayerischen Landtag haben gestern im Plenum einen Dringlichkeitsantrag für konsequenten Klimaschutz eingebracht. Ziel ist es, die bayerischen Klimaziele bis 2040 zu sichern und notwendige Maßnahmen, insbesondere in der Wärmepolitik, zügig umzusetzen. mehr...

Das Bild zeigt Franziska Giffey (SPD), Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe und Bürgermeisterin von Berlin, bei der Eröffnungsrede auf den Vienna Science Days in Berlin.
bericht

Wien/Berlin: Gemeinsam für die urbane Energiewende

[09.12.2024] Bei den Vienna Science Days in Berlin trafen sich Ende November Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, um über die Herausforderungen der Energiewende und Dekarbonisierung in Großstädten zu diskutieren. Im Fokus standen die Zusammenarbeit zwischen Wien und Berlin. mehr...

Auf dem Bild ist das Kohlekraftwerk Weisweiler zu sehen, im Vordergrund stehen zwei Windräder.
bericht

Monitoringbericht: Energiemarkt in Bewegung

[09.12.2024] Der aktuelle Monitoringbericht von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zum Strom- und Gasmarkt zeigt: Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien steigt, konventionelle Kraftwerke bleiben aber unverzichtbar. Und: Sinkende Strom- und Gaspreise entlasten die Verbraucher. mehr...

Das Bild zeigt einen Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Zusehen sind die Reihen der Abgeordneten und im Hintergrund der Bundesadler.

KWKG: Bundestag berät über Verlängerung

[09.12.2024] Ein Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht vor, die Geltungsdauer des KWK-Gesetzes bis zum 31. Dezember 2030 zu verlängern. Der Bundestag hat jetzt erstmals darüber beraten. Unterstützung für die Initiative der Unionsfraktion kommt aus der Energiewirtschaft. mehr...

Biogasalage: Der Bundesverband Bioenergie (BBE) hat die herausragende Bedeutung der Bioenergie betont.

BMWK: Bioenergiepaket soll Anreize schaffen

[09.12.2024] Die Flexibilität und Planungssicherheit für Biogasanlagen sollen verbessert werden. Dazu hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Bioenergiepaket vorgelegt. Der Entwurf zur Änderung des EEG 2023 ist allerdings noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. mehr...

interview

Interview: Volle Unterstützung für Holzenergie

[05.12.2024] Die energetische Holznutzung ist eine wichtige Säule für die Wertschöpfung im ländlichen Raum, sagt Hubert Aiwanger. stadt+werk sprach mit dem bayerischen Wirtschaftsminister über die Ziele des Pakts Holzenergie Bayern. mehr...

SAENA: Neues Umfragetool

[04.12.2024] Die SAENA bietet jetzt für die finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Umfragetools und Workshops an. mehr...

Saarland: Förderprogramm für Straßenbeleuchtung

[02.12.2024] Das saarländische Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie fördert jetzt mit dem neuen Programm ZEP-Kommunal die Umrüstung von Straßenbeleuchtungen in Kommunen auf LED-Technologie. mehr...

Das Bild zeigt das Gaskrafterk Irsching.

Kraftwerkssicherheitsgesetz: Die Politik ist gefordert

[25.11.2024] Ein Referentenentwurf für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz liegt vor, berichten Medien. Er sieht neben neuen Regelungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke auch eine Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vor. Der BDEW betont den dringenden Handlungsbedarf für die Energieversorgung. mehr...

Projekt PaDiSo: Tipps für die lokale Energiewende

[14.11.2024] Forscherinnen des Projekts PaDiSo haben Handlungsempfehlungen für deutsche Kommunen entwickelt, um sie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems zu unterstützen. Ziel ist es, kommunalen Akteuren praxisnahe Instrumente und Strategien an die Hand zu geben. mehr...

Das Bild ist ein Porträtfoto des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt

Energieministerkonferenz: Der Geist von Brunsbüttel

[11.11.2024] Die Energieministerkonferenz in Brunsbüttel hat mit der „Brunsbütteler Erklärung“ einen deutlichen Appell an die Bundesregierung verabschiedet: Die Ministerinnen und Minister fordern spürbare Entlastungen bei den Strompreisen, eine zügige Umsetzung der Gesetze und eine klare Strategie für erneuerbare Energien und Biomasse. mehr...

Das Bild ist ein Portätfoto von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

BDEW: Energiebranche besorgt über Ampel-Aus

[07.11.2024] Nach dem Bruch der Ampelkoalition warnt der BDEW vor den Folgen für die Energiepolitik. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt schnelles und einvernehmliches Handeln an. mehr...

Auf dem Bild ist ein Umspannwerk zu sehen, im Vordergrund zwei Personen, die sich über einen Plan beugen.

Bundesregierung: KRITIS-Dachgesetz beschlossen

[07.11.2024] Die Bundesregierung hat den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit des Gesetzes, um Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Katastrophen zu machen. mehr...

Auf dem Bild sind Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG, Hessens Energie- und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori und Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef zu sehen. Sie halten ein Plakat in Händen, das das Konzept der Energiewendeviertel illustriert.

Frankfurt am Main: Energiezukunft gemeinsam gestalten

[05.11.2024] Bei einer Veranstaltung der Mainova diskutierten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef und Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über den geplanten Ausbau der Strom- und Wärmenetze in Frankfurt. mehr...