GesetzesnovelleKonzessionsvergabe neu geregelt
In der Vergangenheit landeten viele Auswahlverfahren zur Klärung, wer in einer Gemeinde das Recht auf Wegenutzung und damit zum Betrieb des örtlichen Strom- und Gasnetzes bekommt, vor Gericht – mit ungewissem Ausgang. Das hat zu einer erheblichen Verunsicherung der Beteiligten geführt. Seit dem 3. Februar 2017 gelten neue Regeln für Konzessionsverträge. Mit dem „Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung“ hat der Gesetzgeber die Vorschriften in § 46 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) umfassend novelliert.
Nur wer mit einer Kommune einen entsprechenden Vertrag über die Straßen- und Wegenutzung abgeschlossen hat, kann vor Ort das Strom- oder Gasnetz betreiben. Der geeignetste Bewerber wird in einem diskriminierungsfreien und transparenten Auswahlverfahren ermittelt. Die im Allgemeinen schlicht als Konzessionsverträge bezeichneten Vereinbarungen zwischen der Gemeinde und dem Netzbetreiber dürfen eine Laufzeit von 20 Jahren nicht übersteigen. So soll der Wettbewerb in diesem Sektor sichergestellt werden.
Mit den Konzessionsverträgen können die Kommunen den Betrieb des örtlichen Strom- und Gasnetzes und somit die Versorgung der Gemeindebürger sicherstellen. Außerdem stellen die auf Grundlage des Konzessionsvertrags für die Wegenutzung fälligen Konzessionsabgaben eine signifikante Einnahmequelle für die Gemeinden dar. Aus Sicht der Netzbetreiber sind die Verträge nicht weniger wichtig; schließlich verleihen sie ein exklusives Recht zum – meist lukrativen – Netzbetrieb vor Ort. Viele Kommunen wollen außerdem die Netze wieder in die eigene Hand nehmen.
Auswahlkriterien lange unklar
Kern der juristischen Auseinandersetzungen in den vergangenen Jahren war die Frage, welche Kriterien eine Gemeinde bei der Auswahl ihres Vertragspartners anlegen darf. Im Jahr 2011 hat der Gesetzgeber die einschlägige Vorschrift bereits dahingehend präzisiert, dass die Gemeinden bei ihrer Entscheidung den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet seien. Sicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit sowie die Effizienz und Umweltverträglichkeit der Energieversorgung sind somit wesentliche Auswahlkriterien.
Wie diese Anforderungen im konkreten Einzelfall umzusetzen sind, blieb allerdings unklar. Der Bundesgerichtshof musste deshalb in mehreren Entscheidungen dazu Stellung nehmen, welche Aspekte mit welcher Mindestgewichtung in die Entscheidung einzubeziehen sind. Als Beispiele lassen sich das Urteil vom 7. Oktober 2014 – EnZR 86/13, der Beschluss vom 3. Juli 2014 – EnVR 10/13 oder das Urteil vom 17. Dezember 2013 – KZR 66/12 anführen. Nach dieser Rechtsprechung gilt unter anderem, dass die Ziele des § 1 EnWG insgesamt mit mehr als 50 Prozent und das Ziel der Versorgungssicherheit im Besonderen mit mindestens 25 Prozent in die Auswahlentscheidung eingehen müssen.
Diese Urteile – und damit auch die ihnen zugrunde liegende Gesetzeslage – wurden vielfach, teilweise heftig kritisiert. Kommunale Belange seien hier nicht ausreichend gewürdigt und die grundgesetzlich garantierte Selbstverwaltung der Gemeinden werde damit verletzt. Unter anderem wurde die Möglichkeit einer verfahrensfreien Inhouse-Vergabe gefordert, wenn sich eine Kommune zur Rekommunalisierung der Netze entschieden hat. Der Versuch, eine verbindliche Klärung durch das Bundesverfassungsgericht herbeizuführen, scheiterte kläglich und ohne Sachentscheidung des Gerichts (Beschluss vom 22. August 2016 – 2 BvR 2953/14). Die Antragsteller hatten die formalen Vorgaben für die Erhebung einer (Kommunal-)Verfassungsbeschwerde nicht eingehalten.
Die jüngste Gesetzesnovelle sieht jetzt in § 46 Absatz 5 Satz 2 EnWG ausdrücklich vor, dass „unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, […] auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden“ können. Eine für den Einzelfall hilfreiche Klärung der Rechtslage ist damit nicht verbunden, weil offen bleibt, in welchem Verhältnis dies zu der bisherigen Zielverpflichtung stehen soll. Die wünschenswerte Präzisierung, wie die Auswahlkriterien zu gestalten und zu gewichten und welche Bewertungsmethoden anzulegen sind, bleibt aus. Nur am Rande erwähnt sei, dass der nun gesondert im Gesetz angesprochene Aspekt der Kosteneffizienz gar kein Ziel des § 1 EnWG und energiewirtschaftsrechtlich bislang unbekannt ist.
Präzisere Vorgaben
Einen Schwerpunkt der Neuregelung bilden Verfahrensvorschriften. Augenfällig ist, dass sich die Neuregelung deutlich am Vergaberecht orientiert, das in diesem Bereich eigentlich keine Anwendung findet. Zunächst ist der Auskunftsanspruch der Gemeinde gegen den bisherigen Netzbetreiber klarer gefasst (§ 46a EnWG). Es ist nun spezifiziert, auf welche Informationen die Gemeinde einen Anspruch hat. Bedeutend sind aber vor allem Vorgaben zur Bekanntmachung, zur Interessenbekundungsfrist, zur Mitteilung der Auswahlkriterien sowie zur Vorabinformation unterlegener Bieter. Sie sind jetzt erstmals detailliert geregelt (§ 46 Absatz 3 bis 5 EnWG). Mindestens ebenso wichtig sind die Regelungen zu Rügeobliegenheiten unterlegener Bieter und zur Präklusion im Falle ihres Unterlassens (§ 47 EnWG).
In gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Netzherausgabe beriefen sich manche Altkonzessionäre bislang auf die Nichtigkeit des neu geschlossenen Konzessionsvertrags – und das erst weit nach dem Konzessionsverfahren. Sie stützten sich dabei auf tatsächliche oder vermeintliche Verfahrensmängel. Künftig ist das nicht mehr möglich, weil nun strenge Ausschlussfristen gelten, die eine solche Verzögerungstaktik verhindern sollen. Fehler der verfahrenseröffnenden Bekanntmachung im Bundesanzeiger sind innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung zu rügen. Rechtsverletzungen, die mit der Auswahl und Gewichtung der Kriterien zusammenhängen, müssen innerhalb von 15 Tagen geltend gemacht werden, nachdem die Kommune dem betroffenen Bieter die gewählten Kriterien mitgeteilt hat. Fehler bei der abschließenden Auswahlentscheidung sind vom unterlegenen Bieter innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Absageschreibens zu rügen.
Über rechtzeitig vorgebrachte Rügen muss die Gemeinde entscheiden. Hilft sie einer Rüge nicht ab, so gilt eine weitere wichtige Frist: Gerichtlicher Rechtsschutz gegen eine ablehnende Entscheidung der Gemeinde ist nur in Form eines Eilverfahrens und nur innerhalb von 15 Tagen zulässig. Immerhin: die ansonsten im Eilverfahren geltende Pflicht, eine besondere Dringlichkeit nachzuweisen, entfällt.
Präziser als zuvor ist das Gesetz auch hinsichtlich des Netzkaufpreises. Kommt im Rahmen eines Konzessionsverfahrens ein neuer Bieter zum Zug, so hat er einen Anspruch auf Übereignung des Netzes vom Altkonzessionär. Im Gegenzug hat der Altkonzessionär Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Kaufpreises. Bislang sprach das Gericht recht schwammig von der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“. In der Folge war streitig, ob hierbei der Sachzeitwert oder der regelmäßig deutlich günstigere Ertragswert zugrunde zu legen ist. Nun ist in § 46 Absatz 2 Satz 2 EnWG festgelegt, dass es grundsätzlich der objektivierte Ertragswert sein soll. Zwar sieht das Gesetz vor, dass die Beteiligten auch etwas anderes vereinbaren können. Praktisch wird das aber kaum eine Rolle spielen, da eine abweichende Vereinbarung immer für einen der Beteiligten (meist für den Neukonzessionär) finanziell nachteilig wäre.
Anspruch auf Konzessionsabgabe
Praktisch wichtig ist auch die Frage, was passiert, wenn der alte Konzessionsvertrag bereits ausgelaufen, ein neuer aber noch nicht abgeschlossen ist. Der Altkonzessionär kann und muss dann das Netz weiterbetreiben. Etwas komplizierter ist die Frage, ob die Gemeinde in einem solchen Fall Anspruch auf die Fortzahlung der Konzessionsabgaben hat. Bislang galt, dass ein solcher Anspruch gesetzlich nur für den Zeitraum von einem Jahr besteht. Angesichts der Dauer insbesondere gerichtlicher Auseinandersetzungen ist das ein denkbar kurzer Zeitraum. Für den Zeitraum danach war es zwar möglich, die Fortzahlung durch Vereinbarung zu regeln, was jedoch in vielen Fällen scheiterte.
Solche Schwierigkeiten soll der neue § 48 Absatz 4 EnWG beseitigen, der in Satz 1 einen unbefristeten Anspruch auf Fortzahlung vorsieht. Gleichzeitig schafft die Vorschrift aber neue Probleme. In Satz 2 ist geregelt, dass ein Zahlungsanspruch entfällt, „wenn die Gemeinde es unterlassen hat, ein Verfahren nach § 46 Absatz 3 bis 5 durchzuführen“. Ob dies nur Fälle erfasst, in denen überhaupt kein Verfahren stattgefunden hat oder auch solche Fälle, in denen das durchgeführte Verfahren nicht allen Vorgaben des § 46 Absatz 3 bis 5 EnWG genügt, bleibt unklar. Hier sind gerichtliche Auseinandersetzungen vorprogrammiert.
Auf den letzten Metern des Gesetzgebungsprozesses sind Regelungen dazu aufgenommen worden, ob die Neuregelungen auf derzeit laufende Verfahren anzuwenden sind (§ 118 Absatz 20 EnWG). Hier kann die Kommune, die bereits vor Inkrafttreten der Novelle am 3. Februar die Auswahlkriterien mitgeteilt hat, wählen. Sie kann entweder das Verfahren nach dem bisherigen Recht abschließen oder durch eine Rügeaufforderung an die beteiligten Bieter der neuen Rechtslage zur Anwendung verhelfen.
Bewertung und Ausblick
Die Neuregelung wird sicherlich nicht die letzte Reform des Konzessionsrechts sein, bleibt sie doch in einigen Fragen hinter den Erwartungen zurück. Positiv ist, dass nun einige Streitpunkte, etwa beim Netzkaufpreis, im Grundsatz geklärt sind. Auch die neuen Verfahrensregeln mitsamt den Rügefristen sind im Grundsatz zu begrüßen, weil sie zur Beschleunigung führen. Gleichzeitig sind die Fristen angesichts der komplexen Sach- und Rechtsfragen recht knapp bemessen. Einige Klarstellungen, wie etwa bei der Fortzahlung der Konzessionsabgaben, dürften unterm Strich mehr Probleme schaffen als lösen. Bedauerlich ist auch, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, die materiellen Anforderungen an die Auswahlkriterien und das Zusammenspiel zwischen den Zielen des § 1 EnWG und kommunalen Belangen klarer zu regeln. Zwar lassen fehlende gesetzliche Vorgaben den Gemeinden auf den ersten Blick mehr Spielraum bei der Verfahrensgestaltung. Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass die Rechtsprechung durchaus inhaltliche Anforderungen entwickelt hat. Deshalb könnte sich die gesetzgeberische Zurückhaltung im Konfliktfall schnell als trügerische Freiheit erweisen.
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